Washington

Auszeichnung bleibt für Obama eine Bürde

Im ersten Reflex glaubten sie damals im Weißen Haus, dass es ein verspäteter Aprilscherz sein musste. Bald aber stellte sich heraus, dass die Herren der Nobelpreis-Jury nicht zu scherzen beliebten. Und als von allen Seiten Glückwünsche auf Barack Obama einprasselten, witzelte er im Kreise seiner engsten Berater: „Eigentlich wollte ich doch nur die Gesundheitsreform durchbringen."

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Washington – Im ersten Reflex glaubten sie damals im Weißen Haus, dass es ein verspäteter Aprilscherz sein musste. Bald aber stellte sich heraus, dass die Herren der Nobelpreis-Jury nicht zu scherzen beliebten. Und als von allen Seiten Glückwünsche auf Barack Obama einprasselten, witzelte er im Kreise seiner engsten Berater: „Eigentlich wollte ich doch nur die Gesundheitsreform durchbringen.„

Von unserem USA-Korrespondenten Frank Herrmann

Schließlich bat er Ben Rhodes, seinen außenpolitischen Redenschreiber, ihm ein paar Dankesworte aufzuschreiben, betont bescheidene Worte, wie es sich gehört für einen, der genau weiß, dass er sich die Auszeichnung erst noch verdienen muss. „Ich wette“, flachste Rhodes dann im Plausch mit dem Wahlstrategen David Axelrod, „ich wette, Sie haben auch nie gedacht, dass Sie einem Klienten mal raten müssen, wie er sich am besten gegen den Friedensnobelpreis verteidigen kann."

Es ist jetzt zwölf Monate her, da haben sich genügend Beteiligte, die es wissen müssen, zu Wort gemeldet. Obama, bestätigen sie unisono, war nicht einfach nur überrascht, sondern fühlte sich regelrecht überfahren. Er empfand den Preis als Bürde. Und in der Substanz gibt es auch ein Jahr darauf nur wenig, was er vorzeigen kann.

Der konfrontative Ton, mit dem George W. Bush den Rest der Welt gegen sich aufbrachte, gehört der Vergangenheit an. Die Rhetorik ist weitaus kooperativer, auch wenn Politikwissenschaftler in Washington schon wieder eine neue Wendung sehen. Robert Kagan, ein Experte der hochkarätig besetzten Think-Tanks Brookings Institution, sieht bereits eine zweite Phase anbrechen. In der ersten war es nach seinen Worten darum gegangen, der Welt ein freundlicheres Gesicht zu zeigen, auch Ländern wie Iran oder Nordkorea. Die zweite, so Kagan, dürfte davon geprägt sein, dass Washington gegenüber Iranern und Nordkoreanern, aber vielleicht auch im Verhältnis zum aufstrebenden China einen härteren Kurs einschlagen wird.

Wie auch immer, Obamas Außenpolitik bleibt eine Großbaustelle. Der Atomstreit mit Teheran etwa schwelt weiter, mit widersprüchlichen Tönen als Begleitmusik. Einerseits hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadine-dschad vor der UNO mit antisemitischer Hetze und wilden Verschwörungstheorien zu den Anschlägen des 11. September 2001 keinen Willen zum Dialog erkennen lassen. Andererseits soll er hinter den Kulissen Gesprächsbereitschaft signalisiert haben. Nordkorea besitzt seine Atombombe noch immer. Versuche, es durch Diplomatie zum Verzicht zu bewegen, endeten in der Sackgasse.

Damit lässt der Durchbruch weiter auf sich warten. Obama hat die nukleare Abrüstung auf seiner Prioritätenliste ganz nach oben gestellt. Einen Erfolg kann er zumindest verbuchen, die im Start-Vertrag mit Russland vereinbarte Reduzierung der Atomsprengköpfe. Doch falls neue Nuklearmächte entstehen, falls etwa die Atompläne Irans ein Wettrüsten in Nahost auslösen, ginge der Trend genau in die andere Richtung. Von Durchbrüchen würde dann so schnell keiner mehr sprechen, auf der Tagesordnung stünde allein die Schadensbegrenzung.