Brüderle: Pkw-Maut ist nicht tragbar

Muntere Diskussionsrunde im „Wahlzeit!“-Fernsehstudio: Mit FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle (Mitte) debattierten (von links) Schülerreporter Jan-Nikolaus Lieberum, Redakteur Manfred Ruch, Schülerreporter Marc-Steffen Schmelzeisen und Redakteur Christian Kunst. Brüderle sprach sich gegen ein Wahlrecht ab 16 Jahren auf Bundes- und Landesebene aus.
Muntere Diskussionsrunde im „Wahlzeit!“-Fernsehstudio: Mit FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle (Mitte) debattierten (von links) Schülerreporter Jan-Nikolaus Lieberum, Redakteur Manfred Ruch, Schülerreporter Marc-Steffen Schmelzeisen und Redakteur Christian Kunst. Brüderle sprach sich gegen ein Wahlrecht ab 16 Jahren auf Bundes- und Landesebene aus. Foto: Jens Weber

Der FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle ist für die beiden 17-jährigen Schülerreporter Jan-Nikolaus Lieberum und Marc-Steffen Schmelzeisen ein bekanntes Gesicht. In ihrer Schule ist der Pfälzer wegen seiner unfreiwillig komischen Auftritte in der ZDF-„heute-show“ ein Star.

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Das Gespräch führten die Schülerreporter Jan-Nikolaus Lieberum und Marc-Steffen Schmelzeisen sowie die Redakteure Manfred Ruch und Christian Kunst

Deshalb drehen die beiden 17-Jährigen nach dem „Wahlzeit!“-Interview für ihre Mitschüler schnell noch ein iPhone-Video mit Brüderle. Der macht den Spaß gern mit, hofft er doch, so Jungwähler für sich zu gewinnen. Doch im Interview bleibt der FDP-Mann hart: Ein Wahlrecht ab 16 Jahren auf Länder- oder Bundesebene kommt für ihn nicht infrage. Hier Auszüge aus dem Gespräch, das mit Fragen unserer Leser per E-Mail, Twitter und Facebook angereichert wurde.

Streben Sie als Spitzenkandidat der FDP auch einen Ministerposten an?

Mein Ziel ist, dass wir möglichst gut abschneiden und diesmal in Ruhe Koalitionsverhandlungen führen. Das letzte Mal haben wir diese zu schnell abgeschlossen, vieles blieb unklar. Nach den Koalitionsverhandlungen entscheiden wir, wer von uns am Besten für liberale Politik steht. Ich bewege mich dorthin, wo meine Partei mich gern sieht. Das hat dazu geführt, dass ich auf ein Ministeramt verzichtet habe, um eine neue Aufstellung zu ermöglichen. Persönlicher Ehrgeiz steht hinten an.

Das Wirtschaftsministerium würde Sie aber schon reizen?

Politik ist kein Wunschkonzert. Wir müssen für die Partei und das Land die besten Ergebnisse erzielen.

Sie sind in einem Alter, in dem viele schon in Rente sind. Sie wollen noch bis 88 Jahre weitermachen, haben Sie angekündigt. Meinen Sie das ernst?

Wenn man sich gesund fühlt und gewählt wird, dann macht man gern weiter. 20 Jahre länger war ein wenig ironisch gemeint. Deutschland ist in einer schwierigen Situation. Dem Land geht es gut, aber wir müssen Europa richtig bauen, damit es nicht ein Umverteilungsmechanismus wird und damit das Geld stabil bleibt.

Europa muss auch eine Rolle in der Welt spielen können. Diese Aufgabe reizt mich ganz besonders. Daneben sind die Bildungsfragen sehr wichtig für mich, damit wir die Offenheit in der Bildung behalten und keine Einheitsschule bekommen. Das dritte Feld sind Bürgerrechte, die gerade in Zeiten des Internets in Gefahr geraten.

Man wirft Ihnen vor, aus der Zeit gefallen zu sein. Kommt Ihre Sprache bei jungen Leuten noch an?

Entscheidend ist, dass sie bei den Wählern ankommt. Aber zu meiner eigenen Überraschung – vielleicht liegt es an Sendungen wie der „heute-show“ – sind junge Menschen in meinen Veranstaltungen besonders stark vertreten (schmunzelt). Das ist ja reine Ironie. Doch das Verdienst dieser Sendung ist es, Menschen, die gar nicht mehr politisch interessiert sind, auf diese Weise wieder zur Politik zu führen.

Warum wollen Sie dann verhindern, dass schon 16-Jährige bei der Bundestagswahl wählen dürfen?

Ich glaube schon, dass man ein wenig Lebenserfahrung braucht. Mit 18 Jahren hat man auch alle bürgerlichen Rechte. Früher war die Altersgrenze noch höher. Insofern ist das schon ein Fortschritt. Das sollte auch so bleiben. Das gilt auch für Landtagswahlen. Ich glaube nicht, dass man Jugendlichen einen großen Dienst erweist, wenn man ihnen eine solche Entscheidung zumutet. Das sind relativ komplizierte Probleme.

