Berlin

Die neue Bundeswehr soll attraktiver werden

Die neue Bundeswehr soll attraktiver werden Foto: Lore Spies (nicht: dpa)

Die Bundeswehrreform nimmt Konturen an – doch der wichtigste Teil kommt erst noch: die Standortfrage. 400 gibt es derzeit bundesweit, fast jeder zehnte davon ist in Rheinland-Pfalz. Seit Anstoß der Reform durch Karl-Theodor zu Guttenberg geht das Schreckgespenst der Schließung in den meisten Garnisonsorten um. 40- bis 60-mal könnte der Rotstift angesetzt werden, schätzt der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold – muss aber auch einräumen, dass die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums „ziemlich rigide“ ist.

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Berlin – Die Bundeswehrreform nimmt Konturen an – doch der wichtigste Teil kommt erst noch: die Standortfrage. 400 gibt es derzeit bundesweit, fast jeder zehnte davon ist in Rheinland-Pfalz. Seit Anstoß der Reform durch Karl-Theodor zu Guttenberg geht das Schreckgespenst der Schließung in den meisten Garnisonsorten um. 40- bis 60-mal könnte der Rotstift angesetzt werden, schätzt der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold – muss aber auch einräumen, dass die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums „ziemlich rigide“ ist. Seit Monaten erklärt Minister Thomas de Maizière (CDU) gebetsmühlenartig, dass er verfrühte Spekulationen nicht befeuern, sondern alle Seiten gleichzeitig informieren will.

Das Konzept soll sich aus einer Formel aus Gesamtumfang (bis zu 185 000 Mann), dem Fähigkeitsprofil (Einsatzarmee aus Freiwilligen) und der Finanzierbarkeit ergeben. Dabei heißt es nicht zwangläufig, dass eine Kaserne schließt, wenn die bislang dort stationierte Einheit aufgelöst wird – schließlich könne man andere Einheiten dort ansiedeln. Zugleich hat der Minister aber immer wieder seine eigene Devise umgangen und Andeutungen über künftige Verlagerungen gemacht. So hat der gebürtige Bonner zuletzt noch einmal klargemacht, dass die Rheinschiene mit ihren Tausenden Dienstposten alles andere als unantastbar ist. Im Gegenzug ist für den Minister auch klar, dass manche Einheiten wie zum Beispiel laute Jagdflieger in der Fläche besser aufgehoben sind.

Doch mit der Umwandlung von einer Wehrpflichtigen- zur Freiwilligenarmee sind bei dieser Reform erstmals noch ganz andere Kriterien an die Standorte zu stellen – manche haben enorm an Bedeutung hinzugewonnen, andere indes haben an Einfluss verloren.

Kosten abbauen: Liegenschaften haben immer einen logistischen Grundbedarf. Wachdienst, Instandhaltung, Verpflegungsbetrieb sowie Energiebedarf sprechen in vielen Regionen für die Schließung kleiner Kasernen und die Zusammenlegung in großen. Intern wird mit einer Größe von mindestens 1000 Mann pro Standort gerechnet. Die absolute Mindestgröße lag in der Vergangenheit bei rund 600 Mann. Je nach Anbindung und Bedarf könnte allerdings auch eine Reihe von Kleinstandorten überleben.

Sichtbarkeit: Eine Armee kann nur ausreichend Freiwillige werben, wenn sie in der Gesellschaft auch präsent ist. Zugleich lassen sich Bewerber leichter ködern, wenn eine gewisse Heimatnähe oder zumindest eine gute Anbindung an die Ballungsräume gegeben ist. Kaum jemand wird sich langfristig an die Bundeswehr binden, wenn damit ein Leben fern der kulturell interessanten Zentren garantiert ist. Das Schlagwort ist Attraktivität. Zugleich dürfen nicht ganze Landstriche komplett verwaisen.

Infrastruktur: Gute Verkehrsanbindungen sind ein Muss, zugleich ist die unmittelbare Nähe zu Truppenübungsplätzen und anderen Ausbildungszentren ein Plus.

Bündnisfragen: Manche Standorte, in denen Nato-Kommandos oder internationale Einheiten stationiert sind, können ohne Rücksprache mit den Partnern nicht geschlossen werden. Für andere spricht die geografische Lage. So dürfte beispielsweise die weit abgelegene Kaserne im vorpommerschen Torgelow davon profitieren, dass es ein multinationales Korps gemeinsam mit Polen und Dänemark gibt. Ähnliches gilt für Rheinland-Pfalz, wo eine gewachsene Kooperation mit benachbarten US-Einheiten bessere Chancen auf eine Zukunft sichern dürfte.

Tradition: Bei De Maizières nüchterner Herangehensweise bleibt für Nostalgie wenig Raum. Den Satz „Hier war schon immer ...“ wird der Minister auf seine elegant spöttische Art schnell entkräften. Denn wenn die Reform der große Wurf sein soll, muss sie mit dem Fundus der alten Bundeswehr brechen.

Arbeitsplätze: Der Auftrag lautet Sparen. Deshalb wird die Reform auf Arbeitsplätze, die mittelfristig auslaufen, keine Rücksicht nehmen. Alles andere wäre haushälterisch kaum zu rechtfertigen.

Bisherige Investitionen: Dass in den vergangenen Jahren viel Geld in einen Standort geflossen ist, ist keine Garantie für den Fortbestand. Natürlich muss die Armee schon einiges an Komfort bieten, um Freiwillige langfristig binden zu können. Auf der anderen Seite bietet ein moderner Standort auch die Chance auf eine schnelle Konversion. Sollte es sich mittelfristig rechnen, einen solchen Standort zu privatisieren, könnten Käufer und Verkäufer davon profitieren.

Strukturförderung: War es lange ein schlagendes Argument, Kasernen in der Fläche zu bauen, so kann die Bundeswehr unter dem Kostendruck heute nicht mehr als indirekte Subventionsmaßnahme betrachtet werden. De Maizière besteht auf dem klaren Nutzen für die Streitkräfte selbst.

Proporz und Generalssterne: Vieles deutet darauf hin, dass der Verteidigungsminister seine Entscheidungen weitgehend unabhängig von den Bundesländern fällen will. Hintergrund: Bei der jüngsten Reform der Bundeswehr gab es bereits ein großes Geschacher um Standorte und Generalssterne. Da die vier Wehrbereichskommandos gestrichen werden, fallen unter anderem in Mainz und München Zweisternegenerale weg. Manche Landesregierung könnte deshalb auf einen Ausgleich pochen, zumal auch die Divisionen mit ihren Generalen von fünf auf drei reduziert werden. Ein Länderproporz würde allerdings den meisten anderen Kriterien zuwiderlaufen.

Insofern bleibt es spannend, inwieweit das Verteidigungsministerium unter Thomas de Maizière dem heftigen Drängen der Bundesländer und auch der Abgeordneten, in deren Wahlkreisen die Bundeswehrkasernen stehen, nachgeben wird. Bis zum 26. Oktober wird deshalb in jedem Fall noch sehr intensiv spekuliert – und manche Befürchtungen werden sich vermutlich am Ende auch bewahrheiten.

Von unserem Redakteur Peter Lausmann