Plaidt/Berlin

Liberale Basis fordert glaubwürdige Politik

FDP kämpft mit schlechten Umfragewerten.
FDP kämpft mit schlechten Umfragewerten. Foto: Jens Weber

Diese Häme. Wenn nur diese Häme nicht wäre. Dann wären die schlechten Umfragewerte für die FDP nur ein Stimmungstief, durch das Werner Fleischer vom FDP-Kreisverband Mayen-Koblenz in seinen vielen Jahren als Liberaler schon häufiger mit seiner Partei geschritten ist.

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Plaidt/Berlin – Diese Häme. Wenn nur diese Häme nicht wäre. Dann wären die schlechten Umfragewerte für die FDP nur ein Stimmungstief, durch das Werner Fleischer vom FDP-Kreisverband Mayen-Koblenz in seinen vielen Jahren als Liberaler schon häufiger mit seiner Partei geschritten ist.

„Diese Häme tut uns weh, weil sie die FDP an sich trifft. Viele freuen sich, dass wir darnieder liegen und nicht mehr hochkommen. Mit ihrer Häme meinen sie aber eigentlich nur die Profis in Berlin. Doch sie treffen uns Ehrenämtler“, sagt Fleischer, der seit vielen Jahren im Kreistag von Mayen-Koblenz sitzt. Satte 17,7 Prozent haben die Liberalen in dem Landkreis bei den Bundestagswahlen 2009 geholt. „In einigen Gemeinden hatten wir sogar mehr Stimmen als die Sozialdemokraten“, erinnert er sich. Zwei Jahre Schwarz-Gelb in Berlin später folgte der tiefe Fall: Von 20 349 Zweitstimmen bei der Bundestagswahl stürzten die Liberalen in Mayen-Koblenz bei der Landtagswahl auf 4068 Stimmen ab – von 17,7 auf 4,2 Prozent. Raus aus dem Landtag, rein ins tiefe Tal bei den Demoskopen, auf dem Weg zur Splitterpartei. Quo vadis, FDP?

Verbitterung hat der schwere Absturz der Partei bei den Liberalen in Andernach, Mayen oder Bendorf nicht hinterlassen. „Wir haben keine Fehler gemacht, die werden woanders gemacht“, sagt Fleischer. Und Schatzmeister Torsten Rissmann, der dem Verbandsgemeindeverband Pellenz vorsteht, ergänzt: „Wir sind ein funktionierender Kreisverband mit 220 Mitgliedern. Es gab zuletzt wenige Austritte. Einige sind sogar in die FDP eingetreten.“ Doch Urgesteine wie Werner Fleischer wissen: „Die Bevölkerung unterscheidet zwar zwischen Profis und Basis. Aber wir werden nicht nur als Kreisverband wahrgenommen, sondern auch als Partei.“

Ihr Ruf beim Wähler ist nicht gut. Das wissen alle, die sich in Plaidt versammelt haben, um einen zu hören, den sie schätzen, weil er das Reden und das Handeln bei der FDP wieder in Einklang miteinander bringen will: Frank Schäffler, Kritiker der Euro-Rettungsfonds und Initiator eines Mitgliederentscheids gegen den dauerhaften Rettungsschirm ESM. Schäffler ist ihr Hoffnungsträger, weil er verspricht, der FDP einen Neustart zu verschaffen, um an den Wahlurnen wieder zu punkten. „Unser Kernproblem ist“, sagt Rissmann, „dass wir Versprechungen in der praktischen Politik nicht umgesetzt haben. Das fällt uns jetzt auf die Füße. So verliert man an Glaubwürdigkeit. Und das ist in der Politik das Wichtigste.“

Koalitionsvertrag als Ursünde

Der verkorkste Koalitionsvertrag mit der Union und das erste halbe Jahr der Regierung Merkel bleiben für die FDP-Basis die Ursünde der jüngeren Parteigeschichte. „Ich verstehe nicht, warum unsere Spitzenpolitiker nicht in der Lage sind, einen vernünftigen Koalitionsvertrag so auszuhandeln, dass er belastbar ist und hält“, sagt FDP-Kreischef Oliver Engels. Er selbst arbeitet im Kreistag als Fraktionschef zusammen mit der CDU in einer Art Koalition – problemlos und ohne dass die FDP ihr Profil verliere. Engels versteht nicht, warum dies nicht auch in Berlin gelingen kann.

Fleischer schimpft: „Da werden bis heute handwerkliche Fehler gemacht. Das darf Profis nicht passieren.“ Wenn sich etwa Parteichef Philipp Rösler mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf Steuersenkungen einigt, dabei aber CSU-Chef Horst Seehofer übergeht. Für Engels' Vorstandskollegin Jutta Schützdeller hat der Absturz der FDP auch etwas damit zu tun, dass sie der Union selten die Grenzen aufgezeigt hat: „Nein zu sagen, bedeutet nicht zugleich, die Koalition aufzugeben. Unser Programm ist gut. Wir müssen es nur umsetzen.“

Hat er noch das Ohr an der Basis? FDP-Chef Philipp Rösler.
Hat er noch das Ohr an der Basis? FDP-Chef Philipp Rösler.
Foto: dpa

Führung soll die Basis mitnehmen

Nach zwei Jahren Schwarz-Gelb mit vielen Niederlagen für die Liberalen steht für Oliver Engels fest, dass diejenigen, die den Karren in den Dreck gefahren haben, ihn auch wieder rausholen müssen: „Den Stimmungswechsel müssen die da oben schon selbst hinbekommen.“ Doch dabei, mahnt sein Vorstandskollege Hans-Josef Roth, sollte die Parteiführung endlich mal die Basis mitnehmen. „Wir haben das Ohr an der Stimme der Bevölkerung. Wir wissen, was ihr unter den Nägeln brennt.“ Damit dies aber auch die Parteiführung erreicht, sollte sie aus Sicht Roths Schluss machen mit Parteitagen als „Jubelveranstaltungen, bei denen man sich selbst beklatscht, aber inhaltliche Diskussionen aus Termingründen nach hinten stellt“. Wie etwa beim Sonderparteitag am nächsten Wochenende in Frankfurt, sagt Torsten Rissmann: „Die Debatte über das Grundsatzprogramm wurde auf einen halben Tag reduziert. Dabei kann ja nichts rauskommen.“

Doch womit kann die FDP künftig noch punkten? Werner Fleischer fällt das liberale Sparbuch ein, mit dem die Partei in Zeiten von Euro-Krise und Schuldenkrise genau richtig liegen würde. „Wenn ich Politiker in Berlin wäre“, sagt Kreischef Engels, „dann würde ich die Mehrwertsteuerproblematik anpacken und alle Ausnahmen abschaffen. Da gibt es doch über die Parteigrenzen hinaus große Einigkeit.“ Dass ausgerechnet die FDP – zusammen mit der CSU – mit der Hotelsteuer eine weitere Ausnahme geschaffen hat, wurmt die liberale Basis sehr. Noch mehr ärgert sie, dass die Partei seitdem bei Journalisten als Klientel- und Mövenpick-Partei verschrien ist.

Für Jutta Schützdeller hat dies aber auch viel mit der Person Guido Westerwelle zu tun. „Wer so arrogant auftritt und den Journalisten zuruft, dass sie ihm den Schneid nicht abkaufen werden, über den lacht man, wenn er hinfällt. Wer aber als Mensch auftritt und dann stolpert, dem hilft man wieder auf.“ Und den überschüttet man wohl auch nicht mit Häme.

Von unserem Redakteur Christian Kunst