Kommentar: Papier-Hochzeit

Von Markus Kratzer

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Heute vor genau einem Jahr wurden Angela Merkel und Guido Westerwelle von Wählers Gnaden beauftragt, den Bund des Regierens einzugehen. Ob Schwarz-Gelb aber heute wirklich zum Feiern zumute ist, darf bezweifelt werden. Viele sehen in der selbst propagierten Berliner Liebesheirat schon jetzt einen Fall für den Ehetherapeuten.Wohlwollender formuliert könnte man den frisch Angetrauten zum Jahrestag „noch nicht ganz ausgeräumte Unstimmigkeiten“ ins Regierungsstammbuch schreiben.

Der Volksmund nennt den ersten Hochzeitstag gern Papier-Hochzeit. Doch auch wenn die Tinte unter dem Koalitionsvertrag noch nicht lange trocken ist, musste das Papier bereits jeder Menge Belastungen stand halten. Die von den Liberalen als unumstößlich ausgehandelten Entlastungen der Bürger wurden durch die Euro- und Finanzkrise geschluckt. Der Ausstieg aus dem Atomausstieg und Steuererleichterungen etwa für die Hotelbranche brachten der Koalition den Vorwurf der Klientelpolitik ein. Das Sparpaket mit einer deutlichen Tendenz zur Belastung der sozial Schwächeren verstärkte diesen Eindruck ebenso wie die bald steigenden Krankenkassenbeiträge und die geplante, bescheidene Anhebung der Hartz-IV-Sätze.

Die Regierung Merkel hat ein Image-Problem, das sie schnell in den Griff bekommen muss. Sonst dürften nach der Niederlage in Nordrhein-Westfalen die Landtagswahlen im Frühjahr 2011 nicht nur zur Bewährungsprobe für die Herren Haseloff und Mappus sowie für Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz werden, sondern auch für den Fortbestand von Schwarz-Gelb in Berlin.