Malu Dreyers Kompetenz ist in Berlin gefragt

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Berlin/Rheinland-Pfalz- Malu Dreyer, die an diesem Mittwoch zur neuen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin gewählt werden soll, wird sich in der Hauptstadt in ihrem neuen Amt erst noch behaupten müssen. Dabei ist die 51-Jährige auf dem Berliner Parkett durchaus kein unbeschriebenes Blatt.

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Berlin/Rheinland-Pfalz – In der letzten Bundesratssitzung vor der Weihnachtspause hatte Kurt Beck (SPD) im Bundesrat in Berlin seinen letzten großen Auftritt. Viele anerkennende Worte gab es parteiübergreifend für den langjährigen rheinland-pfälzische Regierungschef. Mit Beck verlässt auch ein bundesweit bekanntes, politisches Schwergewicht die Berliner Bühne. Malu Dreyer, die an diesem Mittwoch zur neuen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin gewählt werden soll, wird sich auch in der Hauptstadt in ihrem neuen Amt erst noch behaupten müssen. Dabei ist die 51-Jährige auf dem Berliner Parkett durchaus kein unbeschriebenes Blatt.

Seit sie im Mai 2001 das Riesen-Ressort Gesundheit, Soziales, Arbeit und Demografie in Rheinland-Pfalz übernommen hat, hat die als durchaus machtbewusst geltende Juristin sich bei vielen Weggefährten auch außerhalb der Landesgrenzen einen guten Ruf erworben. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) schwärmt geradezu von Dreyer: „Sie hat bei der Gesundheitsreform eine ganz entscheidende Rolle gespielt. Sie ist die Sozialministerin, die am längsten im Amt ist, mit einer unheimlichen Kompetenz und Durchsetzungsstärke.“ Schmidt und Dreyer haben eng zusammen gearbeitet. „Sie war bei den gesamten Gesundheitsverhandlungen zwischen Bund und Ländern dabei“, erzählt Schmidt im Gespräch mit unserer Zeitung. Und fügt hinzu, dass „sogar Horst Seehofer“ vor Malu Dreyer Respekt habe. Inhaltlich sieht Schmidt vor allem beim Thema Pflege große Verdienste der jüngeren Kollegin aus Rheinland-Pfalz. „Die Pflegeversorgung in Rheinland-Pfalz trägt ihre Handschrift. Dieses Niveau wird von allen anderen Bundesländern nicht erreicht“, meint Schmidt.

Guten Draht zu Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier

Auch in der SPD-Führung kennt man sich. Malu Dreyer schätzt Sigmar Gabriel, an dessen Rentenkonzept sie mitgearbeitet hat, und auch ihr Verhältnis zu Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gilt als vertrauensvoll. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und die Sozialpolitikerin hatten bisher allerdings wenige Berührungspunkte. Sie kennen sich kaum persönlich. Dreyer, die in der Politik häufig einen Mangel an Empathie beklagt, wurde jedenfalls kürzlich im „Focus“ mit den Worten zitiert, dass dem Kanzlerkandidaten etwas mehr Leidenschaft nicht schaden könnte.

Einen besseren Draht soll Dreyer schon jetzt zur nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft aufgebaut haben. Manche politische Beobachter in Berlin sehen sogar schon eine neue weibliche Machtachse der SPD im Südwesten entstehen. So weit will Generalsekretärin Andrea Nahles (SPD) zwar nicht gehen. „Die Beziehungen zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind ja naturgemäß schon immer sehr eng gewesen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sich das Verhältnis mit Hannelore Kraft und Malu Dreyer noch intensiviert“, sagte Nahles. Mit Malu Dreyer würden dann insgesamt vier der 16 Bundesländer von Frauen geführt. „Vielleicht können zwei hervorragende, engagierte Ministerpräsidentinnen auch anderen jungen Frauen im Südwesten Mut machen, sich politisch zu engagieren“, meint die SPD-Generalsekretärin.

Die neue rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin wird in Berlin jedenfalls „keine Vorstellungsrunde machen müssen“, ist Andrea Nahles überzeugt. Seit Jahren koordiniert Dreyer die Sozialpolitik der SPD-geführten Bundesländer. Kurt Beck hatte als Ministerpräsident die SPD-Politik der Länder insgesamt gebündelt und nach außen vertreten. Die „Beck-Runden“ im Keller der rheinland-pfälzischen Landesvertretung am Vorabend der Bundesratssitzungen galten in Berlin stets als wichtiger Treffpunkt und Verhandlungsort für Entscheidungen. Diesen einflussreichen Posten unter den SPD-Ministerpräsidenten hat jedoch nun Hannelore Kraft von Beck übernommen – und nicht Malu Dreyer. In der Landesvertretung kann man das nachvollziehen, weil die neue Ministerpräsidentin sich im Land ins neue Amt einarbeiten muss. Einen Bedeutungsverlust für die rheinland-pfälzische Politik in Berlin bedeutet der Wechsel zu Kraft dennoch. Davon, dass die frühere Bürgermeisterin von Bad Kreuznach an der Nahe mittelfristig aber auch in Berlin Politik machen will, sind Beobachter, die sie länger kennen, durchweg überzeugt. Manche etwa könnten sich vorstellen, dass Dreyer etwa beim Thema älter werdende Gesellschaft auch bundespolitisch Akzente für die SPD setzen wird.

Schwere Berliner Zeiten von Kurt Beck miterlebt

Mindestens ein Jahr jedoch, davon gehen viele aus, werde sie brauchen, um sich im Land ins neue Amt der Ministerpräsidentin einzufinden. Als langjährige Wegbegleiterin Kurt Becks hat sie miterlebt, wie rasch man tief fallen kann. Beck, 2006 nach seinem fulminanten Wahlergebnis in Rheinland-Pfalz zum SPD-Bundesvorsitzenden gewählt, zog sich zwei Jahre später tief gekränkt nach einer parteiinternen Intrige gegen ihn aus der Bundesspitze der Partei zurück. Malu Dreyer wird das nicht vergessen haben.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann