RZ-Serie „Schlagabtausch“: Brauchen wir eine Quote für ältere Beschäftigte?

Von Helga Hammer

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Von Helga Hammer

Deutschlands Bevölkerung wird immer älter. Neben den Auswirkungen auf gesellschaftliche und soziale Bereiche gerät die Konsequenz für den Arbeitsmarkt dabei ins Blickfeld. Die Erwerbsbevölkerung altert, zudem werden deutlich mehr Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden als eintreten. Die Wirtschaft beklagt bereits jetzt einen Fachkräftemangel und fordert, diesen durch mehr Zuwanderung zu verringern. Dennoch werden viele ältere Beschäftigte – auch qualifizierte – vorzeitig aus dem Arbeitsleben gedrängt, obwohl sie noch leistungsfähig sind und arbeiten wollen. Und wer als Älterer arbeitslos wird, hat nur geringe Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz.

Dabei sind Ältere heutzutage gesünder und besser ausgebildet als frühere Generationen. Älterwerden verläuft heute anders als früher. Wer heute in Rente oder Pension geht, hat meist noch ein Viertel seines Lebens oder mehr vor sich. Einschlägige Studien haben ergeben, dass die heute 60-Jährigen geistig und körperlich in weitaus besserer Verfassung sind als frühere Generationen. Alter ist nur einer von vielen Faktoren, die die Beschäftigungsfähigkeit beeinflussen.

Bevor also aus Gründen des Fachkräftemangels mehr Zuwanderung gefordert wird, sollten zuerst die bei uns im Land vorhandenen Potenziale für den Arbeitsmarkt ausgeschöpft werden. Dazu gehört ganz wesentlich die Aktivierung der älteren Beschäftigten. Sie haben Kenntnisse und Fähigkeiten wie Verlässlichkeit und Erfahrung, die auch in der Erwerbsarbeit noch gebraucht werden. Daher ist es unverständlich, dass es in zu vielen Betrieben keine Beschäftigten mehr gibt, die älter als 50 Jahre sind, wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ermittelt hat.

Unternehmen sind also gut beraten, die Stärken ihrer älteren Beschäftigten zu nutzen und sie im Arbeitsleben zu halten. Dies hat mehrere Vorteile: Die Arbeitskräftelücke wird kleiner, und die Altersversorgungssysteme werden entlastet. Positive Beispiele gibt es, sie zeigen, dass dies möglich ist.

Ältere sollten die Erfahrung machen, dass sie im Betrieb noch wertgeschätzt und gebraucht werden. Dann wird auch die Einsicht wachsen, dass angesichts der höheren Lebenserwartung nicht ein möglichst frühzeitiges Ende der Berufstätigkeit anzustreben ist, sondern die möglichst lange Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Politik und Wirtschaft sind gemeinsam verantwortlich, dafür Rahmenbedingungen zu schaffen. Politik muss die Möglichkeiten zur gesundheitlichen Prävention und zu Rehabilitationsmaßnahmen, die zurzeit gedeckelt sind, erweitern. Die Betriebe müssen durch kontinuierliche berufliche Weiterbildung und Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen ihren Beitrag leisten. So gelingt es, die Beschäftigten länger im Erwerbsleben zu halten.

Bereits der fünfte Altenbericht der Bundesregierung aus 2005 „Potentiale des Alters“ fordert die Schaffung einer demografiesensiblen Unternehmenskultur und Entwicklung von „Leitlinien einer guten Praxis“. Danach muss es oberstes Ziel sein, die praktizierte vorzeitige „Freisetzung des Alters aus der Arbeitswelt“ zu überwinden.

Der sechste Altenbericht der Bundesregierung aus 2010 „Altersbilder“ befasst sich auch mit den Altersbildern in der Arbeitswelt und stellt fest, dass höheres Alter immer noch mit abnehmender Leistungsfähigkeit gleichgesetzt wird. Es sollte sich vielmehr endlich die Erkenntnis durchsetzen, dass ein steigendes Alter nicht zu geringeren Kompetenzen führt, sondern mit sich wandelnden Fähigkeiten einhergeht. Deshalb fordert der Altenbericht, dass Unternehmen zu einer lebenszyklusorientierten Personalpolitik kommen müssen.

Schließlich führt die längere Lebenserwartung auch zu einer längeren Zeit des Rentenbezugs und damit auch zu einer größeren Belastung der jungen Generation. Die gerade begonnene, schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ist daher notwendig, um diesem Aspekt des demografischen Wandels Rechnung zu tragen. Allerdings muss unter dieser Bedingung den Menschen auch die Möglichkeit gegeben werden, bis zum regulären Beginn ihres Alterseinkommens einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen zu können; sonst wäre das Ergebnis eines höheren Renteneintrittsalters eine Rentenkürzung, die nicht zu akzeptieren ist. Zwar hat sich in den vergangenen Jahren die Zahl der älteren Beschäftigten erhöht, aber nur 26 Prozent von ihnen sind sozialversicherungspflichtig erwerbstätig. Unternehmen sollten sich in eigenem Interesse auf älter werdende Belegschaften einstellen, denn der Arbeitskräftemangel wird in den nächsten Jahren zunehmen.

Eine Quotierung wird immer dann diskutiert, wenn ein erwünschtes Ergebnis anders nicht zu erzielen ist. Sie sollte auch nicht für alle Zeit gelten, sondern nur so lange angewendet werden, bis das erstrebenswerte Resultat zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Sie ist ein Hilfsmittel, um Beschäftigungsverhältnisse für ältere Arbeitnehmer zu sichern.

Die Potenziale älterer Menschen sollten auch in der Arbeitswelt nicht länger ignoriert werden. Dazu gehört auch die Revision veralteter Altersbilder. Die Tarifpartner haben die Möglichkeit, eine Mindestquote für Ältere freiwillig zu vereinbaren. Zu hoffen ist, dass davon Gebrauch gemacht wird, sonst bleibt nur die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung, weil uns andernfalls die Probleme bei der Arbeitskräftebeschaffung und mehr noch die der sozialen Sicherheit im Alter über den Kopf wachsen.