Einwurf: Wann kommt das Bullerbü-Leben hierher?

Ein gemütliches und natürliches Leben ohne Stress. Das führen die wenigen Bewohner von Bullerbü. Fast nirgendwo auf der Welt ist es so schön wie dort. In dem schwedischen Dorf träumen gerade einmal drei Höfe vor sich hin. Es scheint, als würden die Erwachsenen nicht arbeiten, die Kinder nur spielen. Jeder Junge und jedes Mädchen kann mindestens zwei Geschwister aufzählen; gemeinsam mit drei weiteren Generationen leben sie unter einem Dach. Bullerbü: die schwedische Idylle aus Astrid Lindgrens Fantasie. Doch wann kommt diese Lebensweise zu uns nach Deutschland? Muss eine Familie nach Skandinavien ziehen, um auch in diesen Genuss zu kommen? Experten sprechen davon, dass Deutschland in diesem Punkt 30 Jahre hinter Städten wie Malmö und Helsinki liegt.

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Bei einem Skandinavientrip Anfang des Jahres erlebte auch ich das Bullerbü-Phänomen: Jede (!) Person im Alter zwischen 20 und 30 Jahren schob am frühen Nachmittag einen Kinderwagen vor sich her – Frauen und Männer zugleich. Nein, sie hatten keinen Urlaub, und nein, sie waren auch nicht arbeitslos. Ob Stockholm, Kopenhagen oder Oslo: Beruf lässt sich in Skandinavien gut mit Familie und Freizeit vereinbaren. Die sogenannte Work-Life-Balance stimmt – das Zusammenspiel von Arbeits- und Privatleben funktioniert.

Genau das wünscht sich auch die Generation Y in Deutschland, also die Menschen, die momentan in etwa zwischen 18 und 35 Jahre alt sind. Sie ist nicht wie ihre Vorgängergenerationen darauf erpicht, das große Geld zu machen. Will ich dank Überstunden oder Schichtdiensten finanzielle Zuschläge bekommen? Also dann arbeiten, wenn meine Freunde Feierabend haben, am Rhein sitzen, ein Eis essen oder einen Spaziergang durch den Wald machen? Das darf jeder für sich selbst entscheiden – wenn ihm sein Arbeitgeber denn überhaupt die Wahl dazu lässt.

Es heißt, dass Männer und Frauen in Schweden, Norwegen und Dänemark mehr Wert auf Freizeit und Familie als auf den Beruf legen. Aber tun das nicht auch wir Deutschen? Und ob! Von außen betrachtet, scheinen hier die meisten Unternehmen die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Und doch würde ich gern die Blicke der Kollegen sehen, wenn ein Mitarbeiter pünktlich um 15.30 Uhr ganz selbstverständlich das Meeting verlässt, um sein Kind in der Tagesstätte abzuholen – und das dann dienstags und donnerstags, Woche für Woche. In Skandinavien ist das alles andere als ungewöhnlich. Umso ungewöhnlicher wären dort hingegen die bösen Blicke der Kollegen.

E-Mail an: sabrina.roedder@rhein-zeitung.net