Berlin

Richtungskampf bei der Energiewende – Kein Konsens innerhalb der Bundesregierung

Ab 2013 müssen Verbraucher für Strom noch tiefer in die Tasche greifen. Die Ökostromzulage steigt.
Ab 2013 müssen Verbraucher für Strom noch tiefer in die Tasche greifen. Die Ökostromzulage steigt. Foto: DPA

Peter Altmaier ist ein eher gemütlicher Mensch. Hektische Reaktionen sind nicht sein Ding. Der CDU-Bundesumweltminister wusste genau, was mit der Bekanntgabe der neuen Ökostrom-Umlage auf ihn zukommen würde.

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Und so baut Altmaier sich vor den Kameras in seinem Ministerium auf und sagt auch in Richtung der FDP, die eine Senkung der Steuerlast beim Strompreis will: „Ich glaube, dass wir jetzt ruhiges Blut bewahren müssen.“

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sieht die Energiewende bereits am Scheideweg, wenn die Regierung deren Kosten nicht gerechter verteilt. Die FDP fordert von Altmaier ein rasches Auslaufen der Ökostrom-Förderung. Der ist dafür durchaus empfänglich: Wenn Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ihm eine Mehrheit dafür bei den Ländern organisiert, wäre er sofort dabei.

Studie um Studie wird seit Wochen veröffentlicht, um Stimmung für oder gegen die Energiewende zu machen. Hinter den Attacken gegen die Kosten der Ökostrom-Förderung verbirgt sich ein Verteilungskampf. Gerade die Atomkonzerne müssen um ihre Marktanteile fürchten. „Die Energiewende führt zu einer Demokratisierung der Energieversorgung“, schreibt der auf Energiefragen spezialisierte Jurist Peter Becker. „Hier liegt der eigentliche Anlass für die Auseinandersetzungen um die Energiewende.“ Becker verweist auf den US-Ökonomen Jeremy Rifkin, der das Jahrhundertprojekt Energiewende als dritte industrielle Revolution bezeichnet hat.

Doch auch die einflussreiche Solar- und Windlobby muss sich fragen lassen, ob ihr Eintreten für einen unkontrollierten Ausbau der Sache dienlich ist. Altmaier will das Projekt mit Hilfe von regionalen Ausbauquoten besser steuern. Denn bisher wird überall dort ein Windrad angeschlossen, wo man eine Genehmigung bekommt. Seit Wochen werden neue Rekordzahlen für die zwangsweise Abschaltung von Windparks erwartet, weil ihr Strom sonst im vergangenen Jahr regionale Netze an den Rand des Zusammenbruchs geführt hätte. Diese Ausfälle werden von den Verbrauchern über die Stromrechnungen mitbezahlt.

Ein politischer Streitpunkt zwischen Bund und Ländern ist zudem, woher der Ökostrom kommen soll. Wenn Bayern nicht zu abhängig von Windkraft aus Schleswig-Holstein werden will, müssen im Süden mehr Biogasanlagen gebaut werden. Doch schon heute sind Mais-Monokulturen ein Problem, hervorgerufen auch durch den Bedarf für Biogasanlagen. Der Industrieverband BDI warnt vor kostentreibender „Energie-Kleinstaaterei“ der Länder. Solange unklar ist, ob Bayern eigene Wege beschreiten will, ist fraglich, ob es die geplanten mindestens 25 000 Megawatt Windkraft in Nord- und Ostsee braucht. Und wo neue Gaskraftwerke als Ersatz für die Atommeiler gebaut werden sollen. Ebenso ist unklar, wie sie sich rechnen sollen, bei immer mehr Strom aus Solar- und Windparks. Schon wird über neue Boni-Systeme für solche Kraftwerke diskutiert, die womöglich auch auf die Verbraucher-Strompreise aufgeschlagen würden.

Ein Konsens über die Richtung der Energiewende herrscht derzeit noch nicht einmal in der Bundesregierung. Die FDP will weg vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), doch die bisher und auf 20 Jahre garantierten Ökostrom-Vergütungen müssten ohnehin weitergezahlt werden. Die Partei kann sich für ein Modell erwärmen, bei dem die Versorger bestimmte Ökostrom-Quoten erfüllen sollen, es aber keine Abnahmepflicht und garantierte Vergütung für Grünstrom mehr gibt. Der Energiewissenschaftler Uwe Leprich hält das Modell für untauglich: „Das vielfach vorgebrachte Argument der Kosteneffizienz konnte bei näherer Betrachtung der Vorschläge in keinem Punkt bestätigt werden.“ Das Modell würde die Energiekonzerne bevorteilen, weil sie sich aussuchen könnten, wem sie künftig den grünen Strom abnehmen.

So gleicht das Ganze einer Großbaustelle. Die Kostendebatte wirft die Frage auf, ob die Energiewende vor allem direkt vom Bürger bezahlt werden soll – oder ob andere Lastenverteilungen denkbar sind. Die Grünen fordern eine stärkere Beteiligung der Industrie. Insgesamt könnten die Stromkosten der Bürger so um 4,2 Milliarden Euro jährlich gesenkt werden, meint Fraktionsvize Bärbel Höhn. Das würde die Stromrechnung von Haushalten um 35 bis 40 Euro pro Jahr entlasten.

Georg Ismar