Ära der Angst: Weg zur Welt ohne Atomwaffen ist weit

Vor 70 Jahren wurden die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki Ziel der ersten in einem Krieg eingesetzten Atombomben. Es folgte ein beispielloses Wettrüsten über Jahrzehnte, das erst der Start-I-Vertrag 1991 beendete. Doch bis zu einer Welt ganz ohne Nuklearwaffen ist es noch weit. Sehr weit.

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Hiroshima, 6. August 1945: Weltweit wurde die japanische Stadt zu einem Symbol für die Schrecken des Atomkrieges. Foto: dpa
Hiroshima, 6. August 1945: Weltweit wurde die japanische Stadt zu einem Symbol für die Schrecken des Atomkrieges.
Foto: dpa

Wer besitzt Atombomben?

Offiziell sind im Atomwaffensperrvertrag von 1970 fünf Staaten als Atommächte genannt: die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Darüber hinaus haben Indien, Pakistan und Nordkorea Tests mit Atomwaffen gemacht. Auch Israel ist vermutlich im Besitz der Atombombe.

Wie viele Atomwaffen gibt es auf der Welt?

Genaue Zahlen hat niemand. Mitte der 1980er-Jahre gab es noch etwa 70 000 Atomwaffen. Fast alle gehörten den Supermächten USA und Sowjetunion. Heute existieren schätzungsweise noch 15 850 Nuklearwaffen. Die meisten davon hat Russland (7500), gefolgt von den USA (7260). Mit Abstand folgen China (260), Pakistan (100-120), Indien (90-110) und die übrigen. Seit 1945 detonierten weltweit schätzungsweise 2055 nukleare Sprengsätze. Die meisten Explosionen (178) gab es 1962, den letzten oberirdischen Test 1980.

Welche Sprengkraft haben Atomwaffen?

Im Juli 1945 testeten die USA erstmals eine Atombombe. Die freigesetzte Energie stammte aus der Spaltung von Atomkernen. Sie entwickelte eine Sprengkraft von 21 Kilotonnen. Eine Kilotonne entspricht 1000 Tonnen des konventionellen Sprengstoffs TNT. Die Hiroshima-Bombe hatte eine Sprengkraft von 15 Kilotonnen. Im Kalten Krieg entwickelten die Supermächte tausendfach stärkere Waffen, deren Sprengkraft auf Kernfusion beruhte. Von 1960 bis 1976 besaßen zum Beispiel die USA die B 41 H-Bombe (Sprengkraft 25 Megatonnen, 1 Megatonne entspricht 1 Million Tonnen TNT), die UdSSR testeten 1961 die „Zar“-Bombe mit einer Sprengkraft von 50 Megatonnen. Die aktuellen Interkontinentalraketen der Supermächte haben eine Sprengkraft von 335 Kilotonnen (USA) beziehungsweise 550 Kilotonnen (Russland).

Lagern in Deutschland auch noch atomare Sprengköpfe?

Ja, in Rheinland-Pfalz, im Fliegerhorst Büchel. Experten gehen davon aus, dass es dort zwischen 10 und 20 amerikanische Sprengköpfe gibt. Alle Forderungen, die Waffen von deutschem Boden abzuziehen, blieben bisher ohne Erfolg. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte kürzlich im Bundestag: „Das Thema ist keineswegs aufgegeben. Aber es ist ebenso schwierig wie in den vergangenen Jahren.“

Wie kommen die Bemühungen um atomare Abrüstung voran?

Nach dem Ende des Kalten Kriegs hatten die USA und Russland ernsthaft damit begonnen, ihre Atomwaffen zu verschrotten. Doch seit einigen Jahren verringern sie die Arsenale nicht mehr nennenswert. Stattdessen haben sowohl die USA als auch Russland mit einer Modernisierung begonnen. Zudem werfen sie sich gegenseitig vor, bestehende Abkommen zu brechen. Das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen („Global Zero“), wie es US-Präsident Barack Obama und auch Kremlchef Wladimir Putin einst postuliert hatten, ist wieder weiter in die Ferne gerückt.

Geht wieder das Wettrüsten los?

Der Ukraine-Konflikt hat neue Sorgen ausgelöst: Kiew hatte aus Sowjetzeiten Atomwaffen geerbt, diese dann aber freiwillig vernichtet. Manche meinen, dass Russland andernfalls darauf verzichtet hätte, sich die Krim wieder einzuverleiben. Nun kündigte Putin noch an, bis zum Jahresende 40 neue Interkontinentalraketen anzuschaffen, die auch mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. Das muss nicht heißen, dass ein neues Wettrüsten beginnt. Aber die Ära der atomaren Abrüstung ist wohl vorbei.

Christoph Sator