G 20-Gipfel: China bereitet der Weltpolitik eine große Bühne

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat den roten Teppich für die Staatenlenker der G 20 ausgerollt und inszeniert schon den Empfang wie in Hollywood – hier mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die Europäer aber gehen in wichtigen Fragen uneinig in den Gipfel. Foto: dpa
Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat den roten Teppich für die Staatenlenker der G 20 ausgerollt und inszeniert schon den Empfang wie in Hollywood – hier mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die Europäer aber gehen in wichtigen Fragen uneinig in den Gipfel. Foto: dpa

Unsere Berliner Korrespondentin Eva Quadbeck ist in China und berichtet von dort über Neuigkeiten und Entwicklungen beim G 20-Gipfel. Eine erste Einschätzung.

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Es ist eine Inszenierung wie in Hollywood. Zur Eröffnung des G 20-Gipfels werden die Staatenlenker aus aller Welt einzeln in Limousinen vorgefahren, schreiten allein den roten Teppich ab, bevor Chinas Staatspräsident Xi Jinping sie kameratauglich in Empfang nimmt. Ins Pressezentrum wird die streng abgeschirmte Prozedur auf eine große Leinwand übertragen.

Die chinesischen Kollegen verfolgen das Schauspiel wie ein Sportevent. Sie bekunden Achtung für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, ebenso für Recep Tayyip Erdogan, lachen, als sich Xi lebhaft mit Angela Merkel unterhält, und halten kurz die Luft an, als US-Präsident Barack Obama kommt.

Beim erneuten Defilee am Abend wird Obama im Pressesaal sogar kurz ausgebuht. Denn noch vor Start des Gipfels gab es einen diplomatischen Eklat. Die chinesische Staatsführung verbat sich Kritik des amerikanischen Präsidenten Obama am Vorgehen der Chinesen im Südchinesischen Meer. Derzeit besetzen die Chinesen dort unbewohnte Inseln und bauen Militärstationen auf, was zu erheblicher Unruhe im asiatischen Raum führt. Als Obama in Hangzhou landete, wurde ihm der rote Teppich beim Ausstieg aus der Air Force One verweigert. Er musste über eine selten genutzte hintere Tür des Flugzeugs chinesischen Boden betreten. Als die amerikanische Presse dies filmte und fotografierte und Obamas Leute nun die Regie übernehmen wollten, kam es zu einer Rangelei zwischen den Delegationen der Amerikaner und der Chinesen. Obama räumte den Eklat hinterher mit ein paar flotten Sprüchen wieder aus.

Zeichen für den Klimaschutz

Denn China und die USA hatten noch viel vor: Mit der gemeinsamen Ratifizierung des Weltklimaabkommens setzten sie ein lang ersehntes Zeichen. Die anderen führenden Industrie- und Schwellenländer versprachen, dem Beispiel zu folgen. Das Abkommen soll möglichst noch in diesem Jahr in Kraft treten, hieß es. Die Europäer hingegen erscheinen bei diesem Gipfel nicht nur in Klimafragen unsortiert. Auch die Flüchtlingskrise, der Brexit und TTIP offenbaren einen gänzlich uneinigen Kontinent, der mit sich selbst beschäftigt ist.

Noch weiß niemand, wie der Brexit ablaufen soll. Es zeichnet sich aber schon ab, dass sich Großbritannien und der Kontinent in der Frage der Freihandelsabkommen auseinanderdividieren werden. Obwohl die britische Premierministerin Theresa May keine eigenständigen Verhandlungen für ihr Land führen darf, solange sie noch Mitglied der EU ist, dürfte sie ihre Pflöcke bereits einschlagen. Ob wiederum US-Präsident Obama seine verbleibenden Wochen nutzen wird, doch noch einmal einen Anlauf zu nehmen, um das Freihandelsabkommen TTIP mit Europa ernsthaft weiterzuverhandeln, ist fraglich. Immerhin zeigen Frankreich, Belgien, Österreich, der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine ablehnende Haltung.

Obwohl Erdogan in den vergangenen Monaten als einsamer Autokrat im Fokus der deutschen Öffentlichkeit stand, ist für die deutsche Diplomatie eigentlich Russlands Präsident Putin die härtere Nuss. Ihn wollte die Kanzlerin ebenfalls treffen. Hauptthema dürfte die Ukraine sein, wo der Waffenstillstand weiterhin nicht eingehalten wird. Auch Syrien und Putins Einflussnahme dort dürften auf die Agenda kommen. Der russische Präsident erscheint bei diesem Gipfel stärker denn je, was auch an der Schwäche der anderen liegt. Europa wirkt desolat, die USA stecken im Präsidentschaftswahlkampf, während Obamas Tage im Amt gezählt sind. Für ihn ist es der letzte G 20-Gipfel. Auch ihn wird Merkel am Rande gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande treffen.

Eigentlich geht es bei diesem Gipfel, bei dem die deutsche Kanzlerin sich von Finanzminister Wolfgang Schäuble begleiten lässt, um die Frage, wie die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer die Weltwirtschaft wieder besser in Schwung bekommen. In der ersten Arbeitssitzung wurde dazu ein Aktionsplan vereinbart, der beim G 20-Gipfel nächstes Jahr in Hamburg überprüft werden soll. Die G 20 kamen auch überein, die Weltwirtschaft nicht mit expansiver Geldpolitik, sondern vielmehr mit Strukturreformen anzukurbeln. Ein solches Vorhaben ist nach dem Geschmack der Deutschen.

Für die Kanzlerin ist der Gipfel ein schwieriger – nicht nur wegen der vielen Krisen und der schlechten Verfassung der Europäer. Sie muss sich aus Fernost zudem mit ihrer Parteiführung beraten, wie man auf die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern reagiert. Obwohl Politiker im Ausland in der Regel nicht zu innenpolitischen Fragen Stellung nehmen, will Merkel heute am Rande des Gipfels auf das Wahlergebnis eingehen.

China hat sich herausgeputzt

Mit Hangzhou hat China, das zum ersten Mal den G 20-Gipfel ausrichtet, eine Stadt ausgesucht, die für ihren wirtschaftlichen Erfolg, ihre Schönheit und ihre zutiefst chinesische Tradition bekannt ist. Schon der Seefahrer Marco Polo nannte die Stadt die schönste Chinas. Hangzhou gehört mit seiner mehr als 2200 Jahre alten Geschichte zu den Ursprüngen der chinesischen Zivilisation. Für den G 20-Gipfel wurde die Stadt mächtig herausgeputzt. Den Smog, in dem die Metropole sonst versinkt, verbannten die Chinesen generalstabsmäßig. Die Fabriken der Umgebung mussten ihre Produktion drosseln, die Hälfte der Autos darf nicht mehr fahren. Die Sicherheitsvorkehrungen sind gigantisch. Einige Restaurants und Einkaufsläden mussten schließen. Die Regierung drängte die Einwohner zum Sonderurlaub und verteilte sogar Reisegutscheine: Etwa ein Drittel der Einwohner der Neunmillionenstadt soll der Aufforderung gefolgt sein.

Ihren Wohlstand verdankt die Region ursprünglich Reis, Fisch, Tee und ab dem 7. Jahrhundert der Seide. Tee und Seide spielen auch heute noch eine Rolle. Dazu kommen traditionelle Industrie und New Economy. So hat der Internetriese Alibaba seinen Hauptsitz hier.