Generation Y: Was für die jungen Leute wirklich zählt

Warum ist das, was mein Chef fordert, richtig? Warum kann meine Karriere nicht mit Spaß und Familie vereinbar sein? Warum muss ich eine 40-Stunden-Woche haben? Solche Warum-Fragen stellen sich viele Menschen – aber ganz besonders die der Generation Y. Der vorletzte Buchstabe des Alphabets wird bei diesem Begriff englisch, also wie das Wort „Why“ (Wei), ausgesprochen: Warum.

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Von unserer Reporterin Sabrina Rödder

Die Menschen, die im Zeitraum von etwa 1980 bis 1999 geboren wurden, gehören zu dieser Generation. Unternehmer, Arbeitgeber und Händler müssen sich auf diese Menschen einstellen, falls sie es noch nicht getan haben – und sich auch an sie gewöhnen. Das wurde jetzt beim fünften Branchenforum Handel auf der Festung Ehrenbreitstein deutlich – organisiert von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz. 350 Gäste hörten hier den Vortrag der promovierten Psychologin Steffi Burkhart, bekamen Tipps und Tricks, wie sie junge Menschen sowohl als Mitarbeiter als auch als Kunden gewinnen können.

Denn anders als die Menschen vor ihrer Zeit, die heimatgebunden, statusorientiert und abhängig waren, will die Generation Y weltoffen, selbstbestimmt und unabhängig sein. Die Generation Y, kurz: Gen Y, weiß, dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Deutschlands Wiedervereinigung und auch die digitale Entwicklung erlebte sie mit.

Wie tickt die Gen Y?

Die Gen Y lebt Multigrafien, also Zickzacklebensläufe, statt Biografien – ein Abiturient studiert Sport, eröffnet aber Mitte 30 seinen eigenen Friseursalon; eine junge Frau mit Mittlerer Reife geht den Weg über die Fachhochschule und landet letztlich im Vorstand bei Lufthansa. Das Informations-, Kommunikations-, Beziehungs- und Kaufverhalten der Gen Y unterscheidet sich maßgeblich von dem der vorherigen Generationen. „Der Generation Y ist Work-Life-Balance wichtig – sie möchte genügend Freizeit anstatt das große Geld“, sagt Hildegard Kaefer, IHK-Vizepräsidentin.

Unternehmen müssen sich fragen, in welchen Lebenswelten sich die Generation Y herumtreibt und versuchen, in diese einzudringen – auch mit Blick auf den immer größer werdenden Fachkräftemangel. Trainerin und Autorin Burkhart, die mit 31 Jahren selbst zur Gen Y gehört, macht das an einem Beispiel fest: Als sie eine Seminargruppe junger Leute darum bat, in Köln ansässige Unternehmen zu nennen, fielen Konzernnamen wie Apple, BMW und Mc Donald's. Die jungen Leute konnten keine einzige regionale Firma nennen. Zu erklären sei dies damit, dass kleine als auch große regionale Unternehmen die Wichtigkeit des Aufmerksamkeitserregens (noch) nicht erkannt haben.

Online für Offline verabreden

Eine Lebenswelt der Gen Y sind die sozialen Medien: „Sie verabredet sich online, um offline einen Burger zu essen“, erklärt Burkhart. Genau das sollte genutzt werden. Unternehmen können auf Facebook, Instagram, Twitter und Snapchat Werbung für ihr Geschäft machen – also dort, wo sich ohnehin die meisten Leute herumtreiben. Kombinieren Unternehmen dies mit Trends wie dem derzeitigen Pokémonhype, erreichen sie die Gen Y noch besser. Dabei ist es mehr oder weniger unbedeutend, ob das Unternehmen selbst den Trend befürwortet oder nicht. Viel wichtiger ist es, was es daraus macht. „Kommt mittwochs bei mir in den Burgerladen, und ihr könnt gemeinsam auf Pokémonjagd gehen!“, schreibt ein Bekannter von Steffi Burkhart auf Facebook. Soziale Kanäle nutzen, kostet nicht viel Geld. Wer hier aktiv auf Blogger zugeht, also auf Personen, die eine große Reichweite im Internet haben, kann mit diesen sogar zusammenarbeiten.

Wer glaubt, dass der regionale Einzelhandel keine Chance mehr gegen Onlineversandhändler hat, liegt falsch. Denn der Ropo-Trend („Research Online and Purchase Offline“) zeigt, dass die Gen Y zwar oftmals online sucht, aber offline kauft. Wer es schafft, Erlebniswelten zu kreieren, der zieht sehr wohl Kunden in sein Geschäft. Nach wie vor ist den Menschen die persönliche Beratung wichtig, die es digital nicht gibt. Kunden erhalten dabei ein regelrechtes Komplettpaket, wenn sie das neue Paar Laufschuhe nicht nur anschauen, anfassen und für zwei kurze Spaziergänge durchs Sportgeschäft anprobieren dürfen, sondern sogar auf dem Laufband testen können. Mehr Service geht nicht.

