Der olympische Gedanke: Volker Boch blickt auf Peking zurück und auf London voraus

Volker Boch blickt auf Peking zurück und auf London voraus

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Es ist ein elektrisierender Moment. Peking, 24. August 2008, später Abend. Die Abschlussfeier der Olympischen Sommerspiele. Nass geschwitzt auf der Medientribüne des gewaltigen Olympiastadions. Die Luftfeuchtigkeit an diesem Abend ist extrem hoch, am Ende des letzten langen Olympiatags als Reporter folgt die Abschlussfeier, drei Stunden, die Klamotten sind längst durch. Es ist ein würdiger Abschluss der Spiele mit dem, was schön ist an China: kunstvolle Tänze, feingliedrige Musik.

Dann fahren sie kurz vor Schluss diesen knallroten Doppeldeckerbus ins Stadion. Keine Frage, der Staffelstab soll an London übergeben werden. Und nichts steht eindrucksvoller für die britische Me-tropole als der rote Doppeldecker, die Tower Bridge und Big Ben.

Doch wie macht man so etwas, eine Staffelübergabe zwischen einem kommunistischen Regime und einem verrückten Volk wie den Briten? Die chinesischen Herren tragen auch nach 16 Tagen Sommerspiele bei feuchtschwüler Hitze noch immer schwarzen Anzug. Sie sind geschockt, als sie Londons Bürgermeister Boris Johnson grinsend und winkend durch Stadion laufen sehen. Die Briten nehmen es locker. Das Dach des Doppeldeckers öffnet sich, auf einer Hebebühne fährt eine bezaubernd hübsche junge Frau aus dem Bus an die Oberfläche. Leona Lewis, britischer Popstar, Männertraum. Ihre Stimme erfüllt mit einem satten, sphärisch-sopranigen Ton das Stadion, man möchte sich wie in einen Whirlpool hineinlegen. Dann taucht neben ihr ein kleiner älterer Mann auf. Der alte Herr heißt Jimmy Page und lässt seine Gitarre krachen. Es ist, mit Verlaub, die schärfste jemals gespielte Version des Led-Zeppelin-Klassikers „Whole Lotta Love“, die durch Pekings Vogelnest schallt.

Wie ein Blitz zuckt es durch den Körper, die Herren in ihren schwarzen Anzügen zählen die Sekunden herunter, bis es endlich vorbei ist. Am Ende des Lieds taucht aus dem Innern des Busses auch noch David Beckham auf, der mit schwungvollem Schuss einen Fußball ins weite Rund feuert.

Klarer kann der kommende Gastgeber den Chinesen nicht vermitteln: Es ist vorbei, wir sind dran. Die Menschen auf den Tribünen sind hin und weg, die Herren in den schwarzen Anzügen gebügelt. Das war's, London's calling. Würde kaum wundern, wenn nun noch der britische Schlachtgesang „Rule, britannia!“ ertönen würde.

Was für ein großartiger Abend! Der rote Doppeldecker übernimmt das olympische Feuer des großen roten Drachens. Was das Beste daran ist? Meine Chefs haben mir erlaubt, 2012 aus London zu berichten. Und das ist nun nur noch ein Jahr hin.