Arbeit auf Zeit: Fluch oder Segen?

Die Zeitarbeit polarisiert – erst recht, da sie jetzt mit der wieder anziehenden Konjunktur einen regelrechten Boom erlebt. Ein Blick auf die Fakten. Die einen sprechen von prekären Arbeitsverhältnissen, die anderen loben die Flexibilität der Zeitarbeit. Fragen und Antworten dazu:

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Von unserem Redakteur Jörg Hilpert

Die einen sprechen von prekären Arbeitsverhältnissen, die anderen loben die Flexibilität der Zeitarbeit. Fragen und Antworten dazu:

Was genau ist Zeitarbeit?

Formell geht es um die „Arbeitnehmerüberlassung„ – sie ist in einem eigenen Gesetz geregelt. Der Arbeitgeber (Verleiher) überlässt dabei seinen Beschäftigten (den Leiharbeiter) einem Dritten (Entleiher). Der Verleiher ist zwar juristisch der Arbeitgeber, doch faktisch wird die Arbeitsleistung im entleihenden Betrieb erbracht.

Warum wurden die Regeln für die Zeitarbeit gelockert?

Das „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“ (AÜG) wurde im Zuge der Hartz-Reformen geändert. Das Hauptziel kommt auch der amtierenden Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) flüssig über die Lippen: „Zeitarbeit baut Brücken in Arbeit für Menschen, die sonst schlechte Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt hätten.„

Wird dieses Ziel erreicht?

Vordergründig in vielen Fällen ja. Aus dem „AÜG-Bericht“ 2010 der Bundesregierung geht hervor, dass fast zwei Drittel (64 Prozent) der Zeitarbeiter zuvor keine Beschäftigung hatten. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass 9 Prozent noch nie beschäftigt waren – also Berufseinsteiger sind. Andererseits bekommen auch Langzeitarbeitslose eine Chance: Bei mehr als zehn Prozent der neu abgeschlossenen Zeitarbeitsverträge waren die Beschäftigten zuvor mindestens zwölf Monate auf Jobsuche.

Wie viele kommen in eine unbefristete Beschäftigung?

Nur wenigen Leiharbeitern gelingt es, dank des sogenannten Klebeeffekts in einem Betrieb „hängen zu bleiben„. Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren nach zwei Jahren gerade mal sieben Prozent der ehemals Arbeitslosen unbefristet eingestellt. „Angesichts des Ziels, eine Brücke in dauerhafte Beschäftigung zu bauen, ist das ein sehr ernüchterndes Ergebnis“, sagt IAB-Direktor Joachim Möller.

Verdrängen Leiharbeiter die Stammbelegschaft?

Die Bundesarbeitsministerin sieht hier ein Problem: Wichtig sei ihr, zu verhindern, „dass nach der Methode Schlecker die Stammbeschäftigten entlassen und als Leiharbeiter quasi durch die Drehtür zu schlechteren Bedingungen wieder eingestellt werden„, sagte von der Leyen kürzlich. Quantitativ ist das Problem laut IAB aber von „eher geringer Bedeutung“. Die Forscher kommen auf eine allenfalls fünfstellige Zahl von Betroffenen. Die Verlagerung von Beschäftigten in konzerneigene Verleihbetriebe sei möglicherweise aufgrund „prominenter Einzelfälle„ in den Blickpunkt geraten, um ein „Breitenphänomen“ handle es sich nicht.

Wie werden Zeitarbeiter bezahlt?

Meist gelten eigene Tarifverträge – es gibt mittlerweile eine ganze Reihe davon. Laut AÜG-Bericht 2010 sehen sie im Westen in der untersten Entgeltstufe mindestens 7 Euro Stundenlohn vor. Ein am 1. Juli in Kraft getretener Tarifvertrag, der für immerhin 190 000 Zeitarbeiter gilt, gesteht den Beschäftigten in der untersten Lohngruppe 7,60 Euro zu, Ende 2012 steigt der Wert auf 8,19 Euro.

Gibt es einen Mindestlohn für die Branche?

Nein, doch von der Leyen macht Druck. „Noch in diesem Sommer„ sollte sich die Branche aus ihrer Sicht auf eine allgemeine Lohnuntergrenze einigen. Hintergrund: Im Mai 2011 gilt Freizügigkeit für osteuropäische Arbeitnehmer – dann könnten Leiharbeiter „zu Minimalstlöhnen von drei oder vier Euro auf den deutschen Markt drängen“, fürchtet von der Leyen. Die FDP ist aus Prinzip gegen einen Mindestlohn, setzte sich aber kürzlich überraschend dafür ein, dass Leiharbeiter bei der Bezahlung mit Stammbeschäftigten gleichgestellt werden.

Wer überwacht die Regeln für die Zeitarbeit?

Die BA-Regionaldirektionen. Im Bezirk Rheinland-Pfalz/Saarland wurden von 2005 bis 2008 insgesamt 463 Verleiher kontrolliert. Bei Verstößen werden Bußgelder verhängt. Die Zahl der Verfahren ist 2008 bundesweit sprunghaft angestiegen: von zuvor jeweils weniger als 600 auf sage und schreibe 2139.