Franziskus: Ein Papst zum Anfassen

Und? Wie ist er denn so, der Papst?" Wer bei einer Audienz mit Franziskus dabei war, bekommt diese Frage immer wieder zu hören – von Christen wie Nichtchristen. Rund 8000 Mitglieder der katholischen Schönstatt-Bewegung hatten jetzt die Gelegenheit, Franziskus persönlich während einer Privataudienz zu erleben.

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Im Vorfeld sorgte der Papst schon für eine Überraschung: Er wollte keinen Vortrag halten, hieß es. Nein, er wollte Fragen gestellt bekommen und frei darauf antworten – auch dies zeigt den neuen Stil, der im Vatikan Einzug gehalten hat. Statt der geplanten Stunde dehnte der Papst die Audienz auf fast zwei Stunden aus – und er überraschte die Schönstätter zum Abschied: „Ich möchte euch ein Geheimnis verraten“, sagte er. Und dann erzählte er, dass auf seinem Nachttisch ein ganz bestimmtes Marienbild steht – und zwar das Marienbild der Gottesmutter von Schönstatt. Und dass er dieses Bild jeden Morgen zum Morgengebet berührt.

Ein Papst, der auf die Anwesenden zugeht – nicht nur in kleinen Anekdoten, sondern auch in seinen Antworten auf die ihm gestellten Fragen. Der nicht dogmatisch antwortet und Lehrschreiben zitiert, sondern der ganz konkrete pastorale Tipps für die Gläubigen parat hält.

Wie sieht die Zukunft der christlichen Familie aus?

Es gibt kaum ein Thema, das in der katholischen Kirche so sehr diskutiert wird wie der Umgang mit Geschieden-Wiederverheirateten. Eine Familiensynode im Vatikan soll bis Ende des nächsten Jahres neue Richtlinien erarbeiten. „Ich denke, dass die christliche Familie noch nie so angegriffen wurde wie heute“, sagte Papst Franziskus auf die erste Frage, die ihm gestellt wurde. „Wir erleben eine Krise der Familie.“ Man könne auf Prinzipien und Kirchenlehre verweisen, ja, „aber wir brauchen eine Pastoral der Hilfe, die von Mensch zu Mensch stattfindet“. Für viele sei die Ehe nur noch ein sozialer Akt, eine soziale Begegnung. Warum man nicht heiratet? Darauf würden viele mit „Ich habe kein Geld für die Feier“ antworten, sagte der Papst und beklagte, dass Ehepaare oft nur schnell-schnell kirchlich heiraten.

„Ehepaare müssen auf die Ehe vorbereitet werden“, forderte Franziskus, „schon junge Paare, die sich anfreunden, müssen persönlich begleitet werden. Sie heiraten und wissen nicht, was sie tun, sie haben eine langfristige Bindung nicht verinnerlicht.“ Wir lebten in einer Kultur des Provisoriums. „Ich habe erlebt, dass jemand Priester werden wollte – aber nur für zehn Jahre“, erzählte der Papst. Sein Schlüssel zur Hilfe: die 1:1-Begleitung der Ehepaare. „Es helfen uns keine Forderungen, es hilft uns nur die persönliche Begleitung.“

Was können wir tun, um den Glauben an die Freunde weiterzugeben?

Der Papst wünscht sich eine missionarische Kirche – aber das stellt gerade motivierte Jugendliche oft vor Probleme. Sie fühlen sich immer wieder als Außenseiter, wenn sie anderen von ihrem Glauben erzählen wollen.

„Die Kirche wächst durch Anziehung“, antwortete der Papst auf die Frage der Jugendlichen, „und Anziehung entsteht durch das persönliche Zeugnis.“ Er forderte die Jugendlichen auf: „Lebt so, dass andere Lust haben, auch so zu leben wie ihr.“ Dazu gehört, so der Papst, eine starke Christuserfahrung im eigenen Leben – nur so kann man von Christus weitererzählen.

Dabei sei es nicht schlimm, Fehler zu machen: „Wir alle sind schwach und manchmal schlechte Zeugen.“ Dann darf man, sagte der Papst, demütig um Vergebung bitten. „Vernachlässigt das Gebet nicht“, bat der Papst die Jugend. Nicht zuletzt auch dann, wenn sich Resignation breit macht, weil das missionarische Feuer keine Resultate zeigt. „Sprecht mit anderen Menschen darüber, wenn ihr Ermüdungserscheinungen spürt oder sich Bequemlichkeit im Leben breit macht“, riet der Papst.

Was ist heute die Rolle Mariens?

Ein umstrittenes Thema auch bei Katholiken: Ist Marienfrömmigkeit noch modern? Papst Franziskus hat einen ganz menschlichen Zugang zu dieser Frage. „Maria ist unsere Mutter“, antwortete der Papst. „Der Christ ist kein Waisenkind!“ Die Aufgabe der Mutter sei es, zu erziehen, zu begleiten, das Gewissen zu berühren, Reue zu wecken. „Eine Mutter kümmert sich um uns und sorgt für uns bis zum Ende des Lebens“, sagte Franziskus. „Niemand kann auf seine Mutter verzichten. Niemand ist so reif, dass er Maria nicht brauchen würde. Eine Kirche ohne Maria ist eine Kirche der Waisenkinder.“

Wie kann man Gottes Stimme in der modernen Zeit hören?

Die Frage nach Gott in der Geschichte hat schon viele Theologen und Philosophen beschäftigt. Papst Franziskus antwortet erneut nicht mit einem klugen Zitat, sondern er erzählt aus seinem persönlichen Leben – wie er Gott im Alltag findet und erlebt. „Ich bete viel und lasse mich ganz in Gott fallen“, antwortete der Papst. „Ich habe unendliches Vertrauen in den Herrn. Auch wenn ich viel Sünde erlebt habe: Er verlässt mich nicht. Und: Er wirkt Wunder durch die Menschen.“ Die Gesellschaft kann durch das Gebet verändert werden, ist der Papst überzeugt. „Seien Sie mutig! Auch im Gebet“, ermunterte Franziskus.

„Verhandeln Sie mit Gott! Wir sind oft im Gebet viel zu faul.“ Wichtig sei es, sich der Welt nicht zu verschließen und in keiner religiösen Käseglocke zu leben. „Wenn man sich der Welt verschließt und nur innerhalb der Bewegung bleibt oder innerhalb des Generalvikariats oder innerhalb der Kurie, dann kann man die Wahrheit nicht erfahren“, sagte Franziskus. „Die Wahrheit erfasst sich besser von außen als vom Zentrum her.“

Wie können normale Christen mithelfen, die Kirche zu erneuern?

Ein Lieblingswort der heutigen Katholiken ist das Wort Reform. Viele verlangen vom Papst eine Reform der Kirche – aber der Papst verlangt auch eine Reform von den Gläubigen, wie er sagt. „Die Kirche wird zuerst dadurch erneuert, dass wir uns selbst und unsere Herzen erneuern“, antwortete der Papst. „Ich bitte euch um Heiligkeit! Habt keine Angst davor!“ Ja, er sei dabei, die Kurie zu erneuern und die Strukturen der Kirche. „Das ist wichtig, aber das sind Reformen von außen. Wir müssen uns von innen her erneuern und unsere Herzen reformieren.“

Dies ginge vor allem im Gebet, sagte Franziskus. „Lassen Sie den Heiligen Geist wirken, geben Sie ihm ein Einfallstor in Ihr Leben“, bat der Papst. Und er wünschte sich, dass die Christen dies gemeinsam tun: „Schaffen Sie echte und tiefe Bindungen und Begegnungen untereinander“, sagte der Papst.