Neue Insolvenz am Ring?

Droht eine neue Insolvenz am Nürburgring? Die staatliche Besitzgesellschaft ist bereits pleite. Anstelle des Landes und der alten Geschäftsführung der Nürburgring GmbH (NG) haben die Sanierer jetzt das Heft des Handelns in der Hand. Doch nun könnte es auch die private Betreiberfirma treffen, die Nürburgring Automotive GmbH (NAG).

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Nach den vorerst geplatzten Vergleichsverhandlungen haben die Pächter eine mögliche Insolvenz ihrer Gesellschaft angekündigt. Am 1. Dezember könnte dies bereits der Fall sein.

Angst vor der Zukunft

Natürlich wirft das die bange Frage auf: Was geschieht nun am Ring? Gehen an der Rennstrecke für eine Weile die Lichter aus? Die Nürburgring-Sanierer Jens Lieser (Sachwalter) und Thomas Schmidt (Sanierungsgeschäftsführer) versuchen, derartige Ängste von Belegschaft und Veranstaltern zu zerstreuen. Sie wissen, wie zerstörerisch es sein kann, wenn eine abschreckende Drohkulisse am Ring aufgebaut wird. Wer will dann noch investieren? Und wie will man die Motivation der Mitarbeiter hoch halten, wenn ihnen die Zukunftsangst im Nacken sitzt?

Deswegen senden Lieser und Schmidt klare Signale aus: Die Sanierer können das operative Geschäft samt Belegschaft im Ernstfall übernehmen. Die Veranstaltungen laufen weiter. Mit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone wollen sie zur Not selbst verhandeln – um ein Rennen im nächsten Jahr zu sichern. Hockenheim scheint sich mit eigenen Ambitionen zurückzuhalten. Und ADAC sowie Konzertveranstalter Mark Lieberberg leisten den Sanierern Flankenschutz. Ihre Botschaft: Wir stehen zum Nürburgring; das Musikfestival Rock am Ring sowie die Publikumslieblinge 24-Stunden-Rennen und Truck Grand Prix sind nicht gefährdet. Aber vor allem beim ADAC spürt man deutlich, dass die Verantwortlichen dort die derzeitige Lage an der Eifel-Rennstrecke als äußerst misslich empfinden.

Die Sanierer können das operative Geschäft zudem nur übernehmen, wenn die Pächter wirklich das Feld räumen. Dazu fehlt aber die Bereitschaft. NAG-Gesellschafter Jörg Lindner und Kai Richter haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie am Ring im Geschäft bleiben wollen. Jetzt sehen sie die Zukunft des Eifelkurses als gefährdet an. Fakt ist: Nach dem Platzen der Vergleichsverhandlungen hat nun das Landgericht Koblenz das Wort. Dort sind die Räumungsklage der Nürburgring GmbH sowie eine Klage auf Zahlung ausstehender Pacht anhängig.

Doch ausgeschlossen ist es auch noch nicht, dass die NAG noch einmal an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Sie verlangt dafür ein deutliches Entgegenkommen. Ihr Wunsch nach einem Managementvertrag, mit dem die NAG bis 2014 die Geschäfte am Ring weiterführen könnte, erfüllt sich allerdings nicht. Von dieser Idee haben sich die Sanierer komplett verabschiedet. Nach der jüngsten Eskalation ist das Vertrauen zwischen beiden Seiten gestört. Dennoch lassen die Sanierer die Tür noch offen. Und auch die Pächter haben nicht alle Brücken abgebrochen.

Eine mögliche Insolvenz der NAG ist vor allem für die Pächter selbst riskant. Allein die bloße Ankündigung verschreckt Geschäftspartner. Zudem bezweifeln Kenner der Materie, dass das angestrebte Schutzschirmverfahren möglich ist. Damit ist man drei Monate vor Gläubigern sicher, bis der Insolvenzplan steht. Dazu wäre aber eine positive Fortführungsprognose nötig. Doch wird es diese geben, wenn die NAG die Pacht nicht bezahlen kann? Noch sind die Kassen am Ring voll, aber der einnahmenarme Winter steht vor der Tür.

Selbst eine Insolvenz in Eigenverwaltung ohne fremden Insolvenzverwalter ist nicht so einfach. Sie dürfte von dem zuständigen Düsseldorfer Gericht nur akzeptiert werden, wenn den Gläubigern daraus keine Nachteile entstehen. Da dürfte spannend zu beobachten sein, wie sich der Hauptgläubiger, die nahezu landeseigene Nürburgring GmbH (NG), verhalten wird. Dort hat der Sanierungsgeschäftsführer Schmidt das Kommando. Und ob er sich für die NAG starkmachen wird, ist durchaus fraglich. Hinzu kommt, dass die NAG wenige Sachwerte hat, was ihre Position im Verfahren möglicherweise schwächt. Denn ihr Kapital besteht vor allem aus Namensrechten, Veranstaltungsrechten, Know-how und Personal.

Raffiniertes Manöver?

Es könnte mangels Masse also sein, dass es am Ende doch zu einem klassischen Insolvenzverfahren kommt. Die NAG wäre damit aus dem Spiel. Fortan würden sich ein neuer Insolvenzverwalter sowie Lieser und Schmidt an einen Tisch setzen. Beobachter halten auch einen raffinierten Schachzug der Sanierer für denkbar: Möglicherweise ziehen sie die Verhandlungen bewusst so lange hin, bis die NAG so große Finanzprobleme bekommt, dass sie zum Rückzug vom Ring gezwungen wird. Dieser Weg ist womöglich schneller als der, der über die Gerichte führt. Kurioserweise bliebe der NAG in diesem Szenario nur noch ein Rettungsanker – der Vergleich.

Dietmar Brück