Zwischen Anti-Terror-Kampf und Affären – 60 Jahre BND

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Terror, Krisen, Kriege – die Arbeit des Auslandsgeheimdienstes wird immer wichtiger. Zugleich stehen tief greifende Veränderungen an, die die Organisation aus einer ihrer schwersten Krisen herauskatapultieren sollen. Vor 60 Jahren wurde der Bundesnachrichtendienst (BND) am 1. April 1956 als Nachfolger der „Organisation Gehlen“ gegründet.

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Der frühere Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen war im Zweiten Weltkrieg für die Überwachung der russischen Roten Armee zuständig. Nach Kriegsende stellte er sein Wissen den US-Streitkräften zur Verfügung und wurde nach Gründung des Nachrichtendiensts dessen erster Präsident – und blieb es bis 1968.

Heute, mitten im weltweiten Anti-Terror-Kampf, ist der BND weit entfernt von seiner Höchstform. Drei Jahre nach Aufdeckung der NSA-Affäre berichten Sicherheitskreise aus wichtigen operativen Abteilungen von schlechter Stimmung und Frustration im deutschen Auslandsgeheimdienst. Die Kritik aus den Reihen der Opposition, aber auch aus Regierungskreisen, reißt nicht ab.

Zwar haben Affären und „Affärchen“ in den sechs Jahrzehnten seit seiner Gründung immer wieder das Image des etwa 6500 Mitarbeiter starken BND belastet. Doch so tief greifende Konsequenzen wie die aus der Zusammenarbeit mit dem US-„Datenstaubsauger“ National Security Agency (NSA) dürfte es für die deutschen Spione noch nicht gegeben haben.

Wegen Alleingängen von Abteilungen, mangelhafter interner Kontrolle und schwammiger Rechtsgrundlagen soll der Dienst nach dem Willen von Kanzleramt und Parlament nun an die kurze Leine gelegt werden. Die geplante Reform des BND-Gesetzes nimmt in diesen Wochen immer konkretere Formen an.

BND-Präsident Gerhard Schindler versucht nach vier Jahren im Amt, seiner teils verunsicherten Mannschaft trotz der anstehenden Reformen Selbstbewusstsein einzuimpfen. „Wir in Deutschland scheuen uns ja schon, das Wort Geheimdienst zu gebrauchen“, kritisiert er die Ablehnung, die seinen Leuten in Teilen von Politik und Gesellschaft entgegenschlägt.

Mit dem Druck der NSA-Affäre sei eine längst überfällige Debatte über die Arbeit des BND angestoßen worden, bemüht sich Schindler, den Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden etwas Positives abzugewinnen. „Ich hoffe, dass am Ende der Diskussion über Sinn und Zweck eines Auslandsnachrichtendienstes auch ein entspannteres Verhältnis zum BND herauskommt.“ Mit mehr Transparenz und einem offensiven Reformkurs will Schindler das Image seines Dienstes als moderner, möglichst wenig geheimniskrämerischer Dienstleister für Regierung und Parlament aufpolieren. Dazu gehört der Umzug in eine neue Zentrale direkt am Rand des Regierungsviertels.

Nach Pfusch am Bau wird sich der ursprünglich für 2013 geplante Umzug von Pullach nach Berlin jedoch wohl bis 2017 verzögern. Die Baukosten inklusive Technik explodierten von geplanten 730 Millionen auf etwas mehr als 1 Milliarde Euro. Die Gesamtausgaben inklusive Umzug liegen bei 1,3 Milliarden Euro.

Viele strukturelle Probleme in der Organisation seines Dienstes sieht Schindler selbst. Auch deshalb hat er eine Unternehmensberatung engagiert, die in der umstrittenen Abteilung „Technische Aufklärung“ (TA) nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen soll. Vor allem aus dieser für die BND-Arbeit zentralen TA-Mannschaft wird über Klagen wegen der anhaltenden Affären-Vorwürfe berichtet. Mitarbeiter reagierten frustriert auf die Vorhaltungen wegen der Zusammenarbeit mit der NSA sowie der Abhöraktionen gegen Partnerländer und -organisationen.

Als positives Signal an die Spione sehen die Verantwortlichen unter anderem die Tatsache, dass der BND bis zum Jahr 2020 einen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich bekommt. Damit soll der Dienst nach Schindlers Vorstellungen zumindest technisch auf Augenhöhe mit seinen europäischen Partnern gelangen.

Bis zum Jahr 2020 will Schindler mit der sogenannten Strategischen Initiative Technik (SIT) die Fähigkeiten des BND im Internet ausbauen. Dazu ist ein 300 Millionen Euro schweres Bündel von Maßnahmen geplant, das bei Kritikern wegen Datenschutzbedenken allerdings hoch umstritten ist. Die Gesamtausgaben des Bundes für den Auslandsgeheimdienst waren bereits in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Aus Kapitel 0414 des Bundeshaushalts geht für 2016 hervor, dass der „Zuschuss an den Bundesnachrichtendienst“ in Höhe von knapp 536 Millionen Euro im Jahr 2014 auf fast 724 Millionen Euro im laufenden Jahr gestiegen ist. Das ist ein Plus von rund 35 Prozent. Auch wenn ein größerer Teil davon in den Neubau der Zentrale geflossen sein dürfte – kaum ein anderer Haushaltstitel verzeichnet derartige Wachstumszahlen.