Iran: Land der begrenzten Möglichkeiten

Vor dem Atomabkommen wurde dem Iran jeden Tag eine Tür zugeschlagen, inzwischen öffnet sich täglich eine: So stellt es zumindest Präsident Hassan Ruhani dar. Die für ihn wichtigen Investitionen aus dem Ausland lassen aber weiter auf sich warten – das könnte seine Wiederwahl gefährden.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Theoretisch ist der Iran ein Jahr nach dem Abkommen mit dem Westen ein Land voller Möglichkeiten – aber wirklich zählbare Erfolgserlebnisse gibt es im Alltag bislang kaum. Die Islamische Republik wartet auf den Startschuss für brummende Geschäfte und das Ende ihrer politischen Isolation. Resa Modudi, Vizechef der Handelsorganisation, geht langsam die Geduld aus: „Der Westen hat uns zwar eine Telefonnummer gegeben, nimmt aber nie den Hörer ab“, sagt er. Nach dem historischen Atomabkommen wollen zwar fast alle westlichen Länder, selbst der Erzfeind USA, mit dem Iran wieder lukrative Geschäfte machen. Doch zu konkreten Abschlüssen kommt es bislang nicht, weil die europäischen Großbanken sie noch nicht finanzieren. Die Weigerung der Banken gründet auf einigen US-Sanktionen, die außerhalb des Atomabkommens immer noch in Kraft sind.

Irans Meinung gewinnt an Gewicht

In den vergangenen zwölf Monaten gab es zahlreiche Verhandlungen mit Wirtschaftsvertretern, aber bis jetzt wurde kein einziger Vertrag unterschrieben. „Die Verhandlungen mit den westlichen Delegationen bringen ja nichts, solange es keine Bankverbindungen gibt“, beklagt der stellvertretende Zentralbankchef Gholam-Ali Kamjab.

Irans Präsident Hassan Ruhani wählt naturgemäß deutlich positivere Worte für den von ihm zu verantwortenden Zwischenstand: „Wir sind zwar noch nicht am finalen Ziel angekommen, haben mit dem Abkommen aber auch schon viel erreicht“, sagt er.

Das gilt vor allem für die Außen- und Innenpolitik, aber auch da nur teilweise. Bei der Parlamentswahl im Februar konnte sich das Ruhani-Lager, besonders in der Hauptstadt Teheran, klar gegen die Hardliner und Kritiker des Abkommens durchsetzen. Zudem ist Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif durch den Deal wieder ein gefragter Ansprechpartner – nicht nur für die Europäische Union, sondern auch für die USA. Besonders im Syrien-Konflikt und dem damit verbundenen Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben die iranische Meinung und die Zusammenarbeit mit Teheran wieder an Gewicht gewonnen.

Aber Ruhani hatte dem Land nach dem Wiener Atomabkommen vom Juli 2015 vor allem ein schnelles Ende der Wirtschaftskrise im Iran versprochen, deren Ursache die Sanktionen sind. Vor allem Investitionen aus dem Ausland hätten dem Land die Modernisierung der Infrastruktur und damit auch die dringend notwendigen neuen Arbeitsplätze ermöglichen sollen. Doch nichts davon ist bislang eingetreten.

Ein Beispiel hierfür ist die iranische Großbestellung von 118 Flugzeugen beim Flugzeugbauer Airbus. „Wir verhandeln zwar seit Monaten mit Airbus, aber ein endgültiger Vertrag ist wegen der Bankprobleme noch nicht unterzeichnet“, sagt Infrastrukturminister Abbas Achundi. Alles soll bereits geregelt sein, da aber das Geld noch nicht überwiesen werden darf, wird auch noch nichts geliefert.

Zehn Monate vor der Präsidentenwahl machen Irans Hardliner unter anderem auch mit dieser Problematik Stimmung gegen Ruhani. Den wirtschaftlichen Teil der Kritik können auch die treuesten Anhänger des Staatschefs nicht abstreiten. Die Regierung versucht aber, das Problem weiterhin schönzureden. Der Ölexport, die Haupteinnahmequelle des Landes, laufe ja wieder, sagen sie. Und auch die Inflation ist von 40 auf unter 10 Prozent gefallen.

Ahmadinedschad steht bereit

Schuld daran sind, so die einhellige Meinung in Teheran, die Amerikaner. Die hätten den Banken noch kein grünes Licht gegeben. Falls das Geduldsspiel bis Ende des Jahres nicht beendet ist, könnte es nach Einschätzung von Experten innenpolitische Konsequenzen haben. „Für Ruhani ist das Atomabkommen de facto seine Arbeitserlaubnis“, sagt ein iranischer Politologe. Ohne einen wirtschaftlichen Erfolg wäre seine Wiederwahl gefährdet und die Rückkehr der Hardliner um Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei der Präsidentenwahl 2017 möglich. Ahmadinedschads Anhänger vertreten außenpolitisch eine konfrontativere Linie und könnten die mühsam errungenen Teilerfolge Ruhanis rasch wieder zunichtemachen.

Ahmadinedschad steht jedenfalls schon bereit, um diese Notlage zu seinen Gunsten auszunutzen, warnt ein ausländischer Diplomat. Auch wenn unter Präsident Ruhani längst nicht alle innen- und außenpolitischen Probleme behoben wurden, wäre eine Rückkehr des Populisten Ahmadinedschad für die EU und die USA „die definitiv schlechteste Option“, meint der Diplomat.

Von Farshid Motahari