Dem VW-Chef stinken die Elektroautos – WWF hält 100 Prozent Ökostrom für machbar
Dem Konzernchef geht der geplante Umstieg auf Elektromobilität viel zu schnell. Kürzlich hatten sich die EU-Staaten darauf verständigt, dass Neuwagen 2030 im Schnitt 35 Prozent weniger CO2 ausstoßen sollen als 2020, was im „Flottenverbrauch“ nur durch erheblich mehr E-Autos zu schaffen ist. Nun stänkert der Autoboss gegen die neuen, praxisnahen Abgasmessvorschriften, gegen die von der EU beschlossene CO2-Verminderung und eben auch gegen E-Autos, deren Gewinnmarge er für bedenklich gering hält. Das verblüfft, denn immerhin hat VW von allen deutschen Konzernen die handfestesten Pläne für die Produktion von Stromern. Oder sollte sich auch das als heiße Luft entpuppen? Hofft der Autobauer, dass sich das Thema weiterhin durch Ankündigungen und hübsche Prototypen erledigen lässt?
Die Sachargumente von Diess sind jedenfalls vergiftet: Tatsächlich liegt der Anteil Erneuerbarer Energien an der deutschen Stromversorgung heute schon bei 40 Prozent. Nach einer aktuellen Studie des Umweltverbandes WWF lässt sich der Anteil sogar bis auf 100 Prozent steigern. Eine vollständige Stromversorgung mit erneuerbaren Energien würde laut WWF bis zu 2,5 Prozent der Fläche Deutschlands in Anspruch nehmen. „Wir haben in Deutschland genug Platz für ein sauberes Energiesystem“, sagte Michael Schäfer, Leiter Klimaschutz und Energiepolitik bei WWF Deutschland.
Konflikte zwischen dem Naturschutz und dem Ausbau erneuerbarer Energien ließen sich durch eine bessere Planung und Beteiligung der Bürger lösen, betonte der WWF. Der Bau neuer Windräder landet immer wieder vor Gericht. Kläger sind dabei häufig Naturschutzverbände, die Verstöße gegen den Vogelschutz kritisieren.
Der WWF hat deshalb beispielhaft sechs Landkreise in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz untersuchen lassen, in denen die windenergiesensiblen Vogelarten Mäusebussard, Rotmilan und Kiebitz vorkommen und in denen ein relativ hoher Flächenverbrauch für Windräder erwartet wird. Auch dort ließen sich Gebiete finden, ohne große Konflikte mit dem Naturschutz hervorzurufen, schließt der WWF aus der Studie. Um auch dann über ausreichend Strom zu verfügen, wenn weder Wind weht noch Sonne scheint, sind Stromspeicher wichtig, das betont auch die WWF-Studie. Gerade hier helfen E-Autos. Sie können, statistisch gesehen, immer dann Strom aufnehmen, wenn der im Überfluss vorhanden ist, und andernfalls eine gewisse Zeit aus der Reserve leben.
Konkurrent Mercedes macht dann auch nicht mit beim E-Auto-„Dissen“ (umgangssprachlich für „schlecht machen“, „schmähen“). Anders als VW-Diess ist man in Stuttgart realistischer: „Elektroautos verursachen in der Herstellung heute noch 80 Prozent höhere CO2-Emissionen als ein Verbrenner. Sie sparen aber im Fahrbetrieb mit konventionellem Strommix etwa 65 Prozent CO2 gegenüber diesem ein. Dadurch sind ihre Gesamtemissionen an CO2 über den ganzen Lebenszyklus bei gleicher Laufleistung um mindestens 40 Prozent geringer.“ Betankt man die Elektroflitzer sogar mit Solarstrom vom eigenen Dach, fahren sie in der Umweltbilanz natürlich allen davon – außer den Fahrradfahrern, versteht sich.
Von unserem Redakteur Jochen Magnus (mit dpa)
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