Dresden

Tag der Deutschen Einheit: Dresden geht uneinig in die Einheitsfeier

„Wir sollten feiern“, sagt Dirk Hilbert. „Wenn wir nicht feiern, dann bekommen die Hetzer und Angstmacher noch mehr Aufwind und Zuspruch.“ Für Dresdens Oberbürgermeister ist die zentrale Feier zum Tag der Deutschen Einheit auch eine Chance, ein anderes Bild seiner Stadt als nur das der Pegida-Hochburg in die Welt zu tragen – auch und gerade nach den Sprengstoffanschlägen und dem Fund einer Bombenattrappe, die vor dem Fest wieder Negativschlagzeilen brachten.

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„Dresden besteht nicht nur aus Pegida, auch wenn bei vielen Bürgern der Bundesrepublik vielleicht gerade ein solches Bild entsteht“, sagt der FDP-Politiker. „Die Chance der Einheitsfeier besteht darin, dass sich Menschen aus dem ganzen Land begegnen und vielleicht dabei auch ihr Bild von unserer Stadt korrigieren.“ Die Hoteliers sind vom Ruf Dresdens ebenfalls genervt. In Medien heiße es immer „Heidenau bei Dresden, Freital bei Dresden und Bautzen bei Dresden“, sagt der Sprecher der Dresdner Hotel Allianz, Thomas Gaier, mit Hinweis auf Orte rechtsextremer Übergriffe. „Wir werden in die rechte Ecke gerückt. Deshalb kommen die Gäste nicht mehr.“ Bettensteuer und ein unterfinanziertes Stadtmarketing hätten ein Übriges zu den seit Monaten rückläufigen Übernachtungszahlen beigetragen.

Die Einheitsfeier – durch die Gunst des Kalenders mit dem Feiertag am Montag diesmal drei Tage lang – hatte für nahezu vollbelegte Hotels gesorgt. Und nun die Anschläge auf eine Moschee und das Kongresszentrum: „Es gibt Stornierungen“, sagt Gaier. Rund ein Viertel der befragten Mitglieder hat ihm zufolge welche gemeldet. Offenbar sorgen sich die Menschen um ihre Sicherheit in der Stadt, sagt er.

Dresden leidet aber nicht nur unter einem Imageproblem. Die ausländerfeindliche und rechtsextreme Gewalt nimmt zu – in Sachsen insgesamt, aber auch in Dresden. Das fremden- und islamfeindliche Bündnis „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ wurde hier nicht nur gegründet, es feiert in zwei Wochen auch bereits sein zweijähriges Bestehen. Woche für Woche bringt Pegida in Dresden noch immer 2000 bis 3000 Menschen auf die Straße.

Auf den Plätzen vor der Frauenkirche, dem Schloss oder der Semperoper wird montags gegen Muslime oder die „Volksverräter“ in Amt und Mandat gewettert. Die weltberühmten Sehenswürdigkeiten, die zu den 4,3 Millionen Hotelübernachtungen im vergangenen Jahr mit beigetragen haben, werden so zur Kulisse für Hass und Hetze.

Nicht nur ausländische Studenten an der Technischen Universität berichten immer wieder, dass sie an Montagabenden die Innenstadt meiden. Auch für die Wirtschaft wird die feindliche Stimmung zum Problem. „Man hört immer wieder, dass Unternehmer klagen, ausländische Bewerber sprängen immer wieder ab, weil sie Angst hätten“, sagt Joachim Ragnitz von der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts. Im Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit hatte die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), jüngst den zunehmenden Fremdenhass als negativen Standortfaktor für Ostdeutschland und eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden bezeichnet.

Dabei hat die Halb-Millionen-Stadt Dresden viel zu bieten: Neben Hochkultur, barocker Kulisse und exzellenter Universität auch viel reizvolles Umland mit hohem Freizeitwert. Weil der Osten mit seinem niedrigeren Lohnniveau bei den harten Faktoren im Kampf um Arbeitskräfte nicht recht gegen westliche Konkurrenz punkten kann, seien diese „soft facts“ umso wichtiger, meint Andreas von Bismarck von „Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen“. Der Verein wendet sich deshalb gegen den Fremdenhass und seine Folgen für die Unternehmen.

Mit Blick auf das große Einheitsfest in seiner Stadt sagt Oberbürgermeister Hilbert nun: „Ich kann nicht vorhersehen, wie die Stimmung sein wird. Klar ist, dass unser ganzes Land – nicht nur Dresden – in einer ganz anderen Situation ist als noch vor einem oder zwei Jahren. Wir müssen wieder lernen, stolz auf unsere Demokratie zu sein, und wir müssen die Demokratie auch leben und verteidigen.“ Die Feier „kann da nur ein Baustein sein“.

Von Martin Fischer