Fehlende Bandbreite ist nicht überall ein Problem

Peter Moskopp kämpft seit Jahren um schnelles Internet in Kettig. Zeitweise fühlte sich der Bürgermeister alleingelassen.
Peter Moskopp kämpft seit Jahren um schnelles Internet in Kettig. Zeitweise fühlte sich der Bürgermeister alleingelassen. Foto: Carsten Zillmann

In den meisten Kommunen in Rheinland-Pfalz ist der Weg für schnelles Internet bereitet. Doch es gibt noch weiße Flecken im Land. Die betroffenen Bürger gehen unterschiedlich mit diesem Problem um.

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Wenn Niklas Hunders iPad ein Update verlangt, braucht er Geduld. „Meistens mache ich das, bevor ich schlafen gehe“, sagt der 18-Jährige. Hunder lebt gemeinsam mit Mutter, Bruder und Großeltern in Kettig. Die Ortsgemeinde im Landkreis Mayen-Koblenz liegt direkt an der B 9. Rund 15 Minuten dauert eine Fahrt in die Zentren von Koblenz oder Neuwied. Der Zugang zur Datenautobahn bleibt den 3300 Einwohnern aber verwehrt. Breitbandinternet über Glasfaserverbindung gibt es in Kettig nicht. 87 Prozent aller Haushalte müssen mit Internetgeschwindigkeiten von maximal 2 Mbit/s auskommen.

Kettig stellt damit in Rheinland-Pfalz inzwischen eine Ausnahme dar. 96,8 Prozent der Anschlüsse erreichen 6 Mbit/s. Dieser Wert gilt laut Experten für das normale Surfen im Netz als ausreichend. 65,9 Prozent aller Haushalte können sogar Geschwindigkeiten bis zu 50 Mbit/s abrufen. Bis 2018 wünscht der Bund ein flächendeckendes Angebot von 50Mbit/s-Zugängen.

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Peter Moskopp wäre damit am Ziel. Der Bürgermeister von Kettig blättert sich durch einen prall gefüllten Ordner. Anfangs schien alles ganz einfach. „Wir hatten gute Gespräche mit der Telekom und der Kevag Telekom“, erzählt er. Das war im Juni 2011. Ein Glasfaseranschluss wurde diskutiert. „Die Telekom hat die Wirtschaftlichkeitslücke auf 121 000 Euro beziffert“, sagt Moskopp. Mit Bundes- und Landesfördergeldern hätte Kettig, dessen Haushalt schon damals nicht ausgeglichen war, lediglich 10 Prozent dieser Kosten tragen müssen. Laut Moskopp signalisierte das Innenministerium des Landes aber, dass eine Förderung nicht möglich sei – wegen eines LTE-Mastes. „Der gilt als Förderhemmnis, weil man sich über LTE mit schnellem Internet versorgen kann“, sagt Moskopp.

Tatsächlich nutzen viele Kettiger die LTE-Technik, um mobil im Internet zu surfen. Viele haben Handyverträge mit auffällig großen Datenvolumen abgeschlossen. „Ich habe drei Gigabyte Datenvolumen“, sagt eine Anwohnerin. Niklas Hunder zahlt für die gleiche Menge. „Und das reicht nicht“, sagt er. Streamingdienste wie Netflix funktionieren über den Anschluss im Haus nur sporadisch. „Wenn mein Bruder gleichzeitig online spielt, geht es gar nicht“, sagt Hunder. Er wirkt genervt. „Hier zu wohnen, ist super“, sagt er, und zuckt mit den Schultern. „Aber Internet? Kannste vergessen.“

Einige Kettiger nutzen Hybridlösungen. Ihre Router kombinieren die DSL-Leitung mit LTE-Empfang. Die Leistung schwankt aber stark nach Nutzerzahl und Witterung. Peter Moskopp betrachtet LTE deshalb nicht als Lösung. Sein Ziel bleibt ein Glasfaseranschluss. Inzwischen rückt eine Lösung näher. Die Ortsgemeinde startete im Mai 2015 ein Interessenbekundungsverfahren und stellte im Haushalt 100 000 Euro für das Breitbandprojekt ein. Auch vom Kreis Mayen-Koblenz kommt Unterstützung: Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft am Mittelrhein erstellt einen Masterplan zum Breitbandausbau.

„Ich hoffe, dass wir spätestens 2017 angeschlossen sind“, sagt Moskopp. Einen festen Termin gibt es aber noch nicht. Doch das Thema drängt: Er berichtet von Familien und Firmen, die wegen des schlechten Internets nicht nach Kettig gezogen sind. Seine Bürger haken ungeduldig nach. „Ich bin in Erklärungsnot“, sagt er.

Heinz Stollenwerk hat da noch ganz andere Probleme. Der Bürgermeister von Eichenbach im Kreis Ahrweiler sitzt zurückgelehnt in seinem Esszimmer. Auf dem Tisch suchen die Handys nach Empfang. „Wir haben hier kein Mobilfunknetz: kein D1, kein D2, nichts“, sagt er. Immer wieder verunglücken Motorradfahrer im beliebten Ausflugsrevier. Notrufe sind dann nur aus dem Festnetz möglich. Für die Eichenbacher ist das ein viel drängenderes Problem als das teils recht langsame Internet im Ort. „Wir haben zwischen 2 und 6 Mbit/s – mit Schwankungen“, sagt Stollenwerk.

Hinter seinem Haus plätschert der Eichenbach in Richtung Tal. Die vielen Fachwerkhäuser fügen sich idyllisch in die Landschaft. Das Dorf schlängelt sich auf 1,4 Kilometern durch den hügeligen Wald der Eifel. Im Sommer starten viele Wanderer auf den Ahrsteig, oft machen dann Radfahrer Rast im Gasthaus in der Ortsmitte. Die 75-Einwohner-Gemeinde wirkt wie ein Gegenentwurf zum recht urbanen Kettig. Viele Beschwerden über das teils lahme Internet hört Stollenwerk von seinen Bürgern nicht. „Ich würde sagen: Wir sind genüsslich. Ruhe, Gemütlichkeit und das Ursprüngliche“, erklärt Stollenwerk. Der Ortschef weiß aber um die Wichtigkeit der Breitbandverbindungen: „Beruflich braucht man schnellere Anschlüsse.“

Als Vermieter eines Ferienhauses erlebte er wegen der Abgeschiedenheit schon kuriose Situationen. Ein Grafikdesigner, der im Urlaub arbeiten wollte, reiste wieder ab. Ein gestresster Manager lernte die Ruhe dagegen zu schätzen. „Nach zwei Tagen hätte ich gesagt: Der reist ab“, erzählt Stollenwerk. „Später ist er hier richtig aufgeblüht und hat unsere Atmosphäre genossen.“ Carsten Zillmann