Flughafen Hahn: Ein Skandal, von dem keiner was wissen wollte

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Am Ende sind immer alle schlauer. Jetzt, wo die Staatsanwälte am Flughafen Hahn angerückt sind, gibt es nur noch Aufklärer. Alle haben schon immer ein komisches Gefühl am Hahn gehabt. Alle haben schon immer geahnt, dass die lukrativen Geschäfte in der Passagierabfertigung einen unangenehmen Geruch verströmten. Und alle haben immer nur aufklären wollen. Wenn es nur so gewesen wäre.

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Dietmar Brück kommentiert.
Dietmar Brück kommentiert.
Foto: Jens Weber

Dietmar Brück analysiert Hintergründe und landespolitische Dimension der brisanten Vorgänge am Hunsrück-Flughafen Hahn

Vielmehr erscheinen die Vorgänge am Hahn als ein Beispiel dafür, wie Kontrollmechanismen von Politik und Aufsichtsräten versagen. An dieser Stelle ist die Parallele zum Nürburgring augenfällig. Auch dort geriet eine Landesgesellschaft außer Kontrolle, witterten geschäftstüchtige Geister, dass leicht gutes Geld zu machen war – aufgrund eines löchrigen staatlichen Kontrollnetzes und eines nie versiegenden Flusses von Steuermillionen. Die verheerenden Folgen dieses Systems sind bekannt.

Parallele zum Ring

Gewinne und Verluste am Flughafen Hahn

Der Hahn, das ist zu befürchten, scheint sich lange Zeit ähnlich entwickelt zu haben. Auch hier päppelte das Land seine Flughafengesellschaft (17,5 Prozent gehören Hessen) mit allerlei Finanzspritzen. Und auch hier verfügte ein kleiner Kreis über viel zu viel Macht. Der langjährige Flughafenchef Jörg Schumacher und seine Getreuen konnten lange schalten und walten, wie sie wollten. Wie sonst lässt sich die Dreistigkeit erklären, mit der der damalige Prokurist Stefan Maxeiner seiner Ehefrau ein betriebswirtschaftliches Juwel zuschanzen wollte: die Passagierabfertigung.

Der Vertrag mit der Serve & Smile Dienstleistungs GmbH war so gut, dass sich bei einer Ausschreibung jeder Unternehmer die Finger danach geleckt hätte (siehe Grafik unten). Doch eine Ausschreibung gab es vorsorglich gar nicht. Schumacher und Maxeiner hatten sich offenbar auf eine interne Lösung geeinigt. Und als das Vorgehen im Aufsichtsrat richtig Ärger auslöste, zog man den rettenden Vergabevermerk aus dem Hut – einen fingierten wohlgemerkt, falsch und rückdatiert.

Über all das hat unsere Zeitung bereits im September 2013 ausführlich berichtet. Die Reaktionen in der Landespolitik waren gelinde gesagt: verhalten. Das große Abtauchen begann. Während sonst bei jeder Kleinigkeit die Wogen der Empörung hochschlagen, herrschte hier komplette Windstille. Weder SPD noch CDU strahlte Aufklärungsinteresse aus. Der Grund dürfte einfach zu erkennen sein: Die Sozialdemokraten wollten neben dem Nürburgring keinen weiteren Skandal am Hahn. Zudem stellten sie mit dem Landtagspräsidenten Joachim Mertes den Vizechef im Aufsichtsrat. Jenem Gremium, das offenbar komplett versagte.

In ersten Reaktionen auf Berichte über unsaubere Geschäfte am Hahn beschäftigte man sich im Gestus der Empörung mehr damit, ob das Wort „Sumpf“ eine Diffamierung sei, als dem brisanten Sachverhalt nachzugehen. Und die CDU schien gelähmt, weil auch sie mehrfach im Aufsichtsrat vertreten war – von rheinland-pfälzischer und hessischer Seite. Zudem war Fraktionsvize Alexander Licht gerade mit einem ebenso zweifelhaften wie gut dotierten Sponsorenvertrag in die Schlagzeilen geraten, mit dem die klamme Flughafengesellschaft einen Hunsrücker Handballverein mitfinanzierte.

Unbedingt Ruhe am Hahn?

Der neue Hahn-Aufsichtsratschef Salvatore Barbaro (SPD) baute das Kontrollgremium um und sah sich genötigt, ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dornbach in Auftrag zu geben. Diese sollte die Vorgänge am Hahn untersuchen. Doch zugleich kam der Verdacht auf, dass eigentlich Beschwichtigung beabsichtigt war. Barbaro kommunizierte nur selbst mit Dornbach. In Mainz munkelte man, dass die Landesregierung unbedingt Ruhe am Hahn wolle. Wobei die Grünen noch am ehesten bereit waren, ein wenig genauer hinzuschauen.

Finanzstaatssekretär Barbaro, ein blitzgescheiter, pragmatischer Typ, erklärte Ende 2013 (bei der Präsentation des Zwischenberichts) und kürzlich (im Gespräch über den Endbericht) verharmlosend, dass an allen Vorwürfen so gut wie nichts dran sei. Es gebe keinen wirtschaftlichen Schaden. Denn dieser hätte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgelöst. Erst auf heftiges Nachbohren deutete er Zweifel an. Barbaro machte als Aufsichtsratschef den Eindruck, in erster Linie einen Skandal vermeiden zu wollen, sich zugleich aber gegenüber dem Vorwurf der Vertuschung abzusichern. Eine Doppelstrategie? Immerhin gab er Unterlagen an die Staatsanwaltschaft.

Unangenehm für Rot-Grün

Fakt ist, dass den Mitgliedern der Landesregierung ein möglicher Hahn-Prozess im Jahr 2015 den Schweiß auf die Stirn treibt. So etwas könnte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei der Landtagswahl 2016 leicht die Macht kosten, weil auch die Frage nach den politischen Verantwortlichkeiten im Raum steht. Zumal nicht klar ist, welche Kreise die Ermittlungen noch ziehen.

Politisch betrachtet, dürfte auch die Rolle von Landtagspräsident Mertes hinterfragt werden, der immer sehr eng mit Schumacher war – ebenso die des damaligen Wirtschaftsministers Hendrik Hering (SPD), der für den Flughafen verantwortlich zeichnete. Aber auch für den jetzigen Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) ist der Fall heikel. Er sprach häufig mehr von einem guten Verhältnis mit dem Betriebsrat als von unbeirrter Aufklärung. Immerhin hat er Schumacher geschasst und den unbequemen Sanierer Heinz Rethage an den Hahn geschickt – auch wenn er das dann und wann zu bereuen schien. Flughafengeschäftsführer Rethage, der mit einigen Mitstreitern unter hohem persönlichen Risiko den Finger in die Wunde legte, sollte übrigens noch vor Kurzem abserviert werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich das jetzt erledigt hat.