Rheinland-Pfalz

RING-DRAMA (7): War der Nürburgring ein Selbstbedienungsladen?

Ein vernichtendes Zeugnis hat der Landesrechnungshof dem früheren Aufsichtsrat der nahezu landeseigenen Nürburgring GmbH ausgestellt: Das Gremium unter Leitung des 2009 zurückgetretenen Finanzministers Ingolf Deubel (SPD) hatte durch seine mangelhafte Kontrolle großen Anteil daran, dass sich der Nürburgring zu einer Art Selbstbedienungsladen entwickeln konnte.

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Rheinland-Pfalz. Ein vernichtendes Zeugnis hat der Landesrechnungshof dem früheren Aufsichtsrat der nahezu landeseigenen Nürburgring GmbH ausgestellt: Das Gremium unter der Leitung des 2009 zurückgetretenen Finanzministers Ingolf Deubel (SPD) hatte durch seine mangelhafte Kontrolle großen Anteil daran, dass sich der Nürburgring zu einer Art Selbstbedienungsladen entwickeln konnte.

Der Landesrechnungshof äußert sich kritisch über die Einführung eines kartenbasierten Bezahlsystems: Zugangskontrolle und Zahlungsabwicklung stellen einen weit umfangreicheren Anwendungsbereich dar als etwa in Fußballstadien, wo solche Karten während einer Saison alle 14 Tage genutzt werden.

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Ausschreibungspflicht missachtet? Manche Experten meinen, die CST hätte wie eine Behörde das kartenbasierte Bezahlsystem ausschreiben müssen. Eine Kanzlei kam im Auftrag der CST allerdings zu dem Schluss, dass solch eine Ausschreibung im allgemeinen bei vergleichbaren Fälle nicht nötig sei. Allerdings hat die Kanzlei erst lange nach dem entsprechenden Beschluss seine Stellungnahme abgegeben.

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Besucherprognosen waren weit überhöht, EDV-Umlagen in Höhe von mehr als 8,2 Mio. Euro erfolgten ohne vertragliche Grundlage: Im Bericht des Landesrechnungshofs werden den Akteuren zweifelhafte Methoden vorgeworfen.

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Wo blieben die Millionen? Die NG gewährte der CST Darlehen in Höhe von 5,6 Millionen Euro, ohne den Aufsichtsrat zu informieren, moniert der Landesrechnungshof.

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„Gegenstand von Schadenersatzforderungen“: In einer Patronatserklärung verpflichtete sich die NG, der CST gegebenenfalls mit Darlehen beiseite zu springen.

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Einerseits ging es um Millionen – doch andererseits gab es von Seiten der CST gerade einmal eine Sicherheit in Form eines Pfandrechts im Nennwert von 7500 Euro, was bereits 30 Prozent des Stammkapitals betrug.

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Kosten von fast 72.000 Euro unberechtigt an die CST berechnet: Die Mediinvest GmbH hätte einzelne Kosten selbst übernehmen müssen. Tatsächlich wurden sie an die CST weitergereicht.

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Die Buchhaltung war unübersichtlich: Für viele Rechnungen gab es Duplikate und Kopien. Insgesamt wurden rund 205.000 Euro doppelt gebucht. Einzelne Buchungsposten verzeichneten „Irrläufer“ und Angaben wie „Konto falsch“.

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„Es bestehen erhebliche Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.“ Daher hat ab 2010 die NG die Buchführung bei der CST übernommen.

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„Mangelhafte Qualität der Leistungserbringung der Mediinvest GmbH“: Erst berechnete die Mediinvet für Dinge wie Buchhaltung und Controlling 5000 Euro monatlich. Als die NG diese Aufgabe übernahm, wurde diese Aufgabe plötzlich kostenlos.

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„Der Geschäftsführer Kai Richter handelte mit der Stundung einseitig und zu Lasten der NG zugunsten seiner eigenen Gesellschaft“, heißt es in dem Prüfbericht.

