Berlin

Piraten: Viel Sympathien, aber wenig Programm

Wahlabend Piratenpartei
Mitglieder der Piratenpartei jubeln nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen bei der Wahl des Abgeordnetenhauses. Foto: DPA

Populär, auch ohne Plan. So lautet offenkundig das Erfolgsrezept der Piratenpartei in Berlin. Mit knapp 9 Prozent der Stimmen gelingt der Partei, die erst vor fünf Jahren in Berlin gegründet wurde und kaum Mitglieder und Strukturen vorweisen kann, der Überraschungserfolg bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.

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Berlin – Populär, auch ohne Plan. So lautet offenkundig das Erfolgsrezept der Piratenpartei in Berlin. Mit knapp 9 Prozent der Stimmen gelingt der Partei, die erst vor fünf Jahren in Berlin gegründet wurde und kaum Mitglieder und Strukturen vorweisen kann, der Überraschungserfolg bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.

Aus dem Nichts auf 8,9 Prozent – erstmals ziehen die Piraten damit in ein deutsches Landesparlament ein. Nach ersten Einschätzungen der Meinungsforscher waren es vor allem die jungen Nichtwähler, Akademiker, Internetaktivisten, Kreative und von den etablierten Parteien frustrierte Berliner, die den Freibeutern der politischen Landschaft den Sieg ermöglichten.

Das Wahlprogramm dürfte jedenfalls nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Wahlrecht für alle, kostenloses WLAN, „Rauschunterricht“ an Schulen und ein bedingungsloses Grundeinkommen waren die zentralen Forderungen, die ohne spezielle Finanzierungsvorschläge im Internet bekannt gemacht wurden. Man habe eben nicht zu allen politischen Themen eine Meinung, bekannte Spitzenkandidat Andreas Baum, ein 32-jähriger Industrieelektroniker. In den vergangenen Wochen machten die Piraten mit spektakulären Aktionen wie einer Floßfahrt auf der Spree und witzigen Plakaten („Warum hänge ich hier eigentlich. Ihr geht ja eh nicht wählen!“) auf sich aufmerksam. Die etablierten Parteien halfen, indem sie öffentlich über die Piraten herzogen. „Auch Piraten kann man resozialisieren“, lästerte Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast. Die Piraten nutzten das Image als „Underdog“, klebten die Stadt mit 12 000 Plakaten zu und inszenierten sich geschickt als Gegenmodell zu den großen Parteien. Vor allem im Internet sammelten sie mit Videos, Botschaften und kreativer Werbung in sozialen Netzwerken Unterstützer. Über das skurrile Wahlprogramm durfte jedes Piraten-Mitglied im Netz mitentscheiden, Gremienpolitik und Hierarchien sind in der Partei, die sich an der 2006 in Schweden gegründeten „Piratpartiet“ orientiert, unbekannt und unerwünscht.

Die inhaltlichen Mängel bereiteten der Anhängerschaft offenbar keine Probleme. In einer Wahlsendung schätzte Spitzenkandidat Baum die Verschuldung Berlins auf „viele Millionen Euro“. Es sind 63 Milliarden Euro. Ob die Piraten politikfähig sind, muss die junge Truppe nun beweisen. Andreas Baum bittet vorsorglich schon mal um Nachsicht: „Natürlich werden wir viele Fehler machen.“ Michael Bröcker