Los Angeles

Wenn der dreidimensionale Oscar Premiere feiert

Wolfgang Puck: Seit 17 Jahren ist der Österreicher der Mann, der auftischt beim Governors Ball,  dem Festmahl der Stars nach der Oscar-Verleihung.
Wolfgang Puck: Seit 17 Jahren ist der Österreicher der Mann, der auftischt beim Governors Ball, dem Festmahl der Stars nach der Oscar-Verleihung. Foto: DPA

Wie ein zufriedener Landgastwirt steht Wolfgang Puck hinter seinen Tellern. Klein, ein wenig gedrungen, das ergrauende Haar stoppelkurz geschnitten. Einer wie er würde nicht weiter auffallen in Hollywood, könnte er nicht so raffiniert kochen. Seit 17 Jahren ist der Österreicher der Mann, der auftischt beim Governors Ball, dem Festmahl der Stars nach der Oscar-Verleihung.

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Los Angeles – Wie ein zufriedener Landgastwirt steht Wolfgang Puck hinter seinen Tellern. Klein, ein wenig gedrungen, das ergrauende Haar stoppelkurz geschnitten. Einer wie er würde nicht weiter auffallen in Hollywood, könnte er nicht so raffiniert kochen.

Puck, der lässig von Leo spricht, wenn er Leonardo DiCaprio meint, er gehört zu Hollywood wie der berühmte Schriftzug am kahlen Berghang.
Puck, der lässig von Leo spricht, wenn er Leonardo DiCaprio meint, er gehört zu Hollywood wie der berühmte Schriftzug am kahlen Berghang.
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Seit 17 Jahren ist der Österreicher der Mann, der auftischt beim Governors Ball, dem Festmahl der Stars nach der Oscar-Verleihung.

Kostprobe vor der Show: Das Star-Dessert aus Schokolade ist wie ein Treppenaufgang geformt, der von einem essbaren 3D-Bildnis der Trophäe auf einer Schoko-Tafel gekrönt wird. Der gebürtige Österreicher Wolfgang Puck richtet seit 18 Jahren das Gourmet-Gelage für die Hollywoodstars nach der Oscar-Gala aus.
Kostprobe vor der Show: Das Star-Dessert aus Schokolade ist wie ein Treppenaufgang geformt, der von einem essbaren 3D-Bildnis der Trophäe auf einer Schoko-Tafel gekrönt wird. Der gebürtige Österreicher Wolfgang Puck richtet seit 18 Jahren das Gourmet-Gelage für die Hollywoodstars nach der Oscar-Gala aus.
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Und weil sich in Tinseltown, der Lamettastadt des Kinos, alles um Reklame und Schlagzeilen dreht, stellt er sich zwei Stunden lang hinter zwölf kleine, eckige Teller, auf denen er Köstlichkeiten wie Hummersalat, chinesisches Lamm an Koriander-Minze-Vinaigrette oder Lachsschnittchen mit Kaviar präsentiert, letztere zu kleinen Oscars zurechtgeschnitten. Um ihn herum an die 200 Reporter, die sich einer nach dem anderen durch dichtes Gewühl an den Meister heranarbeiten. Irgendwann gibt es keine Frage mehr, die Puck nicht schon vorher gehört hätte. Und dennoch antwortet er so fröhlich und geduldig wie die jungen Amerikanerinnen, die bei Warner Brothers Besucher durch menschenleere Kulissenstädte führen. Ein Profi des Medienrummels.

Ob auch Vegetarier satt bei ihm werden, will die „Los Angeles Times“ wissen. „Ja sicher, alles da, Trüffel, Tortellini, Pasta, alles.“ Ob auch lateinamerikanische Kochkunst angemessen berücksichtigt sei, bohrt das mexikanische Fernsehen. „Natürlich, denken Sie nur an die Tacos.“ Und das Dessert mit dreierlei Schokolade im Waffelbecher, zu viele Kalorien für figurbewusste Schauspielerinnen?. „Ach was, die meisten waren zwei Wochen auf Diät, damit sie zur Show in ihre Kleider hineinpassen. Hinterher wollen sie endlich mal richtig essen.“ Puck, der lässig von Leo spricht, wenn er Leonardo DiCaprio meint, er gehört zu Hollywood wie der berühmte Schriftzug am kahlen Berghang.

Irgendwann setzt er sich eine 3-D-Brille auf, damit die Kameraleute auf ihre Kosten kommen. Immer neue Gags müssen her, auch an der Tafel. Zum Nachtisch wird ein dreidimensionaler Oscar gereicht, am Ende einer zuckersüßen Treppe thronend, in all seinen Feinheiten zu erkennen nur mit Hilfe einer Spezialbrille. Das passt zu einem der Favoritenfilme, Martin Scorseses „Hugo Cabret“, mit seinen dreidimensionalen Effekten. „Heuer essen wir zum ersten Mal in 3D“, sagt Puck und strahlt übers ganze Gesicht.

