Berlin

Niederlage der großen Parteien: Berliner Beben

Buntes Berlin: Nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus sitzen Vertreter von sechs Parteien im Parlament. Die Regierungsbildung wird schwieriger.
Buntes Berlin: Nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus sitzen Vertreter von sechs Parteien im Parlament. Die Regierungsbildung wird schwieriger. Foto: Jens Weber

Nun also mit Gefühl. Die Kanzlerin will nach der für ihre CDU desaströsen Wahl in Berlin keine Fakten mehr herunterbeten, warum Deutschland an den Flüchtlingen nicht zugrunde gehen wird. Fakten würden niemanden überzeugen, „der immer nur ,Merkel weg' schreit“, sagt die promovierte Physikerin im Konrad-Adenauer-Haus.

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Von Kristina Dunz und Marco Hadem

Manche Menschen interessierten sich nicht mehr für Fakten, sondern folgten allein ihren Gefühlen – wie Ängsten vor Ausländern und zu großer Veränderung. Deswegen will sie ihre Politik besser erklären und die Tonlage ändern: „Ich will dem also meinerseits mit einem Gefühl begegnen: Ich habe das absolut sichere Gefühl, dass wir aus dieser – zugegeben komplizierten – Phase besser herauskommen werden, als wir in diese Phase hineingegangen sind.“

Abwandlung ihres Mantras

Das ist aber nur eine Abwandlung ihres Mantras während der Finanzkrise. Damals zeigte sich Angela Merkel immer „überzeugt“, dass Deutschland aus dieser Krise besser herauskommen wird, als es hineingeraten sei. So geschah es. Ein Fakt. Merkels „absolut sicheres Gefühl“ dürfte vor allem ein Hinweis darauf sein, dass sie eine vierte Kanzlerkandidatur anstrebt, um eben für ein gutes Ende dieser „Phase“ zu sorgen, die angesichts von einer Million 2015 aufgenommenen Flüchtlingen noch etwas länger andauern könnte.

Mitteilen will sie ihren Entschluss knapp drei Monate vor dem CDU-Parteitag immer noch nicht. Aus dem CDU-Vorstand verlautet: „Alle gehen davon aus, dass sie noch einmal antritt, aber es spricht keiner darüber.“

Merkel wiederholt sich und mahnt

Merkel sagt zwar nicht viel Neues. Sie wiederholt ihre Relativierung ihres „Wir schaffen das“ genauso wie das Bekenntnis zu früheren Fehlern – vor der großen Aufnahme von Flüchtlingen 2015. Und sie mahnt, sie werde ihren Kurs nicht korrigieren, bloß weil Bürger „schlichtweg keine Fremden, speziell keine Menschen islamischen Glaubens“ wollten. „Den Kurs kann ich und die CDU nicht mitgehen.“ Sie rückt nicht von ihrem Nein zur Obergrenze ab, die CSU-Chef Horst Seehofer fordert. Sie betont aber wieder und mehrfach, dass sich 2015 nicht wiederholen wird.

Und sie spricht anders. Weicher, verständnisvoller – eben gefühlvoller. Sie sagt: „Wenn ich könnte, würde ich die Zeit um viele, viele Jahre zurückspulen, um mich mit der Bundesregierung vorbereiten zu können auf die Situation, die uns 2015 eher unvorbereitet traf.“ Und dass es nicht gut ist, wie lange Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht sind und dass die Asylverfahren zu lange dauern. Den Wählern der AfD müsse die Union ein „Angebot“ machen.

Sie will nichts versprechen, was sie nicht halten kann – eine Obergrenze. Sie sagt „statische Obergrenze“. Also eine Zahl. Hier müssten CDU und CSU „noch weiter arbeiten“. Vielleicht wird der Kompromiss ja sein, dass keine Zahl, sondern eine Dimension genannt wird. Merkel sagt: „Deutschland wird sich verändern, wie wir uns alle verändern, wenn wir nicht gerade aus Stein sind.“ Das Land werde sich aber in seinen Grundfesten nicht erschüttern lassen.

Aus Bayern kommen nun zurückhaltende und nachdenkliche Töne. Anders als zuletzt ist Seehofer um Ruhe bemüht. Er vermeidet neue Angriffe auf Merkel und die Bundesregierung. Aber er betont wieder: „Es wird nicht ausreichen, den Menschen nochmals zu sagen, wir haben alles richtig gemacht und müssen es nur noch besser erklären. Wir brauchen mit Sicherheit auch inhaltlich Antworten, um das Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen.“

Viele Kurswechsel

Es habe bereits viele Kurswechsel der Kanzlerin „in unserem Sinne“ gegeben – etwa in der Zuwanderungspolitik. „Aber wir reden jetzt über die Zukunftsantworten. Rechtfertigungsantworten über die Vergangenheit helfen uns nicht weiter.“ Vorwürfen aus der CDU, die CSU sei mitverantwortlich für das schlechte Abschneiden der Schwesterpartei, stellt sich Seehofer entgegen. Und: „Wir gewinnen übrigens unsere Wahlen.“

Seehofer betont, dass er noch Hoffnung auf ein gutes Wahlergebnis der Union 2017 hat. „Wenn wir eine gemeinsame Antwort der CDU und CSU finden, eine glaubwürdige, eine belastbare, eine nachprüfbare, dann haben wir noch alle Chancen, die Bundestagswahl gut zu gewinnen. Das ist meine Erfahrung, von allen beteiligten Politikern kann ich auf die meisten Wahlkämpfe zurückschauen.“