Phänomen Prokon: Anlegerfalle oder Kampagnenopfer?

Für viele Kleinanleger war es schlicht und ergreifend der Stein der Weisen: Das Angebot der Windenergie-Firma Prokon schien einfach zu verlockend. Sie steckten ihr gutes Geld in ein vermeintlich tolles Projekt.

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75.000 griffen zu, zeichneten Genussrechte, investierten ihre Spargroschen dem Zeitgeist entsprechend in alternative Energien. Guten Gewissens, selbstverständlich. Und obendrein gab es ein Renditeversprechen von bis zu 8 Prozent. Das nimmt man doch gern in diesen schweren Zeiten am Kapitalmarkt. Waren aber die 75 000 Menschen doch zu gutgläubig? Haben sie die teilweise unwägbaren Risiken des grauen Kapitalmarktes leichtfertig unterschätzt? Es hat zumindest den Anschein.

Prokon sammelte bei den Kleinanlegern rund 1,4 Milliarden Euro ein. Nach der Ankündigung einer drohenden Insolvenz durch das Unternehmen geht die Lübecker Staatsanwaltschaft inzwischen Strafanzeigen wegen Betrug nach. Den Investoren droht der Verlust – zumindest eines großen Teils ihres Kapitals. Wir beantworten die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Prokon-Skandal.

Was für ein Unternehmen ist Prokon, und wer steht dahinter?

Prokon – die Abkürzung steht für PROjekte und KONzepte – wurde 1995 von Carsten Rodbertus gegründet mit dem Unternehmensziel, in erneuerbare Energien zu investieren. Zunächst verkaufte Prokon Kommanditanteile an geschlossenen Windparkfonds. Ab 2007 veränderte sich das Geschäftsmodell: Heute finanziert sich Prokon überwiegend über Genussrechtsanteile von Anlegern. Das Unternehmen investiert nicht mehr nur in Windenergie, sondern auch in Biokraftstoffe und Biomasse und ist als Stromversorger tätig. Der 52-jährige Rodbertus ist nach wie vor Geschäftsführender Gesellschafter.

Was hat Prokon den Anlegern versprochen?

Das Unternehmen wirbt mit einer hochverzinsten Anlage in ökologisch orientierte Sachwerte wie Windparks. Dabei erweckte Prokon den Eindruck, die Anlage sei sehr sicher. Das Geld floss in 52 Windparks in Deutschland und Polen, eine Ölmühle in Magdeburg, Wälder und einen Holz verarbeitenden Betrieb. Als Rendite versprach Prokon seinen Anlegern mindestens 6 Prozent und zahlte auch bis bis zum Jahr 2013 zuverlässig.

Warum könnte es zur Insolvenz kommen?

Prokon finanziert Investitionsgüter wie Windkraftwerke mit dem kurzfristigen Finanzierungsinstrument der Genussrechte. Wenn viele Anleger sich von ihren Papieren trennen, fehlen jedoch flüssige Mittel, um die laufenden Kosten zu begleichen. Dieser Fall ist nun eingetreten.

Wie ist die aktuelle finanzielle Lage bei Prokon?

Es liegen derzeit keine belastbaren Unternehmenszahlen vor. „Die veröffentlichten Zahlen sind wenig aussagekräftig und werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Julius Reiter. Prokon hat seit Jahren keine geprüften und testierten Konzernberichte veröffentlicht und verwendet auf seiner Internetseite zum Teil selbst erdachte Definitionen für seine finanzielle Leistungskraft. Daraus lässt sich schließen, dass Prokon die Mittel für die Zinszahlungen an die Anleger nicht erwirtschaftet. Deshalb verdächtigen Verbraucherschützer das Unternehmen, die Zinsen aus frischem Anlegergeld zu bezahlen.

Was sagt Prokon zu den Vorwürfen?

Das Unternehmen weist den Verdacht seit Jahren zurück und beschuldigt seinerseits Medien und Institutionen wie die Stiftung Warentest oder die Verbraucherzentralen, eine Negativkampagne zu betreiben. Anfangsverluste in der Investitionsphase seien normal; Gewinne würden später fließen. Die Anlagergelder seien sicher, weil sie in konkrete Sachwerte wie Windkraftwerke geflossen wären. Das Unternehmen weist jedoch selbst darauf hin, dass im Fall von Notverkäufen für die Sachanlagen nicht der volle Marktpreis erzielt werden könnte.

Wie sollten Anleger jetzt reagieren?

Eine Kündigung der Genussscheine muss nach Einschätzung von Verbraucherschützer Niels Nauhauser nicht automatisch zur Insolvenz von Prokon führen: „Wenn die Windkraftanlagen werthaltig sind, sollten sich Banken finden, die die Projekte finanzieren.“ Bekomme Prokon keinen Bankkredit, sei das „allerdings ein Zeichen für die Anleger“, sagt der Experte der Verbraucherzentrale. Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sagte: „Ich würde davon abraten, vorzeitig zu kündigen, oder sich auf eine Änderung der Zahlungsmodalitäten einzulassen.“ Vieles sei dabei unklar. Das Unternehmen müsse Anleger jetzt umfassend informieren.

Was bedeutet eine Planinsolvenz für die Genussrechte-Inhaber?

Die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen einer Planinsolvenz unterscheiden sich nach dem Gesetz nicht von denjenigen bei einer Regelinsolvenz. Zunächst werden andere Gläubiger befriedigt – etwa Banken, Beschäftigte oder Lieferanten. Erst wenn deren Forderungen ausgeglichen sind und noch Geld übrig ist, können Inhaber von Genussscheinen mit Zahlungen rechnen. „Je früher sich ein Unternehmen mit dem Gedanken einer Insolvenz beschäftigt, desto größer sind allerdings die Chancen, Unternehmenswerte zu retten und das Unternehmen erfolgreich zu sanieren“, sagt der Insolvenzverwalter Christoph Niering.