Berlin

Parteienforscher: „Die Linke wächst nur im Westen“

Die Linke wird im Osten älter und im Westen jünger, sagt der Parteienforscher Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin. Das Interview:

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Will die Linke eigentlich regieren, oder setzt sie auf Opposition?

Zurzeit ist die Linke eigentlich von der Frage befreit. Die SPD macht ja sehr deutlich, dass sie eine Koalition mit der Linken nicht will. Das entlastet die Linke und macht sie jetzt im Wahlkampf frei. Sie kämpft zurzeit für sich allein.

Wie hat sich das Verhältnis zwischen Linken und SPD in den vergangenen vier Jahren verändert?

Das Verhältnis der linken Landesverbände zur SPD ist ja grundsätzlich sehr unterschiedlich. Im Osten gibt und gab es einige gemeinsame Landesregierungen, da ist man auch für ein Bündnis im Bund viel offener. Dagegen gibt es in den westdeutschen Landesverbänden momentan kein Verhältnis zur SPD, das als Basis für eine Kooperation geeignet wäre. Auch aufseiten der SPD gibt es ja viele, die Vorbehalte haben.

Wie haben die Parteichefs Bernd Riexinger und Katja Kipping die Partei aufgestellt?

Unter den beiden Parteivorsitzenden tritt die Partei heute viel geschlossener auf. Weiterhin gibt es aber eine starke Trennung zwischen Partei und Fraktion im Bundestag, was zuletzt bei der Aufstellung der Spitzenkandidaten ja auch für Unmut sorgte. Für eine Beruhigung hat auf jeden Fall der Rückzug von Gregor Gysi aus der ersten Reihe gesorgt, auch wenn die Partei damit jemanden verloren hat, der ihr mehr Aufmerksamkeit verschafft hat.

Wer wählt denn die Linke heute?

Die Linke verliert im Osten, dort wird sie immer älter. In absoluten Stimmen gesehen, erhält sie im Westen weit mehr Zuspruch, nur in Rheinland-Pfalz nicht. Sie wird langsam zu einer anderen Partei, nämlich immer gesamtdeutscher.

Wie hat die Linke sich in den vergangenen vier Jahren in der Opposition präsentiert?

Nach der Wahl 2013 war sie erst mal mit der Frage beschäftigt, warum sie mehr als 3 Prozent verloren hat. Anschließend ist es ihr mit nur 64 Abgeordneten im Bundestag schwergefallen, sich zu profilieren. Ein Höhepunkt der vergangenen vier Jahre war sicher die Regierungsbildung in Thüringen, an deren Ende mit Bodo Ramelow erstmals ein Linker Ministerpräsident eines Bundeslandes wurde. Das hat einen neuen Diskurs darüber entfacht, ob Regierungsbündnisse mit der Linken nicht über kurz oder lang auch im Bund möglich sind. Dafür sehe ich in der Gesellschaft heute aber nach wie vor keine Mehrheit.

Was haben die zahlreichen Gesprächsrunden mit der SPD denn gebracht?

Wenn SPD-Politiker nach solchen Treffen regelmäßig so tun, als hätten sie eine Expedition in unbekanntes Gelände unternommen, haben sie wohl eher wenig gebracht. Insgesamt sehe ich bei beiden Parteien Annäherungsversuche.

Inwiefern?

Als es etwa darum ging, dass Bundesmarine den Giftgasabtransport aus Syrien sichern sollen, haben einige Abgeordnete der Linken für diesen Einsatz gestimmt.

Gibt es wirklich Überschneidungen bei den Wählern der AfD und der Linken?

Ja, die gibt es durchaus, in dem Sinn, dass beide Parteien von Protestwählern gewählt werden. Wem die Linke aber schon zu etabliert ist, der wählt heute vielleicht eher die AfD.

Das Gespräch führte Rena Lehmann