Rheinland-Pfalz

Diaspora: Jugendarbeit im Land setzt auf das Anti-Facebook

Facebook-Chef Marc Zuckerberg hat etwas mit den Verantwortlichen für die Jugendarbeit in Rheinland-Pfalz gemeinsam: Er fand Diaspora eine „coole Idee“ – und schoss sogar Geld zu. Dabei ist Diaspora eine Art Anti-Facebook, die Wikipedia unter den Netzwerken, getragen von Freiwilligen. Nutzer sind mit ihren Daten nicht das Produkt in einem Geschäftsmodell, sie bekommen dafür aber auch weniger Komfort, und Fortschritte bei der Entwicklung lassen auf sich warten.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Rheinland-Pfalz. Facebook-Chef Marc Zuckerberg hat etwas mit den Verantwortlichen für die Jugendarbeit in Rheinland-Pfalz gemeinsam: Er fand Diaspora eine „coole Idee“ – und schoss sogar Geld zu. Dabei ist Diaspora eine Art Anti-Facebook, die Wikipedia unter den Netzwerken, getragen von Freiwilligen. Nutzer sind mit ihren Daten nicht das Produkt in einem Geschäftsmodell, sie bekommen dafür aber auch weniger Komfort, und Fortschritte bei der Entwicklung lassen auf sich warten.

Die Euphorie war riesig in einem Workshop des Institut für Medienpädagogik des Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz e.V. in Mainz im Mai 2011. Da hatte Dennis Schubert, inzwischen 18 und der einzige Deutsche im siebenköpfigen Team der Kernentwickler von Diaspora, das Netzwerk vorgestellt.l Auch der Daumen eines Mitarbeiters des Facebook-kritischen Landesdatenschutzbeauftragten ging nach oben. Institutsleiter Albert Treber lobt das „professionelle Werkzeug für unsere Anforderungen an Kommunikation: Wir werden schauen, dass wir es nutzbar machen für Rheinland-Pfalz.“ Das Institut beim Landesfilmdienst verantwortet etwa auch jugend.rlp.de, die Informationsplattform zum Thema Jugend in Rheinland-Pfalz.

Eike Rösch vom Institut für Medienpädagogik, der auch unter http://www.medienpaedagogik-praxis.de/ bloggt, ist so etwas wie der Diaspora-Botschafter in Rheinland-Pfalz und rennt dabei bei Kollegen in der Regel offene Türen ein. „Die Begeisterung ist überall groß.“ Zugleich scharren der Diplom-Pädagoge und andere Jugendarbeiter mit den Füßen. Es fehlt bisher eine Funktion, eine Gruppe zu bilden und in der zu kommunizieren – „und die würde uns für unsere Zwecke noch sehr weiterhelfen.“ Der Plan ist: Diaspora als Plattform zwischen den Verantwortlichen der Jugendarbeit in Rheinland-Pfalz nutzen und zum die Medienpädagogen in der Fläche bei „ihren“ Jugendlichen dafür werben lassen, damit auch die sich dort vernetzen.

Das offizielle Interesse der RLP-Jugendarbeiter ist so bisher einzigartig, sagt Diaspora-Entwickler Schubert. Allerdings gebe es Gespräche mit einer „großen staatlichen Institution“, die überlege, Diaspora als Kommunikationsinstrument für ihre Forschungseinrichtung einzusetzen. Konkreteres ist Schubert da nicht zu entlocken.

Diasporas Leitgedanken „Teile was Du willst, mit wem Du willst.“ zu selbstbestimmtem Umgang hat zwischenzeitlich auch Google mit Google+ ins Zentrum gerückt – abgeschaut, sagen Diaspora-Fans. Während Nutzer aber dort auch immer mit Google teilen, gibt es bei Diaspora keinen Konzern, sondern abgeschlossene dezentrale Server. Jeder kann sich – bei entsprechendem technischen Verständnis – seinen eigenen Daten-Pod aufmachen, die Daten auf seinem Server behalten.

Dieser emanzipatorische Ansatz gefällt Eike Rösch: „Es gibt mir die Chance, mich zu einem mündigen Bürger zu entwickeln mit Mitteln…, die mir selbst gehören und die ich selbst gestalten kann. Es ist etwas anderes als eine Seite, auf der alles vorgegeben wird.“ Dazu komme natürlich als Nebeneffekt die höhere Sicherheit der Daten.

Und die vermisste Gruppenfunktion? „Ist zu weiten Teilen programmiert“, sagt Mit-Entwickler Dennis Schubert, der mit zwei Freunden auch hinter dem größten deutschen Pod Geraspora steckt. „In dem Code für die Gruppenfunktion sind aber noch ziemlich viele Fehler, wir wollen sie so nicht starten.“ Einen Termin wird er auch nicht nennen, wenn er am kommenden Freitag in Bad Kreuznach bei einem Fachtag zum Web 2.0 als Diaspora-Referent zu Gast ist. „Vieles ist doch aufwändiger, als man vorher manchmal denkt. Ich finde es aber auch nicht so tragisch.“ Das Interesse an Diaspora habe trotz eines vielleicht von manchen als schleppend empfundenen Fortgangs nicht nachgelassen. „Im Gegenteil: Diaspora wächst weiter.“ Neuen Schub gab es, als Diaspora im November die lange geschlossenen Tore wieder für neue Nutzer öffnete und auch neue Funktionen freigeschaltet wurden, die andere Netzwerke auch bieten. Aktuell wird auch an einem einfacheren Bedieninterface gearbeitet – Diaspora soll intuitiver zu verstehen sein. Dazu kommen mobile Clients für Smartphones.

50.000 Nutzer haben bei Geraspora ihre Daten, bei Joindiaspora.com in den USA sind es 700.000 – jeweils aktive Nutzer, so Schubert. Das sind ungefähr so viele, wie sich derzeit bei Facebook neu anmelden – pro Tag.