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Die CST, vertreten durch Kai Richter, schloss einen Werbevertrag mit der Jung Produktion GmbH – an der Richters Mediinvest GmbH wiederum mit fünfzig Prozent beteilgt ist. Im Juli 2009 gab es von dort schon einmal in einer Rechnung eine „Pauschale“ über knapp 36.000 Euro.

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Die CST, vertreten durch Kai Richter, schloss einen Mietvertrag über einen Lagerraum mit der Richter & Jung GbR, wo Richter ebenfalls einer der beiden Geschäftsführer war. „Die Miete war rund fünfzig Prozent zu hoch“, heißt es in dem Prüfbericht.

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Auch dafür gab es Geld: Sechs Personalappartements wurden ganzjährig angemietet -- auch während der Wintermonate. Das bezeichnet der Rechnungshof als unwirtschaftlich. Des Weiteren erhielt die IT-Beratungsgesellschaft UBK GmbH für ein „Projektmanagement“ im Jahr 2009 rund 290.000 Euro. Welche Leistungen dafür beansprucht wurden, ist unklar.

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Ein Prüfbericht des Landesrechnungshofs entlarvt gravierende Mängel bei der CST, einer für den Nürburgring tätigen Firma. Offensichtlich wurden hier Millionen Euro verschwendet. Das Dokument in Auszügen.

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Reisekosten als Pauschale, Telefonkosten in Höhe von mehr als 13.000 Euro für drei Monate: „Der überwiegende Anteil der Entgelte wurde von zwei Nutzern verursacht.“ Ebenfalls haarsträubend, im Kleingedruckten des Prüfberichts: Mehrere der Kartenautomaten waren defekt. „Sie enthielten einen Programmierfehler, wonach das Aufladen einer Karte durch Kunden möglich war“ – und zwar ohne Abbuchung von seinem Bankkonto. Und: 1,5 Millionen Karten sollten abgenommen werden. Tatsächlich sollten es dann aber nur 200.000 sein.

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Die für Werbung eingesetzten Helfer („Promoter“) wurden pro Arbeitsstunde mit 13,90 bis 15 Euo berechnet (zehn Euro Lohn plus 3,90 „Vermittlungsprovision“). Dabei verfügte die NG über einen eigenen Pool von Aushilfen von rund 1000 Kräften, für die lediglich 9,80 Euro pro Stunde abzurechnen gewesen wären – wahrscheinlich ohne Vermittlungsprovision. Obwohl es eine entsprechende Anweisung der NG gegeben hat, diese Kräfte einzusetzen, griff die CST auf die extra zu bezahlenden Promoter zurück.

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300 „Promoter“, also in der Werbung tätige Helfer, wurden für den Kartenvertrieb angesetzt – diese Zahl hält der Rechnungshof für unrealistisch hoch. Der Betriebsleiter der CST hatte zudem Zugriff auf eine Bargeldkasse, über die er eigene Ausgaben abrechnen konnte – nach Genehmigung durch sich selbst. „Das Ausgabe- und Zahlungsverhalten entsprach nicht dem eines sorgfältigen Kaufmanns“, moniert der Rechnungshof. Neben dem unwirtschaftlichen Verhalten zu Lasten der NG fanden die Prüfer in zumindest zwei Fällen Hinweise darauf, dass Verträge zugunsten von Gesellschaften geschlossen wurden, an denen Kai Richter selbst beteiligt ist.

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Für fast 250.000 Karten für den Nürburgring stellte die CST der NG Rechnungen zu jeweils zwei Euro netto pro Karte aus. Eine schriftliche Vereinbarung über diese Kartengebühr gab es dem Rechnungshof zufolge nicht.

