Sondierung: Union und Grüne tasten sich ganz vorsichtig ab

Berlin. Die Grünen-Parteichefs warten am Rand, während die Generalsekretäre der Union, Hermann Gröhe (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU), ihre Einschätzung von den Sondierungsgesprächen abgeben.

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Von unseren Korrespondenten Michael Bröcker, Birgit Marschall und Eva Quadbeck

Als sie sich zum Gehen wenden, bekommt Gröhe von Grünen-Parteichefin Claudia Roth zwei Küsschen, eins links, eins rechts. Ganz so harmonisch, wie der Auftritt aussieht, verliefen die Verhandlungen nach Informationen unserer Zeitung nicht. Vor allem der neue Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, der aus Bayern kommt, und CSUChef Horst Seehofer gerieten aneinander.

Hofreiter war Seehofer vor, in Bayern gehe die Energiewende am langsamsten voran. Daraufhin lud Seehofer ihn ein, sich doch ein Bild davon zu machen. Vertrauensbildende Maßnahmen und Freundlichkeiten sind nach den monatelangen Attacken im Wahlkampf bitter nötig. Auch jetzt noch zucken Unionspolitiker bei der Vorstellung zusammen, dass mit dem grünen Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl, Jürgen Trittin, das personifizierte Feindbild der CSU in einem schwarz-grünen Bundeskabinett vertreten sein könnte.

Da sich CSU-Chef Horst Seehofer mit Trittin zunächst nicht einmal zur Sondierung setzen wollte – und es dann doch tat –, wäre Trittin als Minister für ihn schwer vorstellbar. Seehofer wird womöglich schon deshalb versuchen, Schwarz-Grün zu verhindern, heißt es in Unionskreisen. Dass er für Schwarz-Rot ist, hat der CSU-Chef auch immer wieder durchblicken lassen. Öffentlich gab sich der bayerische Ministerpräsident allerdings recht aufgeschlossen.

„Das ist keine Placebo-Veranstaltung“, sagte er mit ernster Miene. Und sprach sogar früh von der Möglichkeit einer zweiten Sondierungsrunde. Doch bei den Sondierungsverhandlungen sei Hofreiter als der neue starke Mann vom linken Flügel der Grünen aufgetreten, berichteten Teilnehmer. Grünen-Chefin Claudia Roth räumte hinterher ein, es sei auch bayerisch deftig zugegangen. So wies Seehofer seinen Kontrahenten darauf hin, dass es in Runden wie diesen üblich sei, dass man sich gegenseitig ausreden lasse.

Das müsse Hofreiter lernen. Die zweite Sondierungsrunde kam auf Wunsch von Kanzlerin Angela Merkel zustande. Sie erklärte, dass man mit den inhaltlichen Themen noch nicht durchgekommen sei, und bot das nun geplante Treffen am Dienstagnachmittag an. Die Grünen baten um eine Unterbrechung der Sondierung, gingen vor die Tür und berieten. Anschließend stimmten sie dem zweiten Treffen zu. Vor dem Sondierungsgespräch hatten sich die Grünen bereits am Mittag zu einer dreistündigen Vorberatung getroffen.

Dort soll es Unstimmigkeiten über den Kurs gegenüber der Union gegeben haben. Während die acht Spitzenpolitiker der Grünen dann aus allen Richtungen zur Parlamentarischen Gesellschaft strömten und vor der Tür noch auf Ex-Fraktionschef Jürgen Trittin warten mussten, trat die Union geschlossen auf. Die 14 Verhandler kamen, angeführt von Volker Kauder, zwei Minuten vor dem Termin. Die Kanzlerin war erst eineinhalb Stunden vor dem Start der Sondierungen zu einem Vorgespräch mit der CSU eingetroffen.

Auch zwischen den Schwesterparteien hatte es im Vorfeld Reibereien gegeben. Die CSU torpedierte den Wunsch der Kanzlerin, auch mit den Grünen ernsthaft zu sondieren. Zunächst hatte CSUChef Horst Seehofer Trittin als Verhandlungspartner zu verhindern versucht. Dann provozierte Innenminister Hans-Peter Friedrich mit einer Hardliner- Haltung in der Flüchtlingsfrage. Seehofer unterließ nichts, um die Bedeutungslosigkeit der Sondierung mit den Grünen – so seine Sicht der Dinge – zu betonen. S

o bestätigte er auch, dass es am Tag nach dem Treffen mit den Grünen ein schwarz-rotes Spitzengespräch zwischen den drei Parteichefs Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und ihm geben soll. Darüber soll die Kanzlerin verärgert gewesen sein, da das Bekanntwerden des Termins die Sondierung mit den Grünen diskreditierte.

Wenn im Bund in der kommenden Woche doch die Weichen für eine Große Koalition gestellt werden sollten, erhöht sich das Interesse der Union, immerhin im Bundesland Hessen erstmals ein schwarz-grünes Bündnis auf den Weg zu bringen. Zurzeit werden in Wiesbaden insgesamt drei Modelle sondiert: Schwarz-Rot, Schwarz-Grün und Rot- Rot-Grün, wobei das letztere Modell nach der ersten Runde mittlerweile am unwahrscheinlichsten erscheint.

Zumal dieses Bündnis nur eine Stimme Mehrheit im hessischen Landtag hätte. „Es wäre gut, wenn die Union in einem Flächenland beweisen könnte, dass Schwarz- Grün funktioniert“, sagte ein CDU-Präsidiumsmitglied denn auch mit Blick auf Hessen.