Berlin

RWE geht auf Konfrontationskurs

RWE geht beim Widerstand gegen den schnelleren Atomausstieg vorweg: Der Essener Energieriese hat Klage gegen die Anordnung zum Herunterfahren von Biblis A eingereicht. Juristen glauben, dass das Unternehmen gute Erfolgsaussichten hat: So hält etwa der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, die politisch verfügte Stilllegung für illegal.
RWE geht beim Widerstand gegen den schnelleren Atomausstieg vorweg: Der Essener Energieriese hat Klage gegen die Anordnung zum Herunterfahren von Biblis A eingereicht. Juristen glauben, dass das Unternehmen gute Erfolgsaussichten hat: So hält etwa der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, die politisch verfügte Stilllegung für illegal. Foto: dpa

Das Bild, auf dem RWE-Chef Jürgen Großmann der Kanzlerin zuprostet, wurde vor einem halben Jahr zum Symbol für den guten Draht der Regierung zur Atomwirtschaft. Zufrieden waren die Energieversorger, als Angela Merkel eine Laufzeitverlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre durchsetzte.

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Berlin. Das Bild, auf dem RWE-Chef Jürgen Großmann der Kanzlerin zuprostet, wurde vor einem halben Jahr zum Symbol für den guten Draht der Regierung zur Atomwirtschaft. Zufrieden waren die Energieversorger, als Angela Merkel eine Laufzeitverlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre durchsetzte.

Dann kam die Katastrophe von Fukushima und eine beispiellose Kehrtwende der schwarz-gelben Koalition. Sie gipfelte in der Anordnung zum Herunterfahren der ältesten deutschen Atomkraftwerke. Die Beziehung zwischen Großmann und CDU-Chefin Merkel ist nun auf einem Tiefpunkt angekommen. Am Freitagmorgen um kurz vor neun Uhr reichte das Essener Unternehmen beim Verwaltungsgerichtshof Kassel Klage ein gegen die Anordnung, das älteste deutsche AKW Biblis A in Hessen zumindest vorübergehend abzuschalten.

Foto: picture alliance / dpa

In Regierungskreisen gilt ein endgültiges Aus für den 1974 ans Netz gegangenen Meiler als ausgemacht, Großmann aber will um die Anlage kämpfen. Auch auf die Gefahr hin, dass die Regierung nun erst recht in einem neuen Atomgesetz weniger Meiler als bisher erlauben könnte und diesen auch noch eine möglichst kurze Restlaufzeit verpasst. Auch Biblis B, das ebenfalls zur Kategorie der sieben ältesten Meiler gehört, aber wegen einer Revision ohnehin stillstand, könnte nie wieder hochgefahren werden. RWE hat also wenig zu verlieren und setzt nun auf Konfrontation statt auf Kooperation. Der Energieriese befürwortet zwar die anstehenden Sicherheitsüberprüfungen, sieht sich aber aus aktienrechtlichen Gründen zur Klage gezwungen. Denn mit einem abgeschriebenen AKW lässt sich etwa eine Million Euro pro Tag verdienen, das Geld entgeht RWE nun.

Die Bundesregierung sieht der Klage gelassen entgegen. Umweltminister Norbert Röttgen und Kanzlerin Angela Merkel betonen, das Moratorium stehe auf einer stabilen Basis. Die Regierung hatte die Stilllegung mit Paragraf 19 Absatz 3 des Atomgesetzes begründet. Danach kann eine AKW-Stilllegung verlangt werden, wenn Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter bestehen. Es ist so etwas wie der „Gefahrenabwehr-Paragraf“ des Atomgesetzes. Röttgen hatte von einer vorsorgenden Maßnahme nach den dramatischen Ereignissen in Japan gesprochen.

Einige Juristen halten diese Auslegung für sehr gewagt. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält die politisch verfügte Stilllegung für illegal. Die Bundesregierung und die betroffenen Landesregierungen hätten „offensichtlich keine Rechtsgrundlage für das Moratorium“, sagte er der „Badischen Zeitung“. Die Betreiber hätten gute Erfolgsaussichten für eine Klage. Genau darauf setzt auch RWE.

Sollte sich der Konzern mit der Klage gegen die hessische Landesregierung, vor allem aber gegen die Bundesregierung durchsetzen, käme dies einer Ohrfeige gleich. Das Moratorium wäre praktisch hinfällig. Die Regierung hatte darauf gesetzt, dass die Energiebosse angesichts der Bilder der rauchenden Atomruinen von Fukushima die Füße stillhalten. Immerhin: Die drei anderen Betreiber wollen dies offenbar tun.

Die Naturschützer vom rheinland-pfälzischen BUND rufen die RWE-Kunden unterdessen dazu auf, den Stromversorger zu wechseln. Die Klage sei ein Zeichen dafür, „dass RWE wild entschlossen ist, die Augen vor den Folgen des Fukushima-GAUs zu verschließen“. Geschäftsführer Erwin Manz sagt: „Dies zeigt einmal mehr, dass RWE seine Gewinninteressen gnadenlos vor die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung stellt.“

Von Georg Ismar