Moskau

Tschernobyl strahlt noch für Jahrzehnte

Mit einer feierlichen Zeremonie haben die Präsidenten Russlands und der Ukraine, Dmitri Medwedew und Viktor Janukowitsch, der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren gedacht.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Moskau. Mit einer feierlichen Zeremonie haben die Präsidenten Russlands und der Ukraine, Dmitri Medwedew und Viktor Janukowitsch, der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren gedacht.

Die beiden Staatsoberhäupter trafen sich in dem Ort Tschernobyl, der seit dem Unglück in der radioaktiv verseuchten Sperrzone liegt. Hier legten sie den Grundstein für ein Monument, das an die „Liquidatoren“ erinnern soll – jene etwa 350 000 Helfer, die damals gegen die Folgen der Reaktorkatastrophe kämpften. Manche starben kurz darauf an der Strahlenkrankheit, viele leiden heute an schweren gesundheitlichen Problemen.

Das Leid der Liquidatoren

Bislang gab es für die Liquidatoren kein offizielles Denkmal. An ihre Opfer erinnerte lediglich eine von Hobbykünstlern geschaffene Skulptur in der Sperrzone. „Die leuchtende Erinnerung an die Liquidatoren, die mit ihrer Arbeit die Folgen der Tschernobyl-Katastrophe überwanden, wird über Generationen weiterleben“, sagte Janukowitsch. Und Medwedew betonte, eine der Lehren aus Tschernobyl sei, dass „der Staat den Menschen immer die Wahrheit sagen muss“. Die Führung der Sowjetunion hatte damals tagelang versucht, die Katastrophe nach innen und außen zu vertuschen. Die Bewohner von Pripjat, vier Kilometer vom AKW gelegen, waren erst am Nachmittag des 27. April evakuiert worden. Sie waren hohen Strahlendosen ausgesetzt.

Ursprünglich sollte an dem Treffen in Tschernobyl auch der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko teilnehmen. Die Fallout-Zone von Tschernobyl lag hauptsächlich auf weißrussischem Gebiet, 23 Prozent der Fläche des Landes sind bis heute radioaktiv belastet. Doch der autoritäre Herrscher blieb den Feierlichkeiten fern – eine Retourkutsche für den Affront der ukrainischen Gastgeber bei der Tschernobyl-Geberkonferenz in Kiew. Die hatten den Auftritt des von der EU geächteten Lukaschenko dort so organisiert, dass er nicht mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zusammentreffen würde. Barroso hatte gedroht, nicht nach Kiew zu kommen, wenn er Lukaschenko dort treffen müsste.

Sarkophag wird zusammenbrechen

Bei der Geberkonferenz hatte sich die internationale Staatengemeinschaft geeinigt, 550 Millionen Euro für den Bau einer neuen Hülle um den Katastrophenreaktor bereitzustellen. Nach den Vorstellungen der Ukraine sollten 740 Millionen Euro zusammenkommen. Die Hülle, das sogenannte Confinement, soll über den Sarkophag gezogen werden, den Freiwillige nach der Katastrophe errichteten. Der Sarkophag ist brüchig und wird nach Einschätzung von Experten in den kommenden 15 Jahren zusammenfallen. Die finanzschwache Ukraine kann das Geld für den Bau der Schutzhülle nicht aufbringen. Russland, hält sich bei der Finanzierung zurück: 45 Millionen Euro ist Moskau das Projekt wert. Deutschland zahlt 42,4 Millionen.

Unter Wissenschaftlern ist der Sinn der teuren neuen Schutzhülle ohnehin umstritten. „Das verlegt die Last nur auf kommende Generationen“, sagt der Direktor des Instituts für Geochemie der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften, Emlen Sobotowitsch. „In 100 Jahren müssen unsere Urenkel ein neues Confinement bauen, und so weiter bis in die Unendlichkeit.“ Sinnvoller wäre, die verstrahlte Reaktorruine abzutragen und die Reste zu vergraben. Die Technologie dafür ist aber noch nicht erfunden.

Von unserer Moskauer Korrespondentin Doris Heimann