Urlaub in Zeiten des Terrors: Wann kommen die Reisenden zurück?

Das ist keine Erholung: Nach den Terroranschlägen im tunesischen Sousse sicherten schwer bewaffnete Sicherheitskräfte die Strände und die Urlauber. In diesem Jahr weichen die Deutschen überwiegend nach Spanien aus. 
Das ist keine Erholung: Nach den Terroranschlägen im tunesischen Sousse sicherten schwer bewaffnete Sicherheitskräfte die Strände und die Urlauber. In diesem Jahr weichen die Deutschen überwiegend nach Spanien aus.  Foto: dpa

Auf einmal ist der Terror ganz nah und betrifft die konkrete Urlaubsplanung: Wer in diesem Jahr eine Aida-Kreuzfahrt im östlichen Mittelmeer gebucht hatte, erhielt ein Schreiben. Leider könne die gebuchte Kreuzfahrt nicht stattfinden – aus Sicherheitsgründen würden die Schiffe abgezogen. Die „Aida Stella“ sollte im Sommer Istanbul und Antalya anlaufen – Woche für Woche. Stattdessen kreuzt sie nun im westlichen Mittelmeer.

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Michael Defrancesco leitet das Ressort „Journal, Leben und Reise“. Er hat sich in der Reisebranche umgehört und schreibt über die 
aktuelle Urlaubslage.

Selbst angstfreie Passagiere hatten keine andere Wahl, als sich eine neue Reise auszusuchen: Sicherheit geht vor, wurde mitgeteilt. Was waren das für Zeiten, als nur zwei Fragen bei der Urlaubsplanung geklärt werden mussten: 1) Scheint die Sonne? 2) Ist der Urlaub auch schön günstig? Jetzt spielen diese beiden Fragen eine untergeordnete Rolle, so scheint es. Die Frage nach der Sicherheit wird immer wichtiger.

Doch: Was ist Sicherheit? Sibylle Zeuch, Sprecherin des Deutschen Reiseverbands, spricht von einem individuellen Sicherheitsgefühl. Ihre Erfahrung zeigt: Wer sich in einem Land gut auskennt, der lässt sich von einzelnen Ereignissen nicht grundsätzlich verunsichern und vom Reisen abhalten. Beispiel Türkei: Die Anschlagsorte Istanbul und Ankara beziehungsweise die Konfliktregion an der türkisch-syrischen Grenze sind weit entfernt von den touristischen Regionen an Riviera und Ägäis. Dazwischen liegen zum Teil bis zu 1000 Kilometer.

„Und wer schon einmal in Athen war, der weiß, dass die Demonstrationen sich meist nur auf einen kleinen Teil im Zentrum der Stadt beschränken. Auf der Akropolis zum Beispiel merkt man davon nichts.“ Sibylle Zeuch erinnert sich an Anfragen aus dem Ausland, als in Deutschland das Elbe-Hochwasser war. „Damals riefen Menschen aus Brasilien an und fragten, ob sie noch in Deutschland Urlaub machen könnten, schließlich stünde ja das ganze Land unter Wasser.“

Die Kreuzfahrer hatten dieses Sicherheitsgefühl nicht mehr. „Uns erreichten nach den jüngsten Ereignissen in der Türkei zahlreiche Anfragen von Gästen, die den Wunsch äußerten, ihre Reise auf eine andere Urlaubsregion umzubuchen“, sagt Kathrin Heitmann, Sprecherin von Aida Cruises. Also wurde entschieden, alle Reisen im östlichen Mittelmeer abzusagen. „Unser Ziel ist es, dass alle unsere Gäste ihren Urlaub mit Aida stets unbeschwert genießen können.“

Michael Defrancesco.
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Angst vor Terror kommt da sehr ungelegen. „In erster Linie sind unsere Gäste im Fahrtgebiet Mittelmeer geblieben“, sagt Kathrin Heitmann – sprich: im westlichen Mittelmeer. „Türkei-Anläufe haben wir erst wieder ab April 2017 im Programm vorgesehen. Eine Änderung der Route ist im Übrigen jederzeit möglich, sollte es die Situation vor Ort erforderlich machen. Wir beobachten daher die Entwicklungen ganz genau“, sagt die Aida-Sprecherin.

40 Prozent weniger Buchungen für die Türkei verzeichnet die TUI, 35 Prozent mehr auf den Kanaren – man rechnet mit einem Rekordjahr. Auch auf den Balearen wird es richtig voll in diesem Sommer, wer kurzfristig buchen will, dürfte keinen Platz mehr bekommen. Manuel Butler, Deutschlandchef des Spanischen Fremdenverkehrsamts, geht aber nicht davon aus, dass auch das spanische Festland „ausverkauft“ melden wird. „Die Regionen sind vorbereitet auf den Ansturm der deutschen Urlauber“, sagt er unserer Zeitung. „Wir kennen diese Situation.“ Sprich: Immer, wenn es in einer Touristenhochburg wie Tunesien oder Ägypten einen Anschlag gibt, weichen die Deutschen ins ohnehin beliebte Spanien aus.

Auch wenn Spanien – natürlich – die Preise in dieser Situation angezogen hat, so sollte man doch nicht übertreiben, sagt Manuel Butler. „Unsere Hoteliers sollten wissen, dass sie langfristig denken müssen.“ Die Urlauber sollen ja nicht nur in diesem besonderen Jahr nach Spanien kommen und das Land als Ausweichziel sehen – die Spanier träumen von einem dauerhaften Zuwachs im Tourismus. „Wir werden uns in diesem Jahr bestmöglich präsentieren.“

Aber was wäre, wenn es in einer spanischen Touristenhochburg einen Anschlag gäbe? „Wir haben durch die ETA leider Erfahrung mit Terroristen“, sagt Butler, „unsere Sicherheitskräfte wissen also sehr genau, wie sie mit dieser Bedrohung umgehen müssen.“ Dennoch: Absolute Sicherheit wird es niemals und nirgends geben, das wissen auch die Spanier. Wann wird sich wieder alles normalisieren? „Wir wissen auch aus Erfahrungen der Vergangenheit – und hier ist Ägypten das beste Beispiel -, dass die Nachfrage wieder anzieht, wenn die Lage im jeweiligen Land stabil bleibt“, sagt Anja Braun, Sprecherin der TUI.

Ob dies aber 2017 schon sein wird, da sind die Experten unsicher. „Vor allem für Tunesien wird es aus unserer Sicht dauern, bis sich eine touristische Erholung einstellt. Im nächsten Jahr ist eine Rückkehr auf das Niveau vor den Anschlägen eher unwahrscheinlich“, sagt Anja Braun. „Was die Türkei betrifft, sind wir trotz der schwierigen Situation optimistisch, dass die Urlauber schneller an die türkischen Strände zurückkehren. Die hohe Qualität der türkischen Hotels, die attraktiven Preise und die Tatsache, dass andere Urlaubsländer in der Hochsaison ausgebucht sein werden, sorgen sicher dafür, dass sich die Buchungszahlen noch spürbar erholen.“