Paris

Polizei jagt flüchtige Terroristen: Einsatz einer Spezialeinheit in Reims

Nach dem Terroranschlag auf das islamkritische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris mit zwölf Toten macht die Polizei mit tausenden Beamten Jagd auf die drei flüchtigen Täter. Etwa zwölf Stunden nach dem Attentat suchten Spezialkräfte im ostfranzösischen Reims nach den drei schwer bewaffneten Männern, die angeblich identifiziert sind. Es könne einen Zugriff geben, hieß es aus der französischen Spezialeinheit Raid. Reims liegt etwa 150 Kilometer nordöstlich von Paris. Aber auch in Straßburg und anderen Städten im Großraum Paris suchten Polizisten nach den Attentätern.

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Bei dem schwersten Terroranschlag in Frankreich seit Jahrzehnten waren zwölf Menschen getötet worden, darunter acht Journalisten der Satirezeitschrift und zwei Polizisten. Es gab elf Verletzte. Die Polizei sucht nach zwei Brüdern aus Paris mit französischer Staatsbürgerschaft, die arabische Namen haben sollen. Auch der dritte Täter sei identifiziert, hieß es unter Berufung auf Ermittlerkreise. Sie sollen 34, 32 und 18 Jahre alt sein. Einer von ihnen sei 2008 dafür verurteilt worden, weil er im Irak gekämpft haben soll.

Zwei von ihnen sollen am Mittwochvormittag schwarz vermummt mit Kalaschnikows in die Redaktion eingedrungen sein und kaltblütig um sich geschossen haben. Die Terroristen riefen demnach „Allah ist groß“ und „Wir haben den Propheten gerächt“. „Sie sprachen perfekt Französisch“, sagte die Zeichnerin Corinne Rey, die den Anschlag überlebte, der Zeitung „l'Humanité“. Dabei hätten sie behauptet, zur Terrororganisation Al-Kaida zu gehören. Der Überfall habe etwa fünf Minuten gedauert.

Das Blutbad, das die schwer bewaffneten Attentäter in der Redaktion der Zeitung anrichteten, löste international Entsetzen und Abscheu aus. Die Sicherheitsmaßnahmen im Großraum Paris wurden massiv verschärft. Staatspräsident François Hollande ordnete für Donnerstag nationale Trauer an. US-Präsident Barack Obama, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Papst Franziskus zeigten sich erschüttert.

Merkel sagte, „diese abscheuliche Tat“ sei ein Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Obama bot Frankreich als „ältestem Verbündeten Amerikas“ jede Hilfe an, „um diese Terroristen vor die Justiz zu bringen“. Kremlchef Wladimir Putin sprach von einem „barbarischen Akt“. Auch islamische Staaten wie Katar, Muslimverbände, die EU und die Nato verurteilten die Tat.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière warnte vor populistischen Brandstiftern in Deutschland. „Terroristische Anschläge haben nichts mit dem Islam zu tun“, sagte der CDU-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“. Attentate wie das von Paris richteten sich gegen die gesamte Gesellschaft und ihre Werteordnung.

In Frankreich gingen über 100 000 Menschen auf die Straße, um sich mit „Charlie Hebdo“ zu solidarisieren und zu trauern. Bei einer Demonstration auf der Place de la République unweit des Tatorts im eher bürgerlichen elften Arrondissements skandierten die Menschen „We are not afraid“ (Wir haben keine Angst.). Sie verteilten Flugblätter mit einem früheren Titelblatt von „Charlie Hebdo“, auf dem sich ein Muslim und ein Journalist der Zeitschrift küssen – versehen mit der Unterzeile: „Liebe ist stärker als Hass“. In Lyon und Toulouse gingen etwa 10 000, in Rennes mehr als 13 000 auf die Straße. Auch in anderen europäischen Städten solidarisierten sich die Menschen mit „Charlie Hebdo“, auch in Berlin.

Im Internet kursierten von einem Dach aufgenommene Videos von der Straße vor dem Redaktionsgebäude im Pariser Osten. Darauf ist zu sehen, wie einer der vermummten Täter mit einem Schnellfeuergewehr auf einen bereits auf dem Bürgersteig liegenden Polizisten zugeht und ihn ermordet. Bilder zeigten einen Polizeiwagen mit Einschusslöchern. Auch am späten Abend war die Straße noch abgesperrt.

Unter den Toten sind der Mohammed-Karikaturist und Redaktionsleiter Charb alias Stéphane Charbonnier und sein Leibwächter. Charb tauchte im Frühjahr 2013 im Internetmagazin „Inspire“ der Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) auf einer „Fahndungsliste“ auf. Die AQAP verübt vor allem im Jemen Anschläge. Neben Charb sind acht weitere Personen zu sehen, darunter der dänische Mohammed-Karikaturist Kurt Westergaard und der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders.

Als Reaktion auf den Anschlag verschärften Länder wie Italien die Sicherheitsvorkehrungen für Medien. In Deutschland sahen Sicherheitskreise keine Anzeichen für erhöhte Terrorgefahr; es herrsche eine „abstrakt hohe“ Gefährdung. Für die Deutsche Polizeigewerkschaft ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis es auch in Deutschland einen Anschlag gebe. Angriffe fanatischer Einzeltäter seien nicht zu verhindern, sagte ihr Vorsitzender Rainer Wendt.

Der Anschlag erfolgte am Tag des Erscheinens des islamkritischen Romans „Soumission“ (Unterwerfung) von Michel Houellebecq in Frankreich. „Charlie Hebdo“ hatte aus diesem Anlass Houellebecq am Mittwoch auf sein Titelblatt gehoben und sich über den Schriftsteller lustig gemacht. Der Roman beschreibt das Leben in Frankreich unter einem muslimischen Präsidenten.

„Charlie Hebdo“ war mehrfach wegen Mohammed-Karikaturen in die Kritik geraten und angefeindet worden. Bereits im November 2011 waren nach der Veröffentlichung einer „Scharia“-Sonderausgabe mit einem „Chefredakteur Mohammed“ die Redaktionsräume in Flammen aufgegangen.