„Notfall im All“ – Mediziner schulen Astronauten

"Notfall im All" - Mediziner schulen Astronauten
Für eine simulierte Mars- Mission in Moskau im Frühsommer schulen Mainzer Mediziner das Astronauten- Team für Notfälle im All. Bei der Mission "Mars 500" soll für den rund 520 Tage dauernden Flug zum roten Planeten geprobt werden. Foto: dpa

Mainz – Als der Astronaut plötzlich bewusstlos wird, ist das Raumschiff zum Mars gerade 50 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Die Crew ruft die Bodenstation um Hilfe – aber die Nachricht braucht schon Minuten, um das Kontrollzentrum zu erreichen. Stabile Seitenlage? Beine hoch? Bringt alles nichts bei Schwerelosigkeit. Ein Notfall auf der Erde ist schon eine dramatische Situation – im All stellt er ein Astronauten-Team vor noch schwierigere Aufgaben.

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Mainz – Als der Astronaut plötzlich bewusstlos wird, ist das Raumschiff zum Mars gerade 50 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Die Crew ruft die Bodenstation um Hilfe – aber die Nachricht braucht schon Minuten, um das Kontrollzentrum zu erreichen.

Stabile Seitenlage? Beine hoch? Bringt alles nichts bei Schwerelosigkeit. Ein Notfall auf der Erde ist schon eine dramatische Situation – im All stellt er ein Astronauten-Team vor noch schwierigere Aufgaben. Für einen simulierten Flug zum Mars werden die Astronauten in der nächsten Woche in Moskau von Medizinern der Mainzer Universitätsklinik in einem speziellen Erste-Hilfe-Kurs für Notfälle im All geschult.

Bei dem Projekt „Mars 500“ sollen zwei Europäer, drei Russen und ein Chinese von spätestens Juni an 520 Tage in Containern leben und arbeiten – völlig isoliert von der Umwelt. Die röhrenförmigen Module mit etwa 180 Quadratmetern Platz stehen am Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) in Moskau, wie der Arzt Julian Graf erklärt. Neben dem nachgebauten Raumschiff gibt es auch ein kleines Stückchen Mars – inklusive Sternenhimmel – für die simulierte Landung. Jeder Astronaut hat ein kleines Zimmerchen, daneben gibt es Arbeitsräume, Lager, ein Gewächshaus und einen Krankentrakt.

Graf wird in wenigen Tagen mit mehreren Kollegen nach Moskau reisen und zwölf Probanden schulen, von denen sechs an Bord von „Mars 500“ gehen. Mit im Gepäck haben die Mainzer Mediziner auch Puppe „Oliver“, an der die Handgriffe bei einem Notfall geübt werden. Dazu zählen vor allem die Behandlung bei einem Herz-Kreislaufstillstand, wenn jemand stark blutet, sich verbrannt hat oder unterzuckert ist. „Selbst wenn ein Arzt mit an Bord ist – er kann ja auch der Notfallpatient sein“, sagt Graf. Daher ist das Training auf medizinische Laien abgestimmt, die zudem nur sehr begrenzt den Rat eines Arztes einholen können.

Zum Beispiel funktioniert schon eine einfache Infusion nicht so, wie auf der Erde – mangels Schwerkraft. Um Medikamente schnell in den Körper zu bekommen, ist eine Infusionspumpe nötig. Der Zugang dafür wird nicht intravenös gelegt, sondern über eine Kanüle im Schienbeinknochen. Dies sei einfacher, da die Helfer keine Vene suchen müssten, erklärt der Anästhesist. Für die künstliche Beatmung kommt ein spezieller Tubus zum Einsatz, der besonders einfach zu handhaben ist und sich selbst in die richtige Position vor der Luftröhre bringt.

Muss ein kollabierter Astronaut mit Herzdruckmassage reanimiert werden, sollten Helfer und Patient gut festgebunden sein: „Sonst stößt man sich wegen der Schwerelosigkeit mit jeder Bewegung voneinander ab.“ Die Schwerelosigkeit sei ohnehin eine große Belastung für Menschen, erklärt Matthias Schäfer, Leitender Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie. „Der Körper stellt sich darauf ein, verändert sich und verliert beispielsweise viel Flüssigkeit.“ Das Blut wandert von den Beinen in den Oberkörper, das Gesicht schwillt an, die Muskeldichte nimmt ab, das Immunsystem wird schwächer. Dies alles müsse bei der Behandlung von Krankheiten im All bedacht werden, sagt Schäfer.

„Mars 500“ ist ein gemeinsamer Test von IBMP und der europäischen Weltraumagentur ESA. Daran sind nach den Worten von Graf 15 europäische Forschungsprojekte beteiligt – darunter die Mainzer Ärzte als einzige deutsche Gruppe zum Thema Notfallmedizin. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) finanziert den Einsatz laut Klinik mit 257 000 Euro. Erste Erfahrungen hatten die Mainzer Ärzte bereits beim Vorgängerprojekt „Concordia 2009“ gesammelt, bei der sie Erste-Hilfe-Methoden für die Bewohner einer Forschungsstation in der Antarktis entwickelten.

Damals wurde – wie nun auch bei der Mars-WG – zusätzlich überprüft, wie gut die Probanden ihr Notfall-Wissen behalten haben und wann eine Auffrischung nötig ist. Diese Erkenntnisse aus dem Eis und aus dem Raumschiff können nach Meinung der Ärzte auch für den normalen, irdischen Alltag wichtig werden – etwa bei Erste-Hilfe- Kursen für Autofahrer. (Internet: Mainzer Simulationszentrum)

Von Andrea Löbbecke