You are fired! Donald Trumps „House of Chaos“

In „The Apprentice“ sprach Donald Trump die drei Worte stets persönlich aus. Mit einem „You are fired“ (Du bist gefeuert) schickte er Teilnehmer seiner Reality-TV-Show eiskalt nach Hause. Als Präsident im Weißen Haus reichte es bei seinem Außenminister Rex Tillerson nach 14 Monaten im Amt nicht einmal für ein Telefonat. Der vorzeitig aus Afrika zurückgekehrte Chefdiplomat erfuhr von seiner Entlassung via Twitter.

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Weil Tillersons persönlicher Referent Steve Goldstein die Öffentlichkeit über die rauen Methoden von Präsident Trump informierte, war er seinen Job kurz darauf auch los. Der Minister bewahrte seinerseits die Form, als er wie ein geprügelter Hund vor die Presse trat. „Ich kehre jetzt ins Privatleben zurück“, sagte Tillerson mit bebender Stimme. Seinem designierten Nachfolger, dem bisherigen CIA-Direktor Mike Pompeo, schrieb er wie seinem ehemaligen Chef zwei Sätze ins Stammbuch. „Die Führungsstärke der USA beginnt mit der Diplomatie.“ Und: „Nichts ist möglich ohne Partner und Verbündete.“

Das entspricht nicht der „Amerika zuerst“-Weltsicht Trumps und auch nicht dem Führungsstil, den er im Weißen Haus kultiviert. Eine Mischung aus Chaos, Unbeherrschtheit und Willkür, wie ehemalige Mitarbeiter des Präsidenten übereinstimmend das Klima beschreiben. „Ich mag Streit“, erklärte Donald Trump nach dem Abgang von Wirtschaftsberater Gary Cohn vor einer Woche den beispiellosen personellen Aderlass seiner Regierung. „Ich möchte zwei Leute mit entgegengesetzten Standpunkten – und treffe dann eine Entscheidung.“

Cohn verstand, dass er die protektionistischen Instinkte des Präsidenten nicht länger eindämmen konnte, als Trump Strafzölle auf Stahl und Aluminium ankündigte und damit nun einen globalen Handelskrieg riskiert.

Der Abgang Cohns, der sich weder von Trump noch von sonst jemandem einschüchtern ließ, verunsicherte die Märkte und ausländische Verbündete gleichermaßen. Galt er doch als die letzte Stimme der wirtschaftspolitischen Vernunft und wichtiger Ansprechpartner im Weißen Haus.

Ein paar Tage vorher verlor Trump mit der 29-jährigen Kommunikationsdirektorin Hope Hicks das emotionale Zentrum im Weißen Haus. Was hinter dem plötzlichen Abgang der längst gedienten Mitarbeiterin stand, bleibt Gegenstand heftiger Spekulationen. Trump hatte sich in einem Tweet über die Aussage seiner „adoptierten Tochter“ bei einer Anhörung vor dem Geheimdienstauschuss des Senats beklagt, die dort zu Protokoll gab, für ihren Chef manchmal Notlügen (wörtlich „white lies“) erfunden zu haben.

Insider vermuten, Hicks stünde darüber hinaus wegen ihrer Rolle in der Russland-Affäre massiv unter Druck von Sonderermittler Robert Mueller. Sie spielte eine Schlüsselrolle bei der Formulierung der Presseerklärung zu dem Treffen von Donald Trump junior 2016 mit russischen Emissären, die dem ältesten Sohn des Präsidenten im Trump-Tower „Schmutz über Hillary“ angeboten hatten.

„Er fühlt sich mehr und mehr wie auf einer Insel“, sagt der Trump-Freund Rob Astorino. Jede Person in einer Spitzenposition, erst recht der Präsident, brauche „sein Team“. Von dem Trumps ist jetzt nicht mehr viel übrig.

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20 Mitglieder aus dem inneren Führungszirkel und fast die Hälfte aller Mitglieder seines ehemaligen „A-Teams“ in der Regierung sind nach dem ersten Amtsjahr verschwunden. Der Präsident verlor schon nach drei Wochen seinen ersten Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn, der wegen der Russland-Affäre nicht mehr zu halten war. Später drängte er seinen ersten Stabschef Reince Priebus aus dem Amt. Trump feuerte auch den FBI-Direktor James Comey und gab Chefstratege Stephen Bannon den Laufpass. Hinzu kommen zwei Direktoren im Nationalen Sicherheitsrat, zwei Vizestabschefs und zahlreiche Mitarbeiter in Schaltstellen.

