Rheinland-Pfalz/Berlin

Superwahljahr nicht für alle super

Mit Klausuren haben sich die Parteien für das Superwahljahr gewappnet. Wie verändern die Wahlen in sieben Ländern die Nation? Stellen die vom Zeitgeist beflügelten Grünen erste Regierungschefs? Kann Schwarz-Gelb im Bundesrat bald kein wichtiges Projekt mehr durchsetzen?

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Rheinland-Pfalz/Berlin. Mit Klausuren haben sich die Parteien für das Superwahljahr gewappnet. Wie verändern die Wahlen in sieben Ländern die Nation? Stellen die vom Zeitgeist beflügelten Grünen erste Regierungschefs? Kann Schwarz-Gelb im Bundesrat bald kein wichtiges Projekt mehr durchsetzen?

Die sieben Wahlen in den Ländern könnten nicht nur für den angeschlagenen FDP-Chef Guido Westerwelle höchst verflixt werden. Verliert die CDU im Ländle ihre Macht, dürfte auch in der Union eine heftige Debatte über den richtigen Kurs beginnen. Bei den Linken rumort es, weil Gesine Lötzsch mit alten Kommunismus-Gespenstern den Start ins Superwahljahr verhagelt hat. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel könnte wieder vor der Stunde null stehen, wenn es nach der Hamburg-Wahl am 20. Februar für die SPD in andern Ländern nicht so rosig aussieht. 27 von 69 Stimmen sind im Bundesrat bei den Wahlen zu verteilen. Schwarz-Gelb hat dort ohnehin keine Mehrheit mehr. In jedem Fall scheint Rot-Grün wieder aufzuleben. Wir sprachen über die spannende Ausgangslage mit dem Politikwissenschaftler Ulrich Sarcinelli.

Die schwarz-grüne Pleite in Hamburg hat die Union schwer geschockt, die SPD jubeln lassen. Ist die Hansestadt ein Sonderfall für die erste von sieben Wahlen?

Es war schon eine Besonderheit, dass ein CDU-Politiker wie Ole von Beust in einer SPD-Hochburg die Wahlen gewinnen, sich vom Rechtspopulisten Ronald Schill befreien und mit den Grünen das demokratische Experiment wagen konnte. Jetzt aber fehlt der CDU ein hanseatischer Sympathieträger. Christoph Ahlhaus ist als Bulldozer-Typ und Zugereister in der Hansestadt so schwer vermittelbar, dass Olaf Scholz trotz seines Büroklammer-Images deutlich bessere Chancen hat, zumal die SPD geschlossen auftritt. Und es gilt wieder: Über den Wahlerfolg entscheiden die besseren Optionen für eine Koalition.

Die FDP ist nicht in der Bürgerschaft. Zieht sie auch nicht wieder ein, kippt dann FDP-Chef Westerwelle noch früher?

Das Hamburger Signal ist nicht so entscheidend wie das aus Rheinland-Pfalz und vor allem das aus dem Stammland Baden-Württemberg. Scheitert die FDP in Rheinland-Pfalz und zieht sie nur mit knappem Ergebnis in den Stuttgarter Landtag wieder ein, sind Westerwelles Tage als FDP-Bundesvorsitzender gezählt.

Sachsen-Anhalt folgt am 20. März. Wird die Linke den Triumph feiern können, ihren ersten Regierungschef zu stellen?

Das kann sie nach der Kommunismusdebatte von Gesine Lötzsch wohl vergessen. In der ehemaligen PDS-Hochburg kommt der Impuls bei der linken Kerntruppe vielleicht ja noch an. Aber für die Wechselwähler ist Lötzsch jetzt ebenso ein rotes Tuch wie der Porsche-Fahrer Klaus Ernst für die pragmatischen Linken im Osten.

Für Angela Merkel und Guido Westerwelle wird vor allem Baden-Württemberg zur Schicksalswahl. In welche Bedrängnis käme Merkel bei einer CDU-Niederlage?

Das Land war immer eine sichere Bank für die Union. Das hat sich mit Stuttgart 21 geändert. Verliert die CDU die Regierungsmehrheit, entbrennt in der CDU die Debatte um die Machtperspektive im Bund. Dann wird die CDU-Vorsitzende gefragt, ob man sich auf Dauer nur auf die FDP festlegen kann und ob Bündnisse mit den Grünen tatsächlich „Hirngespinste“ sind. Würden es die Grünen schaffen, in Baden-Württemberg mit einem Juniorpartner SPD eine Regierung zu bilden, gäbe es auch in der SPD eine erhebliche Debatte. Existenz bedrohend aber wäre es für die FDP, wenn sie nur knapp über fünf Prozent kommt, aber vor allem die Grünen auf dem Feld der früheren Anhänger von CDU, SPD und FDP grasen. Der Bundesvorsitzende könnte sich nicht mehr halten. Für die Grünen wäre es von enormer Signalwirkung, wenn sie den ersten Ministerpräsidenten stellen könnten.

Lange galt Schwarz-Grün als ein Modell fürs Ländle. Daran ist wegen des Bahnhofsprojekts aber vorerst wohl nicht mehr zu denken – oder?

Die politisch-kulturelle Entfremdung ist seit der Debatte um Stuttgart 21 einfach zu groß geworden. Ein Duo Mappus/Kretschmann ist nur schwer vorstellbar. Daran hat die Schlichtung von Heiner Geißler nichts geändert.

Sehen Sie für Ministerpräsident Mappus noch eine Chance?

Derzeit sieht es nicht so aus, als ob es noch einmal für Schwarz-Gelb reichen könnte. Auch eine CDU/SPD-Koalition erscheint wenig wahrscheinlich.

Welche bundespolitische Rolle spielt Rheinland-Pfalz?

Diese Wahl hat nicht die Symbolwirkung wie die von Baden-Württemberg. Aber auch hier gilt: Die Koalitionsfrage wird die eigentlich spannende Frage nach der Wahl.

Was bedeutet es für SPD-Chef Sigmar Gabriel, wenn die SPD sich nur in Hamburg als großer Gewinner feiern kann?

Die SPD ist ohnehin, wie die aktuelle Fortschrittsdebatte zeigt, in einer sehr irritierenden Phase. Sie hat Defizite in der programmatischen Grundausrichtung, und ihr Bundesvorsitzender reagiert eruptiv. Aber es gibt auch die Schamfrist, nicht alle eineinhalb Jahre den Vorsitzenden auszuwechseln. Je nach Stärke der Verluste könnte die Personaldiskussion wieder losgehen und sich die Machtfrage stellen.

Überlebt das Spitzenduo Lötzsch/Ernst der Linkspartei?

Kurzfristig ja, mittelfristig habe ich große Zweifel. Beide Vorsitzenden erweisen sich als Hindernisse für ihre Partei.

Das Regieren wird für Schwarz-Gelb schwieriger. Schwinden 2011 noch mehr Stimmen im Bundesrat?

Das sieht so aus. In Hamburg ist mit einem Regierungswechsel zu rechnen, möglicherweise auch in Baden-Württemberg. In Mecklenburg-Vorpommern könnte Rot-Rot die rot-schwarze Koalition ablösen.

Von unserer Redakteurin Ursula Samary