Aiwanger: Athen braucht Zweitwährung

Haben die Freien Wähler überhaupt eine Chance, in den Bundestag einzuziehen – und wie stehen sie denn nun eigentlich zum Euro? Die Schülerreporter Marvin Wächter (links) und Leon Kohrt nahmen Parteichef Hubert Aiwanger (Mitte) in die Zange, unterstützt von Chefredakteur Christian Lindner und Redakteur Jörg Hilpert (rechts).
Haben die Freien Wähler überhaupt eine Chance, in den Bundestag einzuziehen – und wie stehen sie denn nun eigentlich zum Euro? Die Schülerreporter Marvin Wächter (links) und Leon Kohrt nahmen Parteichef Hubert Aiwanger (Mitte) in die Zange, unterstützt von Chefredakteur Christian Lindner und Redakteur Jörg Hilpert (rechts). Foto: Jens Weber

Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, will sich beim Thema Euro von der „Alternative für Deutschland“ nicht die Butter vom Brot nehmen lassen: Im „Wahlzeit!“-Interview erklärt der 42-Jährige, wieso Griechenland die Drachme als Zweitwährung wiedereinführen sollte – und wer seiner Ansicht nach hinter der AfD steckt.

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Das Gespräch führten die Schülerreporter Marvin Wächter und Leon Kohrt sowie Chefredakteur Christian Lindner und Jörg Hilpert

Hier Auszüge aus dem Gespräch, das mit Fragen unserer Leser per E-Mail, Twitter und Facebook angereichert wurde:

Ihre Partei war sich bei der Entscheidung, zur Bundestagswahl anzutreten, nicht ganz einig. Warum jetzt dieser Schritt?

Weil wir schon seit Jahrzehnten kommunalpolitisch gute Arbeit leisten, und zwar bundesweit – auch in Rheinland-Pfalz. 2008 sind wir dann mit 10,2 Prozent in den bayerischen Landtag eingezogen, 2009 haben wir erstmals bei der Europawahl kandidiert. Es ist ein logischer Schritt, jetzt auch auf Bundesebene anzutreten.

Ist das ein Wahlkampf zum Üben?

Natürlich lernen wir aus jedem Wahlkampf. Ich bin auch überzeugt, dass wir bei der nächsten Bundestagswahl 2017 stärker sein werden als diesmal. Für unseren Einzug in den bayerischen Landtag haben wir auch drei Anläufe gebraucht. Trotzdem nehmen wir das sehr ernst und hoffen, schon 2013 in den Bundestag einzuziehen.

Bleiben wir realistisch: Die Freien Wähler werden es in diesem Jahr wahrscheinlich nicht schaffen. Warum sollte ich Ihnen dennoch meine Stimme geben?

Um ein politisches Zeichen der Vernunft zu setzen. Wir sind beispielsweise die einzige Partei, die keine Konzernspenden annimmt. Bei den ominösen Neugründungen der letzten Zeit fragt man sich doch: Wer bezahlt denn die vielen Plakate, die jetzt an den Laternen hängen? Da stecken Geldgeber dahinter, die von diesen Parteien etwas erwarten. Wir dagegen nehmen kein Geld an, um unabhängig für die Bürger eintreten zu können. Es geht uns um die Themen, die wir seit Jahrzehnten bearbeiten, um Kommunalpolitik, bessere Bildungspolitik, Erhalt der Kindergärten und Straßen, all das, was den kleinen Leuten auf den Nägeln brennt.

Mit „ominöse Neugründungen“ spielen Sie auf eine ganz bestimmte Wahlalternative an?

Genau.

Da gibt es ja durchaus einen persönlichen Bezug: Bernd Lucke, Chef der Alternative für Deutschland, trat früher mal für die Freien Wähler in Niedersachsen an – jetzt hat er Ihnen das Thema Euro-Kritik weggenommen.

Herr Lucke hat erst versucht, die Freien Wähler umzudrehen, dann wollte er unsere Leute dazu bringen, zur AfD überzutreten. Ich gehe so weit zu sagen, dass ein Ziel der AfD ist, den Freien Wählern den Einzug in den Bundestag abzuschneiden. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat kürzlich gesagt: Die AfD hat ja nun das Wählerpotenzial der Freien Wähler auf Bundesebene „abgesogen“. In meinen Augen stecken CDU/CSU dahinter und gewisse Finanzkreise, die verhindern wollen, dass die unabhängigen Freien Wähler mit der Euro-Thematik Erfolg haben.

Die Union steckt hinter der AfD-Gründung?

Es sind Kreise dabei, die mit der CSU sehr eng kooperieren, und die haben ein Interesse daran, dass die AfD uns das Alleinstellungsmerkmal Euro-Kritik abnimmt. Im Hintergrund stehen wohl einige Banken als Geldgeber.