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79 Cent kostete eine Karte fürs Bezahlsystem am Nürburgring. Berechnet wurden dafür 2,07 Euro. Der Rechnungshof geht selbst im besten Fall von Verlusten in Höhe von mehr als 9,2 Millionen Euro durch das Kartensystem aus. Er empfiehlt, grundsätzlich zu entscheiden, ob das Kartensystem überhaupt weiterbetrieben werden. Und er schließt sich der Forderung nach einer „Änderung“ in der Geschäftsführung der CST an.

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Diesen Schluss legt der Entwurf eines Rechnungshofberichtes nahe, der die Vorgänge rund um die Firma Cash Settlement & Ticketing (CST) beleuchtet. Das Fazit der Rechnungsprüfer: „Der Aufsichtsrat kam seiner Kontrollfunktion nicht nach.“

Die CST war im Februar 2008 gegründet worden, um das geplante bargeldlose Bezahlsystem am Ring einzuführen. Die Gesellschaft gehörte zu je 50 Prozent der nahezu landeseigenen Nürburgring GmbH und einer Tochter der Firma Mediinvest des Düsseldorfer Unternehmers Kai Richter, den Deubel am Ring als Privatinvestor an Land gezogen hatte.

Urteil der Rechnungsprüfer niederschmetternd

Doch das Urteil der Rechnungsprüfer ist in jeder Beziehung niederschmetternd. Schon die Gründung der CST halten die Speyerer Experten für überflüssig. „Der Gründung der CST hätte es nicht bedurft“, heißt es in dem Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt. Man hätte das Projekt auch direkt an einen Anbieter von bargeldlosen Bezahl- und Zugangssystemen vergeben können.

CST für Richter ein Tummelfeld ohne wirksame Kontrolle

Doch nicht nur das. Die CST entpuppte sich für den Düsseldorfer Unternehmer Richter zum idealen Tummelfeld, auf dem er als einer von zwei Geschäftsführern offenbar ohne wirksame Kontrolle agieren konnte. So schloss er laut Prüfbericht überteuerte oder überflüssige Verträge mit Firmen ab, an denen er wiederum selbst beteiligt war. Dabei ging es um Werbeaufträge, Mietverträge für Lagerräume oder um Containeranlagen. Und: Obwohl Richters Firma Mediinvest bereits Geld für die kaufmännische Verwaltung der CST bekommen hatte, verursachte sie laut Rechnungshof zusätzlich noch erhebliche Mehrkosten für Steuerberater und andere Dienstleister.

Nach Angaben der Rechnungsprüfer haben sich die Aufsichtsratsmitglieder häufig auf mündliche Mitteilungen verlassen. Sie mahnten oftmals weder die Vorlage von Zahlen für Businesspläne noch Alternativangebote oder Informationen über Vertragspartner an. Ein effektives Controlling hat es laut Prüfbericht nicht gegeben.

CST verstieß "gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“

Urteil der Speyerer Rechnungsprüfer: „In einer Vielzahl von Vertragabschlüssen und Unternehmensentscheidungen verstieß die CST gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.“ Und sie ergänzen: „Das Ausgabe- und Zahlungsverhalten entsprach nicht dem eines sorgfältigen Kaufmanns.“ Der Entwurf des Prüfberichts kursiert seit bereits vier Monaten in den Reihen der Landesregierung. Mittlerweile soll der Abschlussbericht vorliegen, dessen Inhalt aber noch unbekannt ist.

Ministerium: Rechnungshof hat nicht berücksichtigt, dass 2010 Veträge völlig geändert wurden

Das Wirtschaftsministerium reagierte mit Kritik auf die Analyse aus Speyer: Der Rechnungshof habe in seinem Bericht nicht berücksichtigt, dass die Verträge zwischen Nürburgring GmbH und CST im Dezember 2010 auf völlig neue Füße gestellt worden sind.

db/mr

In der Montagsausgabe der Rhein-Zeitung erklärt das Mainzer Wirtschaftsministerium,

  • was sich in den Verträgen am Nürburgring seit vergangenem Dezember geändert hat und
  • wie die Kontrolle verbessert wurde