Wer Hollywood mit den Augen eines Neulings sieht, wird überrascht sein, wie klein die Insel des Glamours ist, umgeben von schäbigem Touristennepp. Der rote Teppich, mit grauen Absperrgittern umstellt, misst nur ungefähr hundert Meter. Ein paar Schritte weiter Grauman’s Chinese Theatre, davor die Abdrücke, die die Hände und Füße der Mimen im Zement hinterlassen haben, das war’s auch schon. Meryl Streep neben John Wayne, ganz vorn die Watschelentenspuren von Donald Duck. Für Michael Jackson hat dessen Tochter Paris posthum den legendären Sängerhandschuh in den Beton gedrückt. Schwitzende Möbelpacker schleppen mannshohe, goldbemalte Figuren herbei, unter Plastikplanen, auf denen das Wort „heavy“ („schwer“) steht. Die Oscars.

Warum die Filmritter so heißen, dazu gibt es mindestens drei verschiedene Versionen. Nach der ersten soll die Leinwanddiva Bette Davis an das Hinterteil ihres Gatten gedacht haben, als man ihr 1935 die Statuette überreichte. Der Mann hieß Harmon Oscar Nelson. Nach der zweiten fühlte sich Margaret Herrick, die erste Bibliothekarin der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, bei dem Anblick an einen Onkel namens Oscar Pierce erinnert. Nach der dritten rühmt sich der Kinokolumnist Sidney Skolsky, der Auszeichnung der Akademie erstmals auf bedrucktem Papier Oscar genannt zu haben, exakt am 18. März 1934. Hollywood lebt von solchen Geschichten, sie werden unendlich oft aufgewärmt, genau wie das Ritual, das sich um Price Waterhouse Coopers rankt.

Am Gala-Sonntag fahren zwei Rechnungsprüfer der Firma auf getrennten Routen aus der staubigen Downtown von Los Angeles hinauf zum Kodak Theatre, identisch aussehende Aktentaschen an die Handgelenke gekettet. Sie tragen die Kuverts mit den Namen der Sieger. Zuvor haben sie die Gewinnerliste aus einem geheimen Schließfach gezogen und an geheimem Ort die übrigen Kärtchen, die mit den Namen der Nächstplatzierten, in den Schredder gesteckt. Dass es jemals zu Fehlern kam, ist nicht bekannt.

Schließlich ist es die alljährliche Aufregung um allseits geschätzte Provokateure, von der das Spektakel lebt. Diesmal glänzt Sacha Baron Cohen, der britische Komödiant, der schon deshalb dabei sein darf, weil er in „Hugo Cabret“ mitwirkte. Nur möchte Cohen zu Werbezwecken in der Uniform eines nahöstlichen Fantasiediktators in den Zuschauerreihen sitzen, mit Sonnenbrille, schwarzem Vollbart und opulenter Ordensbrust. Sein nächster Streifen, „The Dictator“, soll davon profitieren, was die Hollywood-Akademie denn doch zu exzentrisch findet. Frühestens zwei Stunden vor Galabeginn, tippen Insider, wird der Poker einen Sieger finden.

„Du musst entweder genial sein oder völlig verrückt, sonst kannst du es hier nicht schaffen“, sagt Pablo Crawford. Wer nicht heraussticht, bleibt chancenlos, hat der Rapper gelernt. Entweder ist man brillant wie George Clooney oder stellt sich blöd wie die Popsängerin Jessica Simpson, die nicht wusste, die Thunfisch für eine Hähnchenart hielt und dadurch von sich reden machte – so sieht es Crawford. 2003 kam er aus Jamaika, um sein Glück in Tinseltown zu versuchen. Statt über den roten Teppich zu schreiten, mixt er in lärmenden Nachtbars Getränke und spricht ziemlich entnervt von „Fake City“, der falschen Stadt, der Stadt des Scheins, der Illusionen. Vor ein paar Monaten hat er seine Ersparnisse zusammengekratzt, um eine CD zu produzieren. Damit steht er mittags am Hollywood Boulevard, neben verkleideten Monstern und Hexen und Cheerleader-Bunnys mit silikonverstärktem Busen, und hofft auf seinen Entdecker. Eines Tages, macht Crawford sich Mut, wird einer wie Clooney vorbeikommen, seine Musik hören wollen und ihn weiterempfehlen.

Von Frank Herrmann