Aber die AfD nimmt der CDU/CSU doch auch Wähler ab.

Es ist denen lieber, die Stimmen gehen an eine Partei, die sie selbst steuern. Und wenn dort am Ende kein Geld mehr reinfließt, ziehen sie den Stecker raus, und diese Partei ist wieder tot. Die Freien Wähler kriegen sie nicht mehr tot, weil wir von unten her zu sehr verwurzelt sind.

Das klingt nach Verschwörungstheorie.

In der Politik muss man häufig um die Ecke denken, aber in diesem Fall muss man das noch nicht einmal. Es liegt auf der Hand.

Zur Euro-Kritik: Sie stellen sich vor, dass es beispielsweise in Griechenland künftig eine Zweitwährung neben dem Euro gibt, die alte Drachme.Wie soll das denn praktisch funktionieren?

Genauso wie es beispielsweise in Tschechien funktioniert: In der einen Hosentasche haben die Tschechen die Krone, in der anderen den Euro. Der ist zwar nicht offiziell eingeführt, wird aber trotzdem als Zahlungsmittel verwendet. Die Griechen hätten dann die Drachme als Zweitwährung wieder, bräuchten nicht ständig um Finanzspritzen betteln, sondern könnten den innerstaatlichen Zahlungsverkehr mit einer eigenen Währung abwickeln.

Es geht nicht darum, Länder aus der Euro-Zone zu schmeißen. Doch der Euro ist für manche eine zu harte Währung, diese Länder verlieren an Wettbewerbsfähigkeit. Mit einer schwachen nationalen Währung könnten sie abwerten – und gleichzeitig bei höherwertigen Gütern auf den Euro zurückgreifen. Es gäbe wieder einen Wechselkursmechanismus zwischen den beiden Währungen.

Die AfD sagt in ihrem Programm: Deutschland braucht den Euro nicht, die Wiedereinführung der DMark darf kein Tabu sein. Wie stehen die Freien Wähler dazu?

Wir sagen: Die Euro-Einführung ohne Volksabstimmung war ein Fehler. Jetzt haben wir den Euro aber, wir sind in ein Minenfeld geraten, und da ist es nicht ratsam, blindlings rückwärts wieder rauszulaufen – denn dann trete ich mit Sicherheit auf eine Mine. Wir müssen mit den jetzigen Fehlern vorerst leben und die Auswirkungen abmildern durch Zweitwährungen, um den Euro wieder zu einer stabilen Währung zu machen.

Mit dieser eher differenzierten Position kommen Sie in der Öffentlichkeit aber nicht so an wie ein Herr Lucke ...

... der jeden Tag etwas anderes sagt. Am Anfang wollte er die D-Mark wiederhaben, heute sagt er, vielleicht will er die D-Mark wiederhaben, kommt drauf an. Wir sind eine verantwortungsvolle Partei, ich kann nicht mit Rattenfängerparolen auftreten, das würde uns auf die Füße fallen.

Mit welcher anderen Partei würden Sie denn gern zusammen regieren?

Am liebsten mit allen: Ich stelle mir eine Allparteien-Koalition vor wie in der Schweiz, wo jeder eingebunden ist. Bei den Grünen haben wir Energiewende und Umweltschutz als vernünftige Themen, bei der FDP die Freiheitsrechte, bei der Union die Wirtschaftspolitik, bei der SPD die soziale Gerechtigkeit – das müsste zusammengeführt werden. Das vorherrschende Lagerdenken nervt mich, das ist nicht unser Stil.

Aber wie soll das funktionieren – von der Linken bis zur wertkonservativen CSU?

In den Kommunalparlamenten reicht das Spektrum auch von Rot- Grün bis zu den konservativen Parteien. Auch da muss man beispielsweise die Bildungspolitik gemeinsam organisieren. Es gibt keine Partei, die alles richtig macht, und keine, die nur doof ist. Wir müssen zumindest versuchen, die besten Ideen zusammenzuführen. Unser Ziel ist ein neuer Politikstil.

Sie spielen den Alleinunterhalter der Freien Wähler: Bundeschef, Landeschef, Fraktionschef im bayerischen Landtag. Ist das nicht problematisch?

Das ist nicht unüblich. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist doch auch Parteivorsitzende der CDU.

Manche bezeichnen Sie aber als Parteidiktator.

Das stört mich nicht. Es gibt immer Nörgler, aber die sind im Promillebereich anzusiedeln.

Apropos Promille: Was trinken Sie eigentlich im Bierzelt?

Wasser.

Mein Gott, was ist aus Bayern geworden?

Eine nüchterne Nation.