Princeton

Zweifel am moralischen Wert

Wie ein großer Elefantenrüssel nähert sich die Pipette dem Embryo im Frühstadium.

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Immer näher. Dann zieht sie an dem kleinen Zellhaufen, rüttelt und reißt so lange daran herum, bis eine Zelle schließlich aufgibt und mitgerissen wird. Lee Silver scheut es nicht, solche Videos von PID-Untersuchungen zu zeigen. „Menschliche Embryonen haben keinen moralischen Wert für mich“, sagt der Professor an der amerikanischen Princeton University.

Der 58-Jährige hat sich immer wieder mit kontroversen Aussagen zu Wort gemeldet. Ein mögliches Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland bezeichnet er als nicht praktikabel. Deutsche Paare könnten sich ohne Probleme etwa in Großbritannien behandeln lassen, wo deutlich liberalere Gesetze gelten.

Die moralische Argumentation hält er zudem für fragwürdig. Silver verweist darauf, dass ein Kind im Mutterleib untersucht werden darf – und die Schwangere sich dann womöglich für die Abtreibung entscheidet. „Wenn ich die Wahl zwischen einem wenige Zellen großen Embryo und einem bereits menschlich aussehenden Fötus hätte, würde ich mich für den Embryo entscheiden.“

Der US-Wissenschaftler betont zudem: „Hier geht es nur um seltene, schwere Krankheiten, die in den Genen beider Elternteile vorkommen.“ Diesen Eltern könne die Technik helfen, ein gesundes Kind zu bekommen. „Stellen Sie sich vor, was ein Verbot für Eltern bedeutet, die bereits ein krankes Kind haben und sich ein zweites wünschen“, sagt Silver. „Ohne PID überlassen sie eine eventuelle Erkrankung des zweiten Kindes dem Zufall.“ Mit der Methode dagegen könnten Ärzte gezielt einen gesunden Embryo auswählen.

In der Diskussion um Stammzellforschung, das Fachgebiet von Silver, kann die Wissenschaft seiner Ansicht nach keine Antworten liefern. Die große Frage, wann etwas zum Menschen werde, sei wissenschaftlich nicht zu beantworten. Die Natur passe nicht in die Kategorien „Mensch und Nicht-Mensch“ – „die Übergänge sind fließend“.

Deshalb muss aus seiner Sicht die Gesellschaft entscheiden, wo sie die Grenzen zieht. Für Silver gilt es, „zwischen der persönlichen Freiheit des Einzelnen und möglichen negativen Konsequenzen abzuwägen“.

Philipp Seibt