Renten-Kaufkraft im Sinkflug

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September 2009. Rechtzeitig vor der Bundestagswahl gibt der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) eine Rentengarantie. Später werden seine Nachfolger ins gleiche Horn stoßen, obwohl sie es besser wissen müssten.

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September 2009. Rechtzeitig vor der Bundestagswahl gibt der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) eine Rentengarantie. Später werden seine Nachfolger ins gleiche Horn stoßen, obwohl sie es besser wissen müssten. Manch einer aus der Berliner Beletage wird sich mit der Forderung nach Rentensenkungen hervortun. Die Forderung ist überflüssig. Sie ist längst Wirklichkeit.

Was einige Repräsentanten der von Hans Herbert von Arnim („Deutschlandakte“) sogenannten „politischen Klasse“ nicht zu wissen scheinen, ist dies: Die Kaufkraft der Renten befindet sich seit Jahren im Sinkflug. Ihr Wert hat sich in den vergangenen zehn, elf Jahren zweistellig vermindert. Ausschlaggebend dafür sind die Faktoren Mini-Erhöhung, Nullrunde und Inflationsrate. Wenn der Begriff „Garantie“ verwendet wird, darf das höchstens im Zusammenhang mit der sinkenden Kaufkraft der Renten geschehen.

Vor gar nicht langer Zeit debattierten die Mitglieder des Bundestages über die ungeheuerliche Rentenerhöhung von 1,1 Prozent. Nur ein Bundestagsabgeordneter hat damals gesagt, dass eine Rentenerhöhung von 1,1 Prozent bei einer Inflationsrate von drei Prozent in Wirklichkeit eine Rentenkürzung von knapp zwei Prozent ist.

Die Alten werden immer älter und beziehen immer länger Rente. Vor wenigen Jahrzehnten noch hätte ich in meinem Alter keine Kommentare mehr geschrieben, sondern wäre längst auf ein paar Krümel Asche reduziert gewesen. Stattdessen erfreue ich mich bester Gesundheit und werde wohl auch noch einige Jahre leben. Und Monat für Monat die Rente kassieren.

Die heutigen Arbeitnehmer und ihre Kinder werden – wenn der Sinkflug der Renten so weitergeht – vor einem Scherbenhaufen stehen. Sie finanzieren mit ihren Beiträgen die heutigen Rentner, so wie diese ihre Vorgänger versorgt haben. Sie zahlen in jedem Monat ihres Berufslebens den Arbeitnehmeranteil zur Altersversorgung und übrigens auch den Arbeitgeberanteil, denn der fällt nicht vom Himmel. Er wird ebenfalls von den Beschäftigten erwirtschaftet. Die heute Aktiven werden Renten bekommen, die diesen Namen kaum noch verdienen. Politiker, die zumeist vom Thema Rente kaum oder gar nicht berührt sind, raten zur zusätzlichen privaten Vorsorge. Das sollten sie mal vormachen angesichts sinkender Gehälter und oftmals auch abgespeckter betrieblicher Vorsorge.

Ein Trost bleibt in dieser verkorksten Situation – wir müssen wohl demnächst nicht mehr mit dem denkbar dümmsten Politikersatz leben, der immer mal wieder die Diskussion befruchtet: „Die Rente wird künftig nicht mehr ausreichen, den Lebensstandard zu halten.“ Als ob sie das jemals getan hätte!

Statt törichte Sprüche zu klopfen, sollten die Politiker versuchen, die 20 Millionen Rentner mitzunehmen, sich mit ihren Sorgen zu beschäftigen und sich ein bisschen Wissen über die Rente und ihre Entwicklung anzueignen. Wenn man den Alten klipp und klar sagt, wie der Renten-Hase läuft und welche Konsequenzen das hat, wären die Rentner in ihrer Mehrzahl auch weiterhin dabei, wenn es ans Opfern geht. Was sie aber nicht wollen, ist das Geschwätz von der Rentengarantie. Nach derzeitigem Stand sinkt die Renten-Kaufkraft stetig weiter. Wenn das einige aus der politischen Klasse begriffen haben würden, wären wir einen Schritt weiter und müssten nicht mehr Sprüche ertragen, die die Wirklichkeit einfach ausblenden.

M Der Autor (71, Rentner) war fast vier Jahrzehnte lang Redakteur dieser Zeitung.