Langscheid

Tschernobyl-Hilfe: Wo die Kleinen wieder lachen konnten

Mehr als einmal hat Karla Aurich todkranken Menschen gegenübergestanden. 1990 lernt sie erstmals Opfer der Tschernobyl-Katastrophe kennen, kehrt schockiert in die Eifel zurück und startet sofort Hilfsprojekte.
Mehr als einmal hat Karla Aurich todkranken Menschen gegenübergestanden. 1990 lernt sie erstmals Opfer der Tschernobyl-Katastrophe kennen, kehrt schockiert in die Eifel zurück und startet sofort Hilfsprojekte. Foto: Gabi Novak-Oster

Sie spricht gern über ihre Tschernobyl-Hilfe. Aber, das betont Karla Aurich immer wieder, es geht nicht um sie, sondern um die kranken Kinder. Für die engagiert sie sich seit 26 Jahren. „Und ich danke allen, die mich dabei unterstützt haben, Gasteltern und Spendern.“ Dazu gehört auch unsere Leseraktion HELFT UNS LEBEN. Mehr als 800 Kinder konnten allein auf Initiative der heute 78-Jährigen aus Langscheid bei Mayen Ferien im nördlichen Rheinland-Pfalz machen.

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Von Gabi Novak-Oster

Wegen der Atomenergie hatte Karla Aurich schon immer ein mulmiges Gefühl. Als sie von der Katastrophe in Tschernobyl hört, weiß sie: „Siehste, du hast recht gehabt.“ Und spontan folgt die Frage: „Was mag da jetzt los sein?“ Eine Radiosendung animiert die Frau aus der Eifel, 1990 nach Weißrussland zu reisen und sich von der Situation zu überzeugen. Schockiert kommt sie zurück. „Ich habe nur geheult.“ Es ist kurz vor Weihnachten, das Fest der Lichter. „Und da liegen die Kinder und müssen vielleicht sterben.“

Bei einem weiteren Besuch in Belarus lernt Karla Aurich zufällig Ewgenij Ukrainzew kennen, den Vorsitzenden der Initiative „Kinder in Not“. Zu ihm findet sie schnell Vertrauen, und das hat bis heute Bestand. Gemeinsam bauen sie für die krebskranken Kinder ein Sanatorium. Keine einfache Sache in einem Land, das die Deutsche nicht kennt. Als alles fertig ist, empfindet Karla Aurich eine ungeheure Erleichterung. Es folgen Transporte mit Kleidung und Lebensmitteln. „Heute können wir im Land selbst einkaufen, das ist besser.“

Spezialeinheiten messen auf einem Feld innerhalb der Sicherheitszone von Tschernobyl die Radioaktivität (im Mai 1986).

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Blick auf den Betonmantel um das geborstene Kernkraftwerk Tschenobyl.

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Eine schwere Explosion hatte am 26. April 1986 den Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks Tscherobyl in der Ukraine zerstört. 32 Menschen starben sofort, tausende an den Spätfolgen nuklearer Verstrahlung. 120.000 Menschen mussten umgesiedelt werden. Wolken und Winde trugen die freigesetzte Radioaktivität auch nach Westeuropa.

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Von einem Hubschrauber aus wurde im Januar 1991 diese Übersicht des Atomkraftwerks Tschernobyl aufgenommen. Eine schwere Explosion zerstörte am 26. April 1986 den Reaktorblock II des Kernkraftwerks.

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Eine Angehörige eines Tschernobyl-Opfers steht zwischen Gedenksteinen in Kiew am 26. April 1999 während einer Gedenkveranstaltung. Am 26. April 1986 kam es im Kernkraftwerk Tschernobyl zum Super-GAU.

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Rostende Auto-Scooter auf dem Festplatz der gesperrten ukrainischen Stadt Pripjat im Sperrgebiet nahe dem Unglücksreaktor von Tschernobyl. Das Volksfest zum 1. Mai 1986 fiel aus. Am 26. April 1986 kam es im Kernkraftwerk Tschernobyl zum Super-GAU.

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Blick auf den Eingang zum einstigen Hotel der gesperrten ukrainischen Stadt Pripjat im Sperrgebiet nahe dem Unglücksreaktor von Tschernobyl am 7. April 2011.

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Das geisterhaft leere Stadtzentrum von Pripjat im April 2011.

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Der Kulturpalast im Stadtzentrum von Pripjat im April 2011.

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Hilfe beim Aufbau eines Kindergartens, Einrichtung einer Mutter-Kind-Station, die Beschaffung von Medikamenten. Und dann die Idee von Ferienaufenthalten für verstrahlte Kinder. Karla Aurich schreibt Freunde und Bekannte an, sammelt Spenden und Kleidung, findet Gasteltern. Ihr ist zu verdanken, dass sich in Rheinland-Pfalz bald mehr als 60 Initiativen bilden. Seit 1991 erleben im Land weit mehr als 25 000 Kinder sorgenfreie Wochen. Das Gerede vom Kulturschock teilt sie nicht. „Die Kinder fahren fröhlich nach Hause.“ Nur das zählt. Mutter Swetlana bedankt sich in einem Brief: Sie erkannte ihren Sohn nicht wieder – er lachte! Und nicht nur er.

Seit mittlerweile drei Jahren organisiert Karla Aurich keine Ferienaufenthalte mehr, sie konzentriert sich auf andere Hilfsmaßnahmen. Manchmal fällt es ihr schwer, das Geschehene in Worte zu fassen, zufrieden über ihre Initiative „Sonne für Kinder von Tschernobyl“ zu sprechen. Sie fürchtet, großkotzig zu wirken, wenn sie sagt: „Boah, alles ist geschafft.“ Wenn sie immer wieder Emotionen zulässt: „Ich bin einfach nur glücklich.“ Wäre da nicht das Wissen: Hilfe für die kranken Kinder ist weiterhin notwendig, vor allem Medikamente fehlen. Allein 2015 erkrankten in Weißrussland 360 Kinder unter 18 Jahren neu an Krebs. Tschernobyl und seine langen Schatten. Gabi Novak-Oster

Kontakt: Karla Aurich, Vor der Nück 3, 56729 Langscheid; E-Mail: karlaaurich@sonne-fuer-kinder-von-tschernobyl.de