Neuwied

Neuwied: Der lange Kampf ums Jugendzentrum

Noch tagt der Jugendbeirat Neuwied – hier nicht in voller Besetzung – im provisorischen Jugendtreff „Big House“. Der Bau eines neuen Jugendzentrums ist aber beschlossen.
Noch tagt der Jugendbeirat Neuwied – hier nicht in voller Besetzung – im provisorischen Jugendtreff „Big House“. Der Bau eines neuen Jugendzentrums ist aber beschlossen. Foto: Sascha Ditscher

Würde ein Regisseur eine Kulisse für ein Hip-Hop-Video suchen, sie sähe wohl aus wie das „Big House“ in Neuwied. Die Türen des Haupteingangs sind mit Konzertplakaten überklebt. Quietschbunte Graffiti schmücken die Außenwände des Jugendtreffs. Doch an vielen Stellen blättert die Farbe ab. Und spätestens beim Betreten des Gebäudes wird klar: Der Name ist pure Ironie.

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Von unserer Redakteurin Angela Kauer

„Big“, also groß, ist hier allenfalls das Interesse der Jugendlichen an den Angeboten. Bis zu 100 kommen an einem ganz normalen Öffnungstag. In manchen Räumen können sich aber maximal sechs Menschen zeitgleich aufhalten. Mit mehreren Leuten in der improvisierten Küche kochen? Schwierig.

Der Jugendtreff ist ein Provisorium. Eins, mit dem die 12- bis 21-Jährigen in Neuwied seit 2010 leben. Eins, dessen Tage nun endlich gezählt sind. Denn im vergangenen Herbst hat der Stadtrat den Neubau eines Jugendzentrums (JUZ) beschlossen. Direkt gegenüber dem „Big House“ wird es entstehen. 2,6 Millionen Euro wird es kosten, das Gelände herzurichten und ein neues Haus zu bauen. Eins, in dem dann endlich genug Platz ist.

Für das Jugendzentrum gekämpft haben unter anderem Ali Özülpek...

Sascha Ditscher

Kristina Hellberg...

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Johanna Schubert...

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Alina Volkov...

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Alexander Volkov und – in fast acht Jahren – mehrere Dutzend Jugendliche.

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Jürgen Gügel vom Jugendbüro der Stadt steht dem Beirat zur Seite.

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Erreicht hat das der Jugendbeirat der Stadt. Deshalb wird er auch gern als Beispiel genannt, wenn es darum geht, wie Jugendliche das Leben in ihrer Gemeinde mitgestalten und sich einmischen können. Das Fernsehen hat über den „Fall Neuwied“ berichtet. Das Projekt ist neben fünf anderen für die „Goldene Göre“ nominiert, einen Preis des deutschen Kinderhilfswerks für jugendliches Engagement. Und in einem Sozialkundebuch für die Mittelstufe taucht der Kampf ums JUZ sogar als gelungenes Beispiel jugendlicher Beteiligung auf.

Kristina Hellberg (24), von 2004 bis 2010 Vorsitzende des Jugendbeirats, muss ein wenig schmunzeln, wenn sie die Geschichte mit dem Sozialkundebuch erzählt. Mit der aktuellen Vorsitzenden, Johanna Schubert (19), sitzt sie im „Big House“, trinkt einen Kaffee. Und beide wissen: Wirklich leicht gemacht hat es ihnen die Politik nicht, ihr Anliegen durchzusetzen. Im Gegenteil: „Eigentlich hatten wir allen Grund hinzuschmeißen“, sagt Kristina Hellberg.

Ein langer Weg zum Ziel

Fast acht Jahre hat es gedauert von den ersten Plänen, ein neues JUZ zu bauen, bis zum endgültigen Beschluss. Nicht immer fühlten sich die Jugendlichen wirklich ernst genommen, manchmal sogar verschaukelt: „Als zum Beispiel 2010 das Big House hergerichtet wurde, da hat der Stadtrat sich darauf ausgeruht“, sagt Kristina Hellberg. „Die dachten, das war's jetzt.“ Aber der Jugendbeirat gab sich mit der kleinen Lösung nicht zufrieden. Er blieb dran. Und das, obwohl er alle zwei Jahre neu gewählt wird, sich also immer wieder neu sortieren muss.

„Das Jugendzentrum war jedem neuen Jugendbeirat wichtig“, sagt der Leiter des Neuwieder Kinder- und Jugendbüros, Jürgen Gügel, der die Jugendlichen gemeinsam mit seiner Kollegin Sonja Jensen betreut. Der Beirat organisierte Demonstrationen, lief immer wieder bei Stadtratssitzungen auf, setzte den Politikern auch mal ein Ultimatum. Richtig Bewegung in die Sache kam 2012 – aus zwei Gründen: An der Matthiaskirche im Zentrum der Stadt kam es immer wieder zu Problemen mit Jugendlichen, die dort zusammenkamen, weil sie einfach keinen anderen Platz hatten.

„Die Politik konnte sich nicht mehr rausreden“

„Da wurde dann für jeden sichtbar, dass wir wirklich eine Anlaufstelle für Jugendliche brauchen“, sagt Johanna Schubert. Der Jugendbeirat schaltete sich ein, klärte, vermittelte – und hatte plötzlich die Unterstützung namhafter Bürger. Unter anderem stellte sich der Lions Club öffentlich hinter das Projekt Jugendzentrum. „Die Politik konnte sich nicht mehr rausreden“, sagt Johanna Schubert.

Ob es das Großprojekt Jugendzentrum war, das den Jugendbeirat in immer wieder neuer Besetzung so aktiv gehalten hat? Vielleicht. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass es den Jugendlichen eben nicht immer nur um die ganz großen Themen geht, sondern auch um Spaß. Wie an diesem Abend. Im Anschluss an das Gespräch mit unserer Zeitung bespricht der Jugendbeirat die Organisation eines Fußballturniers. Wer bringt Kuchen für die Pausen mit? Manchmal heißt Mitgestalten eben auch, ein paar Muffins zu backen.