Berlin

Merkel versus Schulz: Ein Duell mit zwei Siegern

Von Rena Lehmann
Screenshot des TV-Duells
Screenshot des TV-Duells zwischen Angela Merkel und Martin Schulz. Foto: dpa

Vor dem Studio in Adlershof wird getrommelt, gesungen, gerufen. „Möge die Bessere gewinnen“, haben junge Christdemokraten auf ihre Plakate geschrieben. Auf den roten Ballons der Jusos steht: „Martin macht's“. Abgeschirmt von allem Gejohle und ohne Publikum geht drinnen das Fernsehduell zwischen Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz über die Bühne. Rundherum allerdings veranstalten Meinungsmacher und Parteigänger während der 97 Minuten Duell ein Spektakel wie bei einem Fußball-WM-Finale.

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Beim Fußballfinale gibt es allerdings immer nur einen Gewinner, das ist hier anders. Als Angela Merkel nach der Sendung zu ihren Anhängern kommt, bricht Jubel aus. „Sie hat gewonnen, ganz klar“, sagen sie alle. Als kurz darauf Martin Schulz auf seine Anhänger trifft, spielt sich Ähnliches ab. Schulz versinkt in einer Menschentraube aus Fans und Fotografen. „Angela Merkel war einfach nicht eindeutig in ganz vielen Dingen“, sagt Malu Dreyer in die Kameras. Nicht nur die Schlusserklärung von Martin Schulz war dagegen „bärenstark“.

Die Fernsehsender machen aus dem einzigen direkten Aufeinandertreffen der beiden Spitzenkandidaten von Union und SPD einen Meinungszirkus. Eine ganze Studiohalle neben dem Studio, in dem Merkel und Schulz antreten, ist für die etwa 600 Beobachter, Journalisten und Anhänger wie Gegner der beiden Kandidaten vorbereitet. Ein schwarzer Saal von der Größe einer Turnhalle, im Hintergrund läuft seichte Musik, Kategorie Hotellobby. An der Bar gibt es Cocktails namens „Vorpommersche Teezeit“ (in Anspielung auf Merkels Wahlkreis) und „Würselener-Jungenspiel“ (der passende Drink für Martin-Schulz-Fans). Unter imposanten Kronleuchtern wird auf weißen Polstermöbeln Platz genommen. Schon gegen 17.30 Uhr füllt sich der Saal. Pressesprecher streifen unruhig umher. Hat die CDU diesmal mehr Leute hier als die SPD? Die Promidichte der eigenen Partei ist nicht unwichtig, wenn es darum geht, möglichst viele anwesende Journalisten von der Überlegenheit des eigenen Kandidaten zu überzeugen. Auch für den Szenenapplaus während des Duells braucht es Personal. Bei der Union scharen sich schon die ersten Beobachter um CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, als zwei SPD-Frauen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Malu Dreyer, im knallroten Jackett, kommt mit Mecklenburg-Vorpommerns neuer Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (im knallroten Kleid). In der Sitzecke der SPD hat sich da bereits ein wenig Prominenz aus Kultur und Film eingestellt. Ein paar Meter weiter klärt die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner Journalisten schon über Martin Schulz' Wissenslücken auf. Das Duell hat hier drinnen längst begonnen.

Als es dann wirklich losgeht auf den Großbildschirmen, bleibt es ruhig im Saal. Anspannung ist auf beiden Seiten zu spüren. Noch nie waren so viele Wähler so kurz vor der Wahl unentschlossen. Sowohl Merkel als auch Herausforderer Schulz brauchen einige Minuten, um ins Duell zu finden und Nervosität abzulegen. Die Moderatoren gehen insbesondere Schulz eingangs hart an. Woher es kommt, dass so wenige Bürger ihm ihr Vertrauen schenken wollen, wird er gefragt. Schulz wirkt angefasst, kontert eher schwach mit dem Verweis auf die vielen Unentschlossenen. Doch auch Merkel wirkt kurz konsterniert, als sie auf viele Richtungswechsel ihrer Politik hingewiesen und gefragt wird, ob sie die „All-inclusive-Kanzlerin“ ist, mit der also alles geht. „Jeder Mensch verändert sich, die Herausforderungen sind immer wieder neue.“ Schnell ist klar, dass dieses Duell für beide kein einfaches wird. Schulz muss sich in den ersten Minuten gleich mehrerer unfairer Attacken der Moderatoren erwehren. „Er kocht, er köchelt, er dampft“, stellen sie spöttelnd fest. Unter den Anhängern beider Lager wird das in Adlershof etwas befremdet zur Kenntnis genommen. Der Szenenapplaus für Schulz fällt lautstarker aus als der Applaus aus der Merkel-Ecke. Fast eine Stunde geht es allein um Flüchtlinge, Integration und den Umgang mit der Türkei. Bei den Themen Flüchtlinge und Integration werden kaum Unterschiede deutlich. Angriffe von Schulz, Merkel habe die europäischen Partner in der Flüchtlingskrise nicht genug eingebunden, pariert sie. Als Bundeskanzlerin müsse man manchmal schnell Entscheidungen treffen. Schulz gelingt es nicht, einen Gegenentwurf zu ihrer Flüchtlingspolitik zu entwickeln. In die Defensive bringt er Merkel beim Thema Türkei. Hier wählt er harte Worte, spricht von der „einzigen Sprache, die Erdogan versteht“, und kündigt für den Fall, dass er Bundeskanzler wird, einen Abbruch der Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei an. Merkel, wissend, dass auch viele Wähler eine härtere Gangart gegenüber der Türkei für richtig befinden, zieht schließlich nach. Auch sie werde sich für den Abbruch der Verhandlungen einsetzen. Es ist der wohl spannendste Moment dieses TV-Duells.

Zu einer tieferen Diskussion über andere Themen kommt es mangels Zeit nicht mehr. Die Schlusserklärungen beider Kandidaten geraten holprig. Schulz wirkt kurzzeitig, als hätte er seinen Text vergessen. Er fragt erst, wie viel Zeit er noch hat, um dann länger als die vereinbarten 60 Sekunden zu sprechen. Seine letzten Sätze gehen zwischen den Aufforderungen der Moderatoren, zum Ende zu kommen, unter. Merkel erinnert noch daran, dass man über wichtige Zukunftsthemen nicht gesprochen habe. Dann, wieder ganz gelassene Staatsfrau, wünscht sie den Zuschauern „noch einen schönen Abend“.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann

TV-Duell: Moderator Claus Strunz erntet viel Häme

Während des TV-Duells hat Moderator Claus Strunz im Netz viel Häme geerntet. Bis zum Ende der Sendung gab es auf Twitter mehrere Tausend Nachrichten zu dem Sat.1-Moderator. Schon am Anfang der Liveübertragung musste sich Strunz von Schulz korrigieren lassen: Er hatte den SPD-Chef mit einer Flüchtlingsaussage verkürzt zitiert. Später fragte Strunz Kanzlerin Merkel und Schulz, ob sie es gut fänden, dass die Fußball-WM 2022 in Katar stattfindet. „Echt jetzt, Strunz fragt wirklich nach der WM in Katar?“, schrieb Linke-Parteichef Bernd Riexinger auf Twitter.

Ein anderer Twitter-Nutzer teilte ein kurzes Video des legendären Ausrasters des früheren Bayern-Trainers Giovanni Trapattoni, der 1997 an die Adresse seines damaligen Spielers Thomas Strunz zeterte: „Was erlauben Strunz?“ Ironisch kommentierte Satiriker Jan Böhmermann: „Ich guck nur wegen Claus Strunz. #TVDuell“

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