Berlin

Wagner: Kein Verfahren in den Hinterzimmern

Natürlich befürwortet Bernd Wagner ein Verbot der NPD. Aber der Geschäftsführer und Initiator von Exit Deutschland kennt sich viel zu gut aus in der rechtsextremen Szene, um dieser juristischen Auseinandersetzung allzu viel Bedeutung beizumessen.

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Berlin – Natürlich befürwortet Bernd Wagner ein Verbot der NPD. Aber der Geschäftsführer und Initiator von Exit Deutschland kennt sich viel zu gut aus in der rechtsextremen Szene, um dieser juristischen Auseinandersetzung allzu viel Bedeutung beizumessen. Seit etwa 20 Jahren hilft Wagner Menschen, die aus der Szene aussteigen wollen. Und er hat Veränderungen ausgemacht. „Die Parteistrukturen sind derzeit eher in der Krise. Aber die freien Nationalisten haben neuen Elan.“

Parteiverbot nur ein Baustein

Eben deshalb kann aus seiner Sicht ein mögliches Parteiverbot nur ein kleiner Baustein in der Auseinandersetzung der Demokratie mit den Rechtextremen sein. „Das Verbotsverfahren muss aber durch einen gesellschaftlichen Diskussionsprozess getragen werden. Es darf nicht sein, dass Verfassungsorgane das Ganze hinter verschlossenen Türen betreiben.“

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus zu einem gesellschaftlichen Thema machen – dieser Aufgabe verschreibt sich Exit Deutschland seit dem Jahr 2000. Etwa 40 bis 50 Personen suchen pro Jahr den Kontakt zur Organisation, um der Szene zu entfliehen. Mittlerweile sind es meist E-Mails von Hilfesuchenden, die Wagner erreichen. Dann beginnt eine langwierige Arbeit. „Wir müssen für den Aussteiger ein komplett neues Lebensprogramm entwerfen“, erläutert Wagner – mit zahlreichen Baustellen. Ganz praktisch geht es darum, einen Arbeitsplatz für den Betroffenen zu finden, vielleicht auch einen neuen Wohnort, um den Aussteiger vor Repressionen aus der Szene zu schützen. Und natürlich ist es auch das Ziel, gemeinsam zu erarbeiten, wie es zum Abrutschen in den Rechtsextremismus kommen konnte. „Wir sind in diesem Fall eine Art Reflektor“, sagt Wagner. Beeindruckendes Beispiel: Der „stern“ zitierte im Vorjahr einen Aussteiger mit den Worten: „Früher dachte ich, ich sei ein Held. Heute muss ich sagen: Ich war ein Arschloch.“

Exit Deutschland leistet aber noch viel mehr. Für die Organisation berichten ehemalige Rechtsradikale etwa an Schulen aus der Szene. Diese Innenansicht ist besonders wertvoll, weil sie den Zuhörern genau vor Augen führt, wie das Abdriften funktioniert. Die Organisation hilft auch Familien, die Sorge haben, dass ein Sohn, eine Tochter oder ein Enkel sich immer weiter in die Szene verstrickt.

Mühsame Arbeit

Sechs Leute sind derzeit für Exit Deutschland aktiv. Ihre Arbeit ist mühsam – und sie kämpfen an vielen Fronten. „Die Unterstützung von staatlichen Behörden für unser Aussteigerprogramm ist eher mau“, sagt Wagner. „Wir sind eigentlich eine Bürgerinitiative, das passt nicht ins System.“

So kämpft die Initiative denn auch immer wieder um ausreichende finanzielle Mittel. „Hinter der staatlichen Unterstützung steht ein Fragezeichen“, sagt Wagner. Zwar würde sie im Koalitionsvertrag erwähnt, aber laut dem Geschäftsführer gibt es hier nichts Konkretes. „Und das ist ein Problem.“

Holger Schleper

Mehr zur Arbeit der Organisation finden Sie im Internet unter exit-deutschland.de