Düsseldorf

Das Telefon, der Revolutionär – Vor 150 Jahren wurde der Fernsprecher vorgestellt

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Verzwirbelte Schnüre, Warten vor dem Münztelefon, eine Liebesbotschaft per SMS oder einfach nur: „Ich hab' kein Netz!“ Fast jeder hat seine Erfahrungen gemacht mit dem Gerät, das heute im Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenken ist: mit dem Telefon. Vor 150 Jahren hat es der Hesse Johann Philipp Reis erfunden.

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Düsseldorf – Merkwürdige Worte waren es, die Johann Philipp Reis vor 150 Jahren sprach: „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“. Das geschah bei der Vorstellung des Fernsprechers. Reis ahnte nicht, dass er mit diesem Satz die Kommunikation revolutionieren sollte.

Verzwirbelte Schnüre, Warten vor dem Münztelefon, eine Liebesbotschaft per SMS oder einfach nur: „Ich hab' kein Netz!“ Fast jeder hat seine Erfahrungen gemacht mit dem Gerät, das heute im Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenken ist: mit dem Telefon. Ob als Handy in der Tasche, als Festnetzgerät in den Varianten schnurlos oder verkabelt oder gar als schwarzer Nostalgiker mit Drehscheibe – wenige andere Gegenstände haben in den vergangenen 150 Jahren das Leben derart verändert wie das Telefon.

Die Entwicklung des Telefons.
Die Entwicklung des Telefons.
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Der Tüftler und Erfinder Reis aus dem hessischen Friedrichsdorf konnte all das noch nicht ahnen, als er am 26. Oktober 1861 im Alter von 27 Jahren der Physikalischen Gesellschaft in Frankfurt seinen Fernsprecher präsentierte. Sein Vortrag hieß eher nüchtern: „Über die Fortpflanzung von Tönen auf beliebige Entfernungen durch Vermittlung des galvanischen Stroms“.

Der Satz, den er durch das neue Gerät schickte, klang merkwürdig: „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.“ Doch Reis konnte so beweisen, dass Sprecher und Zuhörer sich nicht abgesprochen oder etwas auswendig gelernt hatten.

Für den Physikunterricht hatte der Hobbymechaniker und Elektrotechniker zuvor eine Ohrmuschel aus Holz entwickelt und dabei wohl ein Stück Wurstdarm als nachempfundenes Trommelfell mit feinen Platinstreifen eingesetzt.

Erfinder starb früh an Tuberkulose

Den Durchbruch schaffte Reis nicht. Er starb mit 40 Jahren an Tuberkulose, bevor er seinen Apparat weiterentwickeln konnte. Sein Fernsprecher funktionierte nur in eine Richtung – der Hörer konnte nicht sofort antworten.

Erst als in den USA Alexander Graham Bell in den 1870er-Jahren ein Telefon auf den Markt brachte, das abwechselnd ans Ohr und dann an den Mund gehalten wurde, trat der Fernsprecher seinen weltweiten Siegeszug an. Eines der ersten öffentliche Fernsprechnetze entstand 1881 in Berlin mit 48 Teilnehmern. Mittels Kurbel wurde die Verbindung zur Vermittlungsstelle hergestellt.

Dort wurden die Gespräche manuell weitergeleitet – bald nur von Frauen, weil ihre höheren Stimmen besser zu verstehen waren als die von Männern. „Das Fräulein vom Amt“ war geboren. Doch das Telefon stieß zunächst auf Skepsis. Das „Buch der Narren“ wurde deshalb das ganz frühe Telefonverzeichnis genannt, das im Jahr 1881 in Berlin erschien. Das Telefon galt als Luxusgut, aber seine Ausbreitung war nicht mehr aufzuhalten: 1910 wurden bereits eine Million Teilnehmer in Deutschland registriert. Heute gibt es bundesweit 39 Millionen Festnetzanschlüsse und dreimal so viele Handys.

Das Telefon ließ Raum und Zeit zusammenschmelzen, brachte Stimmen der Menschen zusammen, die weit voneinander getrennt waren. Es hielt Einzug in Film, Theater und Musik, wurde immer mehr zu einem kulturhistorischen Gut. Marlene Dietrich soll derart verliebt in den Apparat gewesen sein, dass sich ihre monatlichen Telefonrechnungen schnell auf mehr als 15 000 D-Mark summierten.

„Nach Hause telefonieren!“

Auch im Film ist das Telefon mehr als nur banales Requisit: „Bei Anruf Mord“ heißt der Krimi von Alfred Hitchcock, in welchem Grace Kelly als Margot Wendice während eines Anrufs ermordet werden soll. Steven Spielberg lässt in seinem Science-Fiction-Film „E.T.“ den gestrandeten Außerirdischen sagen: „Nach Hause telefonieren!“

Das „Fräulein vom Amt“ ist inzwischen lange Vergangenheit. Vermittelt werden Telefonate im Selbstwählverfahren. Doch Telefonieren blieb bis in die 1990er-Jahre teuer. Mit der Digitalisierung begann der rasante Siegeszug des Handys auf breiter Basis.

Die grauen Apparate von früher verschwanden zusehends, mit der endgültigen Marktöffnung purzelten ab 1998 die Telefonpreise. Der Branchenverband BITkom schätzt den weltweiten Markt in der Telekommunikation, einschließlich Gerätehersteller und Netzwerkausrüster, heute auf ein Volumen von 1,5 Billionen Euro. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Gartner 1,6 Milliarden Handys verkauft, jedes fünfte war ein Smartphone mit Internetzugang.

Die Alleskönner von heute haben mit der künstlichen Ohrmuschel von Johann Philipp Reis nur noch wenig zu tun. Und doch hat sich Reis als Erfinder des Telefons der Nachwelt verewigt, wenn es heißt: „Sprich bitte in die Muschel, ich kann dich nicht verstehen.“ Peter Lessmann

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