Was unterscheidet denn die Kommunal- von der Bundestagswahl?

Da geht es um einfachere Fragen. Auf Bundesebene drehen sie sich dagegen um eine Währungsunion oder die Lösung des Konflikts im Nahen Osten.

Erklären Sie doch einmal, wie die Südländer in der EU jemals wieder auf die Beine kommen sollen, wenn es nicht neben dem rigorosen Sparauch ein Aufbauprogramm gibt.

Das gibt es ja. Deutschland leistet die meisten Zahlungen an die europäischen Struktur- und Regionalfonds. Es muss aber immer auf Gegenleistung beruhen. Wenn man Hilfe gibt, müssen diese Länder auch das Mögliche tun, um die Ursachen ihrer Schwierigkeiten zu beseitigen.

Die Ursache ist: Sie sind nicht wettbewerbsfähig. Das, was wir in Deutschland mit der Hartz-IV-Reform durchgeführt haben, steht in diesen Ländern noch aus. Man muss wissen: Griechenland hat es nicht mal geschafft, ein Drittel der Transfers aus den Fonds abzurufen, weil die Verwaltung dazu nicht in der Lage ist. Deshalb müssen die mal anständige Verwaltungen aufbauen.

Anderes Thema: Was möchten Sie in einer neuen schwarz-gelben Koalition als Erstes umsetzen?

Wir werden als Erstes das Energieeinspeisegesetz angehen. Es ist nicht einzusehen, dass die Oma mit ihrer Leselampe mehr für ihren Strom bezahlt, damit andere ihre Fotovoltaik-Anlage subventioniert bekommen. Das ist ungerecht. Das wollen wir anders steuern, damit wir aus diesen überdrehten Subventionen herauskommen. Die Strompreiserhöhung muss gedämpft werden. Strom darf nicht zum Luxusgut werden. Und es darf nicht zur Abwanderung von Arbeitsplätzen führen.

Kommt die Mütterrente?

Das ist eines der Themen, über die wir verhandeln werden. Ich habe nichts gegen Mütterrenten. Die CDU muss uns aber erläutern, wie sie das finanzieren will.

Sie wollen Schulden abbauen, den Soli abschaffen und Steuern senken. Ist das nicht nur finanzierbar, wenn die Konjunktur weiter brummt? Was tun Sie, wenn es nicht so weitergeht?

Auch das werden wir bewerkstelligen. Sie können es aber nicht schaffen, wenn Sie wie Rot-Grün mutwillig mit Steuererhöhungen die Konjunktur abwürgen und eine halbe Million Arbeitsplätze aufs Spiel setzen.

Würden Sie einen Koalitionsvertrag mit der von der CSU geforderten Pkw-Maut unterschreiben?

Die Pkw-Maut ist so nicht tragbar. Sie können nicht Ausländer allein damit belasten. Das widerspricht dem europäischen Recht. Das mag Herrn Seehofer aus populistischen Gründen in Bayern helfen. Aber so ist die Maut nicht umsetzbar.

Können Sie sich eine Ampelkoalition vorstellen?

Nein. Das schließe ich aus, weil Rot-Grün sich auf eine Koalition mit den Tiefroten vorbereitet.

Thema Bildung: Was halten Sie von einem bundesweiten Zentralabitur? Unionsfraktionschef Volker Kauder befürwortet dies.

Es hat sich bewährt, dass die Länder das regeln. Dort hat man mehr Überblick darüber, was die Schwerpunkte der Schulen sind. Im Übrigen finde ich, dass für ein erfolgreiches Leben nicht die Noten entscheidend sind, sondern die Persönlichkeitsentwicklung.

In England muss man für den Schulbesuch oft bezahlen. Das Ergebnis ist, dass sich die Kinder mehr anstrengen. Sollte es das auch in Deutschland geben?

Viele Eltern bezahlen auch in Deutschland Geld für eine Schule, um den Kindern eine bessere Ausbildung zu ermöglichen. Das halte ich für nicht akzeptabel, weil sich selbst schlecht verdienende Eltern krummlegen. Ich war immer für Studiengebühren, wenn sozial schwächere Familien freigestellt werden. Das ist aber in Deutschland entgegen den guten britischen Erfahrungen nicht durchsetzbar.

Sie sind gegen einen Mindestlohn. Wie soll dann jeder von seiner Arbeit gut leben können?

Das kann er auch mit dem Mindestlohn nicht. Wenn man 8,50 Euro hochrechnet, kann man davon in vielen Gegenden nicht leben. Die Debatte ist deshalb nicht redlich, der Mindestlohn ökonomisch falsch. Ich will nicht, dass der Staat die Löhne festsetzt.

Dann überbieten sich die Parteien gegenseitig. Deshalb sollten dies die Tarifparteien übernehmen. Sonst setzt der Bundestag irgendwann auch die Preise fest.