Psyche: Depression trifft jedes Alter

Bauchschmerzen, die immer wiederkommen? Ach, nur zu scharf gegessen. Und die Hüftschmerzen? Na ja, die sind normal im Alter. Wenn nur diese ständige Traurigkeit nicht wäre, die Mutlosigkeit, das Gefühl, hilflos und permanent müde zu sein ...

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Von Nicole Mieding

Solche Erfahrungen machen viele ältere Menschen, die meisten erholen sich wieder. Doch bei einigen bleibt das Gefühl, setzt sich fest, wird schlimmer. Sie sind antriebsarm, bewegen sich kaum noch, fühlen sich wie gelähmt. Aus solchen Symptomen kann sich eine behandlungsbedürftige Krankheit entwickeln: die Depression.

Im Alter zählen Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen: Jeder zehnte über 65- Jährige, der in den eigenen vier Wänden lebt, leidet daran. Bei Bewohnern von Altenheimen ist die Zahl noch viel höher: Bis zu 40 Prozent aller Menschen, die in stationären Einrichtungen leben, sind betroffen. Antidepressiva werden dort flächendeckend verabreicht – nicht immer mit dem Wissen der Bewohner.

Um die Folgen von Isolation und Einsamkeit zu mildern, bewegt sich das medizinische Personal in einem Graubereich. „Viele ältere Menschen, die unter einer depressiven Störung leiden, reden nicht oder kaum über ihren Zustand“, sagt Gisela Borgmann- Schäfer, Psychologische Psychotherapeutin und Vorstandsmitglied der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz.

„Die Betroffenen ziehen sich immer weiter zurück. Deshalb wird die Krankheit häufig nicht oder erst sehr spät erkannt. Allzu oft werden die Symptome auf den normalen Alterungsprozess geschoben und deshalb auch nicht ernst genommen oder gar professionell behandelt.“

Zudem haben ältere Patienten eine größere Hemmschwelle vor dem Gang zum Psychologen und glauben, dass sie ihre Probleme mit sich selbst ausmachen müssen. Dabei benötigen Betroffene dringend professionelle Hilfe. Wer ernsthaft erkrankt ist, schafft es allein nicht mehr aus der Abwärtsspirale der Depression.

Das Älterwerden geht nicht nur mit körperlichen Einschränkungen einher, sondern birgt auch psychische Herausforderungen: Die Kräfte lassen nach, es wird schwieriger, mitzuhalten – damit gilt es klarzukommen. Im hohen Alter sterben zudem wichtige Bezugspersonen, mit denen man sein Leben verbracht hat.

Auch der eigene Tod rückt näher. Bisweilen tauchen Bilder und Gefühle zu Ereignissen aus weit zurückliegender Vergangenheit wieder auf. All das muss psychisch verarbeitet werden, viele alte Menschen haben damit Probleme. Doch erst, wenn die eigenen Bewältigungsstrategien nicht mehr ausreichen, sprechen Experten von einer Depression, die professionell behandelt werden muss.

Sie zu erkennen, dafür fehlt vielen Allgemeinmedizinern aber nach wie vor die fachliche Kompetenz. Ein gravierendes Problem, denn Hausärzte sind für ältere Patienten häufig die wichtigsten Ansprechpartner. Ältere Patienten mit einer psychiatrischen Erkrankung werden aber vielfach von einem Facharzt zum nächsten geschickt, ohne dass die Ursache ihres Leidens erkannt wird.

Außer Acht gelassen wird von den Medizinern oft auch, dass viele Medikamente Wechselwirkungen entfalten, die zu Depressionen führen können. Fast jeder zweite Patient über 65 leidet an mindestens drei chronischen Krankheiten, die medikamentös behandelt werden – diesen Umstand müssen Ärzte und Therapeuten im Auge behalten.

So mancher Behandelnde vergisst auch, die Dosierung eines Medikaments anzupassen: Ältere Menschen bauen Wirkstoffe langsamer ab und brauchen daher kleinere Mengen. Mit Blick auf die Gesellschaft gewinnt die Situation an Brisanz: Weil die Zahl der Alten wächst, steigt auch die der psychisch Kranken. Ärzte oder gar Einrichtungen, die auf diese Klientel spezialisiert sind, sind dagegen noch immer rar.

Hilfreiche Literatur zu seelischen Störungen finden Sie hier: „Depression im Alter – Erkennen, bewältigen, behandeln“ (Beltz, 39,95 Euro); „Altersdepression: Erkennen und behandeln“ (LinguaMed Verlags GmbH, 10,15 Euro); Eine informative und hilfreiche Broschüre zum Thema Depression können Sie auch aus dem Internet herunterladen unter www.rlp-gegen-depression.de/ download/2012_ Broschuere_ Depression.pdf