Einen besonders großen Verschleiß hat Trump in seinem Kommunikationsteam. Pressesprecher Sean Spicer verabschiedete sich ebenso wie die vier Vorgänger von Hicks – darunter der illustre Anthony Scaramucci und Reality-TV-Star Omarosa Manigault. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit musste auch Trumps persönlicher Adlatus, John McEntee, wegen „finanzieller Unregelmäßigkeiten“ Anfang der Woche das Weiße Haus verlassen. Sein Stabssekretär Rob Porter verlor schon vorher wegen Vorwürfen häuslicher Gewalt gegen dessen beide Ex-Frauen seinen Job.

Von dem ursprünglichen Team arbeiten nur noch seine Berater Steven Miller und Kellyanne Conway sowie die beiden für Internet und soziale Medien zuständigen Brad Parscale und Dan Scavino im Weißen Haus.

Zunehmend fraglich ist der weitere Verbleib von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der kürzlich den Zugang zu geheimen Informationen verlor, weil das FBI ihm nach mehr als einem Jahr an Überprüfungen nicht eine reine Weste bescheinigen kann.

Kathryn Dunn Tenpas, die für die Denkfabrik Brookings Institutions das Personenkarussell Trumps im Auge behält, sagt, dieses drehe sich so schnell wie nie zuvor. Der Amtsinhaber habe dreimal so viel Personal verschlissen wie Barack Obama – und 16 Prozent mehr als George W. Bush. „Das sprengt jeden Vergleich.“ Die leeren Flure im Weißen Haus und im angeschlossenen Eisenhower Executive Building seien ein Problem für das Funktionieren der Regierung. „Sie haben Vakanzen, die zu den noch nicht besetzten Stellen hinzukommen.“ Oder anders gesagt: Trump hat Schwierigkeiten qualifizierte Leute zu finden, mit denen er, beziehungsweise die für ihn arbeiten wollen. Traditionelle Republikaner scheiden aus, weil der Präsident ihnen nicht traut oder diese nicht bereit sind, für seine nationalistische „America-First“-Agenda tätig zu werden.

Andere winken wegen des toxischen Klimas im Weißen Haus ab. Eine Situation, die durch die Russland-Affäre nicht besser wird. Die Ermittlungen haben Mitarbeitern Rechtsanwaltskosten verursacht, für die sie noch lange nach dem Ausscheiden aus der Regierung aufkommen müssen. Die Misere zwingt Trump dazu, mehrere Posten in Personalunion zu besetzen. Zum Beispiel John DeStefano, der neben seiner Rolle als Berater gleichzeitig über die Büros für Personalfragen, Politik und öffentliche Beziehungen wacht.

Nimmt man die Situation im verwaisten US-Außenministerium hinzu, wird klar, warum sich viele befreundete Regierungen fragen, wie dieses Weiße Haus auf internationale Krisen reagieren will. Laut der unabhängigen Organisation Partnership for Public Service sind drei Staatssekretärs-, zehn Ministerialdirektoren- und 44 Botschafterposten unbesetzt – darunter die in Deutschland, Saudi-Arabien und in der Türkei.

Mit dem Abgang Rex Tillersons entsteht nun auch an der Spitze des Außenministeriums eine Vakanz, die erst gefüllt werden kann, wenn der Senat seinen designierten Nachfolger Pompeo bestätigt. Die Anhörungen dafür finden nicht vor April statt. Bis dahin führt der politische Direktor Thomas Shannon die Geschäfte am „Foggy Bottom“. Dabei ist auch dieser schon auf dem Absprung. Er reichte kürzlich seinen Ruhestand ein.

Überworfen hat sich Trump auch mit Justizminister Jeff Sessions, einem Wegbegleiter der ersten Stunde. Weil dieser es ablehnte, in der Russland-Affäre tätig zu werden, will der Präsident ihn loswerden. Steht Sessions doch indirekt einem Rauswurf von Sonderermittler Robert Mueller im Weg.

Wenn jetzt auch noch Donald Trumps Sicherheitsberater H.R. McMaster, sein Stabschef John Kelly und der Justiziar Don McGahn gehen sollten, bleiben nur noch die Ja-Sager und Überzeugungstäter, die Trumps national-chauvinistische „America-First“-Weltsicht teilen. Was ein Albtraum für die Verbündeten der USA wäre, entzückte seine Fans. Diese wünschen sich seit Langem, Trump möge endlich Trump sein.