Sachsen: Fremdenfeindlichkeit belastet Wirtschaft, Tourismus und Wissenschaft

Gemessen an der Bevölkerungszahl, gibt es nur in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mehr fremdenfeindliche und rechtsextreme Gewalttaten als in Sachsen. Mit der Pegida-Bewegung ist vor allem die Landeshauptstadt Dresden zum Symbol einer neuen rechtspopulistischen und nationalistischen Bewegung geworden. Die Bemühungen aus Politik und Gesellschaft, sich dem entgegenzustellen, wirken mitunter hilflos. Wir geben Antworten auf wichtige Fragen:

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Wie wirkt sich die Fremdenfeindlichkeit auf die Entwicklung der sächsischen Wirtschaft aus?

Sie beeinträchtige den Wirtschaftsstandort Sachsen, sagen Experten. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sieht in der Fremdenfeindlichkeit die „größte Zukunftsbarriere“. Schon jetzt habe sie einen „nachhaltigen Schaden“ angerichtet, der nicht irreparabel werden dürfe. Der neu gegründete Verein „Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen“, in dem auch der Branchenverband Silicon Saxony vertreten ist, will genau deswegen aktiv werden. Zwar ließen sich die Auswirkungen nur schwer mit Zahlen belegen, sagt Vereinssprecher Andreas von Bismarck. „Aber wir kennen konkrete Beispiele, was ausbleibende Ansiedlungen und unbesetzte Arbeitsplätze betrifft“, sagt von Bismarck.

Beeinträchtigt der Fremdenhass die Anwerbung von Fachkräften?

„Man hört immer wieder, dass Unternehmer klagen, ausländische Bewerber sprängen immer wieder ab, weil sie Angst hätten“, sagt Joachim Ragnitz, Vize der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts. Aber auch das sei nur schwer zu belegen oder in Zahlen zu erfassen. Laut von Bismarck spielen gerade im Osten, wo es Nachholbedarf bei harten Faktoren wie dem Gehalt gibt, weiche Faktoren wie das Lebensumfeld eine große Rolle. Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass sich Fachkräfte angesichts ausländerfeindlicher Stimmung lieber für den Job in einem anderen Bundesland entscheiden. Derzeit gibt es in Sachsen rund 70 000 offene Stellen. „Da muss man sich schon die Frage stellen, warum.“

Bleiben die Touristen weg?

Geht es um den Tourismus, ist vom „Pegida-Effekt“ die Rede – vor allem in der Hochburg Dresden. Die Auswirkungen des Negativ-Images sind kaum konkret zu messen, aber fest steht: 2015 ging die Zahl der Übernachtungen in Dresden um 3 Prozent auf 4,3 Millionen zurück, der erste Rückgang seit sechs Jahren. Auch im ersten Halbjahr 2016 sanken die Übernachtungszahlen um 0,2 Prozent. Deutsche Touristen buchten in den ersten Monaten des Jahres weniger Übernachtungen in der Landeshauptstadt (minus 2 Prozent). Auch in Sachsen insgesamt bleibt der Tourismus hinter den Erwartungen zurück, die Übernachtungszahlen stagnieren. So wurden im ersten Halbjahr 2016 knapp 8,54 Millionen gezählt, nur 0,1 Prozent mehr als im Vorjahreszeittraum.

Was tun Wissenschaft und Forschung?

Die Technische Universität Dresden hatte Anfang Mai angekündigt, Anfeindungen ihrer ausländischen Studenten und Mitarbeiter nicht hinzunehmen und eine Anlaufstelle für Opfer von Fremdenhass einzurichten. Anlass war eine Veranstaltung, zu der Rektor Hans-Müller Steinhagen kurz zuvor in den Landtag eingeladen hatte. Dabei berichteten mehrere ausländische Studenten über ihre krassen Erfahrungen mit Alltagsrassismus in Dresden.

Was tut die Politik?

Die Antwort könne nur mehr Offenheit, mehr Demokratie und mehr politische Bildung sein, meint Dulig. „Unsere Antwort muss eine nach vorn gerichtete sein. Wir dürfen jetzt nicht nur in der Analyse hängen bleiben, denn so überraschend ist das jetzt ja nicht.“ Wichtig sei, „dass die Anständigen in Sachsen, die immer noch die Mehrheit sind, laut und deutlich sagen, wie sie sich das Zusammenleben in Sachsen vorstellen“. Christiane Raatz