Berlin

Politik reitet auf der Osterreisewelle

Manchmal ist auch die Politik machtlos. Immer wenn die Benzinpreise auf rätselhafte Weise zum Start der Osterreisewelle noch weiter steigen, preschen Regierungspolitiker mit Vorschlägen zur Entlastung der Autofahrer vor. Mal wollen sie den Ölkonzernen Fesseln anlegen oder den Wettbewerb stärken. In diesem Jahr bei Schwarz-Gelb hoch im Kurs: eine höhere Pendlerpauschale und ein striktes Verbot für mehrmalige Preiserhöhungen pro Tag.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Die meisten Energieexperten sind sich jedoch einig: Staatliche Eingriffe in den Markt und die Preisgebung nach oben wie nach unten garantieren keine niedrigeren Preise. Sie könnten im Gegenteil sogar noch steigen, dies lehren Erfahrungen aus Österreich und Westaustralien.

Also dem verärgerten Bürger mit mehr Geld beispringen? Schließlich ist der Staat der größte Profiteur hoher Spritpreise. Je Liter Benzin werden 65,5 Cent Mineralölsteuer fällig, außerdem werden 19 Prozent Mehrwertsteuer erhoben. Das macht zusammen mehr als 90 Cent pro Liter aus. „Derzeit nimmt der Bund durch die hohen Preise über die Mehrwertsteuer rund 2 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich ein“, sagt FDP-Generalsekretär Patrick Döring. Daher gebe es Spielräume, um die Pauschale von 30 Cent pro Kilometer um 5 bis 10 Cent zu erhöhen. Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch hat sich gar für eine Erhöhung der Pendlerpauschale auf 45 Cent pro Kilometer ausgesprochen.

Auch aus der CSU und der CDU in Nordrhein-Westfalen, wo bis zur Landtagswahl am 13. Mai ein Rückstand auf die SPD wettgemacht werden soll, wird eine höhere Pendlerpauschale gefordert. 2011 kostete sie den Staat 4,4 Milliarden Euro. Laut ADAC müssen Pendler bei einem Weg von zehn Kilometern zur Arbeit heute bei 220 Arbeitstagen 167,55 Euro mehr für Superbenzin bezahlen als vor zehn Jahren, bei 50 Kilometern sind es 837 Euro mehr – die Pauschale deckt hier die Kosten nicht.

Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) wollen dennoch nicht an der Höhe von 30 Cent rütteln – zumal wegen der Euro-Krise der Druck zum Sparen hoch ist. Die um ihr politisches Überleben kämpfende FDP hat das Thema als neuen Strohhalm entdeckt. Die Wirtschaft warnt bereits, dass ein Literpreis von 2 Euro und mehr die Konjunktur drastisch abwürgen könnte. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert, die Energiesteuer zu senken – doch Schäuble bleibt auch in dieser Frage bisher hart.

Die Grünen finden die aktuelle Benzinpreisdebatte verlogen. Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell argumentiert: „Die Ursache für den erhöhten Benzinpreis liegt doch nicht im Finanzministerium in Berlin, sondern in der Verknappung der Ölressourcen.“ Es müsse jetzt darum gehen, „uns endlich unabhängig vom Öl zu machen und auf Verkehrsvermeidung, nachhaltige Biokraftstoffe und Ökostrommobilität zu setzen“.

Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert betont, statt über eine höhere Pendlerpauschale zu streiten, müsse man beim Wettbewerbsrecht ansetzen, um Marktmissbrauch durch die fünf großen Ölkonzerne zu vermeiden. Doch schon vor einem Jahr stand eine Begrenzung der großen fünf Mineralölkonzerne ganz oben auf der Agenda. „Warm anziehen“ müssten sich die Konzerne, sagte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) damals. Den Worten folgten keine nennenswerten Taten. Das hat eine lange Tradition. Schon Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) forderte 2005 folgenlos mehr Transparenz auf den Ölmärkten und Kampf gegen die Spekulation. Da war der Rohölpreis gerade über 50 Dollar je Barrel gestiegen.

Doch gegen die Großkonzerne BP/Aral, ConocoPhillips, ExxonMobil, Shell und Total kann die Politik kaum vorgehen. Das Bundeskartellamt konnte auch nach mehrjähriger, intensiver Analyse den Vorwurf illegaler Absprachen nicht nachweisen. Es stellte fest, dass Tankstellenmitarbeiter die Kraftstoffpreise an fremden Tankstellen in der Umgebung mehrfach täglich beobachten und an die Unternehmen melden. Das allerdings ist normales marktwirtschaftliches Verhalten; alle Unternehmen in allen Branchen beobachten ihre Konkurrenz. Anders wäre Wettbewerb gar nicht möglich.

Von Georg Ismar und Eckart Gienke