Grünes Wirtschaften für Blauen Planeten

Wie können wir unsere Umwelt retten? Das fragen sich mehr als 100 Staats- und Rgeierungschefs ab Mittwoch in Rio de Janeiro.
Wie können wir unsere Umwelt retten? Das fragen sich mehr als 100 Staats- und Rgeierungschefs ab Mittwoch in Rio de Janeiro. Foto: Svenja Wolf

Rio de Janeiro. Die Ziele sind gewaltig. Zum Nachhaltigkeitsgipfel „Rio+20“ der Vereinten Nationen werden von Mittwoch bis Freitag mehr als 100 Staats- und Regierungschefs in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro erwartet. Wieder einmal fragen sie sich nichts geringeres als: „Wie können wir die Umwelt retten?“

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Rio de Janeiro – Die Zielsetzung klingt gewaltig: der gemeinsame Entwurf einer Vision für eine gesündere und gerechtere Welt. Zum Nachhaltigkeitsgipfel „Rio+20“ der Vereinten Nationen werden von Mittwoch bis Freitag mehr als 100 Staats- und Regierungschefs in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro erwartet.

Auch Zehntausende Aktivisten wollen anreisen. Wegen der Euro- und der Schuldenkrise wird die große Konferenz wohl aber kaum an die Aufbruchstimmung der Umwelt- und Entwicklungskonferenz von 1992 in Rio anknüpfen können.

Der Nachhaltigkeitsgipfel soll die Weichen für ein „grünes Wirtschaften“ stellen, damit der Raubbau an der Natur beendet, die weltweite Armut gelindert und die Erde für künftige Generationen gerettet wird. Doch schon beim Konzept dieser „Green Economy“ beginnt der Zwist: Ist ein ökologisches Wirtschaftswunder überhaupt möglich? Während viele Unternehmer auf „grünes Wachstum“ mithilfe der Umwelttechnik hoffen, plädieren Entwicklungsexperten, Umweltschützer und Kirchen für Grenzen des materiellen Wohlstands. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, wirbt für eine „Ethik des Genug“.

Gemeinsam wollen die Regierungspolitiker in Rio eine Erklärung verabschieden. Überschrift: „Die Zukunft, die wir wollen“ – weitere Passagen sind allerdings noch strittig. Es fehlt an Einsicht und echter Reformbereitschaft. Die Industrienationen treibt die Angst vor einer Rezession um. Die Entwicklungs- und Schwellenländer befürchten, dass der Norden die „Green Economy“ zum Vorwand nimmt, seine Märkte abzuschotten, Klimazölle zu verlangen und ihnen Umwelttechnik teuer zu verkaufen.

Sogar der sonst stets optimistische Umweltexperte Klaus Töpfer sorgt sich, weil die Finanzkrise die Aussichten auf Erfolg für die Rio-Konferenz dramatisch verschlechtert habe. „Wir leben ökologisch und ökonomisch über unsere Verhältnisse“, sagt der frühere Bundesumweltminister (CDU) und ehemalige Leiter des UN-Umweltprogramms. Aber Konsumverzicht allein, ohne ein kluges Konzept, reicht seiner Ansicht nach nicht aus. „Es gibt auch bei uns immer mehr Arme, bei denen der Rat, weniger zu konsumieren, reiner Zynismus wäre“, sagte Töpfer in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“.

Der Ökonom Reinhard Loske bedauert, dass die „Wachstumsideologie“ gerade wieder als Allheilmittel zur Lösung der Finanzkrise Furore macht. Klimaschutz also nur, wenn er dem Wachstum dient? Manche Aktivisten halten die Zauberformel „Green Economy“ für geradezu gefährlich, weil sie ungehemmten Kapitalismus im grünen Gewand rechtfertigen kann. Unternehmerverbände warnen dagegen, dass der Verzicht auf Wachstum in die Armut führe. Und auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) warnt vor Kapitalismusschelte und Wachstumsskepsis: Die nachlassende Nachfrage der Industrieländer würde ja auch den armen Ländern schaden.

Niebel wird Deutschland zusammen mit dem neuen Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) beim Gipfel in Rio vertreten. Dass „Klimakanzlerin“ Angela Merkel (CDU) absagte, sorgte im In- und Ausland für große Enttäuschung, zumal Deutschland sich seit 1992 stets als Vorreiter in Sachen Umweltschutz auf der internationalen Bühne präsentiert hat. So auch auf der Folgekonferenz 2002 im südafrikanischen Johannesburg, zu der der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) reiste und einen Fonds für erneuerbare Energien gründete.

Das Fördern von Energieeffizienz und „Green Economy“ reicht Umwelt- und Entwicklungsexperten aber nicht aus, wenn nicht gleichzeitig auch absolute Grenzen gesetzt werden. Denn die Erde und ihre natürlichen Reichtümer sind endlich. „Heute muss die Atmosphäre als globales Gemeingut betrachtet werden“, sagt Ottmar Edenhofer, der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. „Und dessen Management ist eine ökonomische Herausforderung, aber auch eine Frage globaler Gerechtigkeit.“

Von Elvira Treffinger