Trend: Analoge Lebenswelten

Neben den Erlebniswelten gibt es weitere Trends wie die Pop-up-Stores: Geschäfte poppen für einige Tage oder Wochen irgendwo auf und verschwinden wieder. Händler können auf diese Weise leer stehende Räume meist günstig für den Verkauf ihrer Produkte nutzen und gerade bei nur kleinem Budget testen, wie die neue Kollektion bei den Verbrauchern ankommt. Auch Augmented Reality gehört zu den Neuerungen. Die Realitätswahrnehmung wird hierbei computergestützt erweitert: Kunden können sich durch eine visuelle Darstellung auf dem Smartphone oder Tablet die neue Lesebrille aufsetzen und sich das neue Fernsehsofa ins Wohnzimmer stellen, um zu sehen, ob es von der Größe her passt.

„Gen-Y-Kunden anziehen – das können Unternehmen am besten mit der Gen Y selbst. Somit sollten Betriebe auf junge Mitarbeiter setzen“, sagt Arne Rössel, IHK-Hauptgeschäftsführer. Und wie gewinnt ein Betrieb junge Mitarbeiter? Für Burkhart gibt es da einige Punkte, die ein Unternehmen beachten sollte: „Junge Leute wollen sich unabhängig von Titel, Alter und Position auf Augenhöhe mit ihren Kollegen austauschen.“ Zudem wollen sie bei Entscheidungen mit eingebunden werden. Die Unternehmer sollten außerdem Fragen stellen und – ganz wichtig – zuhören, wenn die jungen Kollegen antworten. Auch sollte sich ein Unternehmen von angestaubten Ritualen befreien, die sich mit der Zeit angesammelt haben.

Der Kunde als Co-Produzent

Der Y-Kunde ist technisch affin, will Ad-hoc-Lösungen, fordert Authentizität und will sogar Koproduzent sein – sich zum Beispiel Farbe und Design der Schuhe selbst zusammenstellen, die er sich kaufen möchte. Somit strebt er also nach Individualität. Früher war es bei einem neuen Produkt der klassische Weg, es analog zu produzieren. Heute ist es so, dass ein Unternehmen das Produkt, wie es später einmal aussehen soll, auf einer Internetseite platzieren kann. Erst wenn genug Leute sagen, dass sie das Produkt so kaufen würden, wird es produziert.

Dass das Verhalten der Gen Y Fluch und Segen zugleich ist, darauf müssen sich Unternehmen einstellen, falls sie es noch nicht getan haben. Denn auch bei den kommenden Generationen scheint sich die Denkweise nicht zu ändern. Die Generation Z – also Menschen jünger als 20 Jahre – sind nicht weniger kompliziert. Ob sie nach Feierabend noch E-Mails lesen wollen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

Psychologin Dr. Steffi Burkhart.
Psychologin Dr. Steffi Burkhart.
Foto: Sabrina Rödder

Die verschiedenen Generationen: Was sie denken, was sie wollen

Von Generation Golf über Generation Praktikum bis hin zu Generation Maybe – Personen eines jeden Alters lassen sich einer bestimmten Generationengruppe zuordnen. Aber auch die Verhaltensweisen spielen bei der Klassifizierung eine nicht unbedeutende Rolle. Vor 20 Jahren war der Begriff Generation Beziehungsunfähig wahrscheinlich noch nicht niedergeschrieben – wenn überhaupt schon in den Köpfen der Menschen. Michael Nast geht in seinem Werk genau auf diese Generation ein, man könnte fast von Spezies sprechen. Hier ist eine Auswahl weiterer Generationenbücher, in denen sich die Autoren mit typischen Schlagwörtern der vergangenen Jahre beschäftigen:

Generation X: Fast schon ein Romanklassiker des kanadischen Autors Douglas Coupland von 1991 über Menschen, die sich überqualifiziert mit schlecht bezahlten Jobs durchschlagen.

Generation Golf: Das ist die deutsche Ausprägung der Generation X. In dem Buch von 2000 beschreibt Florian Illies Wohlstandskinder aus der Vorstadt der Jahrgänge 1965 bis 1980, also Kinder der Kanzler-Ära Helmut Kohl.

Generation Y: Y folgt X. Im Buch „Die heimlichen Revolutionäre: Wie die Generation Y unsere Welt verändert“ schreiben Klaus Hurrelmann und Erik Albrecht, dass sich die ab Mitte der 80er-Jahre Geborenen dem Leistungsdenken verwehren – und lieber Glück als Geld suchen.

Generation Praktikum: Seit 2005 ein Begriff für junge Leute, die sich mit schlecht bis gar nicht bezahlten Jobs durchschlagen und daher ein ungesichertes Leben haben und keine feste Lebensplanung auf die Reihe kriegen.

Generation Ally: In dem Buch von 2002 geht die Journalistin Katja Kullmann den Problemen der Frauen auf den Grund, die als erste Personen direkt von der Frauenbewegung der 70er-Jahre profitierten und mit hohen Ansprüchen an sich selbst hadern. Vorbild für die etwa um 1970 Geborenen war damals die Hauptfigur aus der US-Kultserie „Ally McBeal“.

Generation Maybe: Oliver Jeges beschreibt in seinem Buch von 2014 eine Gruppe von jungen Leuten, die in der Multioptionsgesellschaft zwischen Wohlstand und Existenzängsten schwankt – die Ypsiloner als Vielleicht-Sager, Zögerer, Zauderer und Gruppe ohne Eigenschaften.

Generation Porno: In dem im Jahr 2010 erschienenen Buch „Generation Porno: Jugend, Sex, Internet“ geht der Autor Johannes Gernert einer angeblich vom Internet sexuell verrohten Kohorte nach – der sogenannten Generation Porno.