Berlin

Politologe: Merkel mangelt es an Leitidee

Politologe: Merkel mangelt es an Leitidee
Politikwissenschaftler Gerd Langguth sieht die Gefahr, dass Schwarz-Gelb auseinanderdriftet. Foto: dpa

Der Politologe Gerd Langguth empfiehlt Kanzlerin Angela Merkel, einen neuen Koalitionsvertrag auszuhandeln. Der schwarz-gelben Regierung fehle immer noch eine Leitidee. In unserem Interview zieht der Merkel-Biograf Bilanz des ersten Regierungsjahrs von Schwarz-Gelb.

Lesezeit: 1 Minute
Anzeige

Berlin – Der Politologe Gerd Langguth empfiehlt Kanzlerin Angela Merkel, einen neuen Koalitionsvertrag auszuhandeln. Der schwarz-gelben Regierung fehle immer noch eine Leitidee. In unserem Interview zieht der Merkel-Biograf Bilanz des ersten Regierungsjahrs von Schwarz-Gelb.

Was war der größte Fehler der Koalition?

Man hat nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen zu lange gewartet, um die Vorhaben in Angriff zu nehmen. Der Supergau waren die Steuergeschenke für das Hotel- und Gaststättengewerbe.

Ihr Urteil über die Chefs von CSU und FDP, Horst Seehofer und Guido Westerwelle?

Seehofer versucht, Franz Josef Strauß zu kopieren. Aber das gelingt ihm nicht. Er kämpft um seine Autorität in der CSU. In der FDP glaubt kaum noch jemand, dass Westerwelle es schafft, zu früheren politischen Höhen zurückzukehren. Es war ein Fehler, dass er das Außenministerium und kein innenpolitisches Reformministerium übernommen hat.

Erleben wir nach dem Sommer eine andere Kanzlerin?

Merkel hat begriffen, dass die nächsten Landtagswahlen ein großes Desaster für sie werden, wenn sie jetzt nicht Führungskraft zeigt. Die jüngste Etatdebatte war der Versuch einer Trendumkehr. Sie hat in der Atomdebatte den zuständigen Ministern die Entscheidung aus der Hand genommen. Das zeigt, dass Merkel nicht vorhat, die Dinge weiter schleifen zu lassen. Eine gute Rede macht aber noch keinen Sommer.

Was soll die Kanzlerin jetzt tun?

Eigentlich bedürfte es eines neuen Koalitionsvertrages. Sie hat es bisher noch nicht geschafft, eine Botschaft, eine Leitidee zu formulieren: Sonst driftet die Koalition weiter auseinander.

Ihre Überschrift zum ersten Jahr Schwarz-Gelb?

Eine große Enttäuschung für das bürgerliche Lager – es kann nur besser werden. Langsam beginnt der Schock der Wahl in Nordrhein-Westfalen zu wirken. Es war leichter für Merkel, in einer großen Koalition zu arbeiten, als in einer kleinen, wo sie es mit zwei besonders hartleibigen Parteivorsitzenden zu tun hat. Seehofer und Westerwelle sind wirklich schwierige Bündnispartner. Es fehlt ihr sozusagen der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering.

Das Gespräch führte Frank Rafalski